Jean-Marc Pelletier straft Capla Lügen

„Wir haben ein Torwart-Problem“,
verkündete Freezers-Chef Boris Capla einen Tag nach dem Hannover-Spiel, nach
dem er gerade noch die Losung ausgegeben hatte: „Wir brauchen keine neuen Neben-Kriegsschauplätze“. Jetzt hat er
einen! Unnötig, überflüssig und ohne sachliche Grundlage. Und von Capla höchst
persönlich eröffnet.
Der Hintergrund: Pelletier, zu
Saisonbeginn vom Deutschen Meister Adler Mannheim verpflichtet, sollte auch bei
den Hamburg Freezers für eine meisterliche Saison sorgen. Dass daraus nichts wurde,
ist bekannt. Die von Capla geleitete Anschutz-Filiale in der Hansestadt
taumelte von einer Krise in die andere. Der vom Freezers-Boss als Ziel
ausgegebene Dauer-Platz unter den ersten Vier der Tabelle stellte sich als
ebenso utopisch heraus wie die offensichtliche Erwartung Caplas, der 29jährige amerikanische
Goalie könne das überwiegend desolate Auftreten seiner Vorderleute im
Alleingang kompensieren. Capla: „Wir haben uns mehr Konstanz und Rückhalt von
ihm versprochen“.
In der Tat ist Pelletiers Leistung
dieser Saison von Licht und Schatten begleitet. Nicht jedes der 119 Gegentore
(Platz 5 im DEL-Vergleich) war unhaltbar. Spiele, in denen er sein Team mit
vorzüglichen Reflexen im Spiel hielt, wechselten mit durchwachsenen Auftritten.
Vor allem in der Phase, als der US-Amerikaner, der auch im Besitz des
kanadischen Passes ist, mit erheblichen Rückenproblemen immer wieder zwischen
die Pfosten musste. Backup Daniar Dshunussow war für Freezers-Coach Stewart nie
eine echte Alternative, bekam trotz gegenteiliger Versprechen keine Einsätze
und soll inzwischen beim Zweitligisten Regensburg Praxis sammeln, um dann
eventuell in einem der noch ausstehenden Vorrundenspiele seine DEL-Tauglichkeit
unter Beweis stellen zu dürfen.
Auch die nackten Zahlen geben für
Panik-Reaktionen keinen Raum. Mit einer Gegentor-Quote von 2,83 liegt Pelletier
auf Platz 7 der DEL-Rangliste. Einen Platz hinter dem Frankfurter Ian Gordon
(2,81) und noch vor seinem Nachfolger im Mannheimer Tor Adam Hauser (2,95).
Jetzt sucht Capla für Pelletier
Ersatz. Als Heilsbringer kam dem Freezers-Manager der 40jährige Curtis Joseph,
derzeit im Rentenstand, in den Sinn. Joseph, Olympia-Sieger und mit 1044
NHL-Spielen eine unbestrittene Größe im Welt-Hockey, war im Dezember beim
Spengler-Cup für Team Canada eingesprungen und hatte nicht nur Capla
begeistert. Capla: „Wir klopfen die Möglichkeit einer Verpflichtung ab.“
Pelletier reagierte auf seine
Weise. Beim 4:2-Sieg der Freezers beim Tabellenführer Berlin zeigte der von
Capla Geschmähte eine vorzügliche und fehlerfreie Leistung. Hinter einer
endlich einmal konsequent arbeitenden Defensive avancierte er zum besten
Spieler seines Teams und bestätigte damit die Erkenntnis vieler Experten, die
davon überzeugt sind, dass ein Torhüter auch funktionierende Vorderleute braucht um zu einer Top-Form zu
finden.
Dazu, ob es für Jean-Marc
Pelletier überhaupt noch Sinn macht, vor dem Hintergrund des Capla’schen
Misstrauens seinen noch bis 2009 laufenden Vertrag in Hamburg zu erfüllen,
wollte der US-Amerikaner keine Stellung nehmen. Spieler und Fans der Hamburg
Freezers stärken derweil ihrem Torhüter den Rücken. „Jean-Marc, we believe in
you – Jean-Marc, wir glauben an dich“ war auf einem Riesen-Transparent zu lesen
und Freezers-Kapitän Alexander Barta lobte: „ Unser Goalie war der beste
Mann!“ (Jay)