Jean Marc Pelletier: Ich will mein Bestes geben
Das Training ist soeben beendet, der Schweiß läuft in Strömen, doch Jean Marc
Pelletier scheint das völlig kalt zu lassen. Geduldig beantwortet er
Reporterfragen, lächelt, kommt nur einmal kurz ins Straucheln, als er überlegen
muss, ob er schon mal in Europa war. Ja, in Finnland, sagt er, aber noch nie in
Mitteleuropa und darauf freue er sich riesig. Der neue Goalie der Mannheimer Adler ist ein
angenehmer Gesprächspartner.
Er ist am Vortag angekommen und war gleich auf
dem Mannheimer Weihnachtsmarkt. Eigentlich, grinst er, hat ihn ja seine Frau
Anne hingezerrt, aber dann hätte es ihm unglaublich Spaß gemacht. Die Kultur
hierzulande wäre der amerikanischen ja doch sehr ähnlich und so habe er sich
gleich zu Hause gefühlt. Kinder haben die beiden noch nicht, "aber wir arbeiten
dran".
Wie kams, dass er bei den Adlern anheuerte? Ach, meint er zu
Hockeyweb, er wäre überhaupt nicht mehr zufrieden gewesen in seinem Job. Zu
viele Goalies, zu wenig Spiele, geparkt bis zum St. Nimmerleinstag, das könne
einen nicht befriedigen. Sein Agent hörte sich um, das Managment in Florida
legte ihm ebenfalls die Adler ans Herz, man beschloss gemeinsam, getrennte Wege
zu gehen.
Nun ist er also hier, hat die Jungs kennengelernt, "obwohl ich
die meisten schon kannte, wie Methot oder Jason Jaspers oder Forbes". Und er hat
sich mit Ilpo Kauhanen und Danny aus den Birken bekannt gemacht. Ilpo sei
supernett, sagt er, er säße auch neben ihm, nein, von Konkurrenzgedanken sei da
keine Spur gewesen. Auch Danny habe ihm gefallen, "aber er ist stiller, ich
freue mich drauf, ihn näher kennenzulernen". Robert Müllers Geschichte habe er
gehört, "meine Frau und ich wünschen ihm und seiner Familie, dass er bald
genesen wird. Und zwar von ganzem Herzen".
Pelletier hat zwei
Staatsbürgerschaften, die US-amerikanische und die kanadische. Und zwar, lächelt
er, die Franko-Kanadische genaugenommen. Er wohnt seit zehn Jahren in den
Vereinigten Staaten, seine Frau Anne ist Amerikanerin, eigentlich sei er dort
schon sehr zu Hause, verrät er. Erstmal aber will er Europa entdecken, will
nicht nur spielen, sondern auch Freund werden mit den Menschen. Von den
unglaublichen Mannheimer Fans haben ihm die anderen Spieler schon erzählt, "ich
bin richtig gespannt drauf", und dass gegen Frankfurt ein Derby ansteht, das
weiß er auch schon an seinem zweitem Tag in Mannheim. Nein, gegen die Lions
werde er noch nicht eingesetzt, sagt er, aber er freue sich drauf, die Jungs
spielen zu sehen, die Fans zu sehen und hören und natürlich hoffe er auf einen
Sieg.
Was er von den Adlern erwartet? So, sagt er, könne man das nicht
formulieren, es ginge doch vielmehr darum, was die Adler von ihm erwarteten. Er
habe hier bei einer hervorragenden Organisation angeheuert, da stimme wirklich
alles bis aufs i-Tüpfelchen, jetzt wolle er die Erwartungen erfüllen, sein
Bestes geben, hart trainieren und helfen, die Mannschaft wenn irgend möglich
Richtung Meisterschaft zu führen. Vor der Umstellung hat er keine Angst,
freut sich vielmehr auf die Herausforderung. Und auf gute Kontakte zu den
Menschen in Mannheim.
Interessiert ist er an vielem, auch am Kino. Ob er
Borat schon gesehen habe? Ja, hat er, sagt er und grinst. Der Film hat ihm
gefallen, politisch unkorrekt oder nicht. Borat dürfe gewisse Witze machen,
weil er selber Jude sei, jedem anderen würde Pelletier solche Scherze übel
nehmen. Unabhängig von diesen Einlagen gefällt ihm der Streifen einfach und er
findet, Leute sollten unaufgeregter sein, schließlich portraitiere Borat die
Intoleranz von Menschen im allgemeinen glänzend. Seine Lieblingsszene spielt
übrigens bei versnobten Amerikanern, die anfangs noch lächelnde Miene zur
vermeintlichen kulturellen Entwicklungshilfe beim Gast aus Übersee machen, bis
der sie so schockiert, dass ihre aufgesetzten Mienen sehr schnell verschwinden
und die wahre Gesinning hervorkommt. Mannheims neuem Goalie hat der Film
gefallen, ein Zeichen dafür, dass er nicht nur interessiert ist an Neuigkeiten,
sondern, dass er auch über den Tellerrand hinausdenkt. Auch deshalb ist der Job
in Europa so wünschenswert für ihn und seine Frau: In den USA kann man noch
lange genug leben, jetzt will man Neues erforschen. Und selbstverständlich im
Kasten die bestmögliche Figur machen.
Das will auch Danny aus den Birken.
Coach Teal Fowler hält sich bedeckt mit einer Aussage, wer gegen Frankfurt das
Tor hüten wird, Ilpo oder Danny. Aber Beobachter halten es durchaus für möglich,
dass der 21-Jährige, der in Krefeld eine gute Vorstellung gab, die Chance
erhalten könnte. "Das wäre natürlich großartig", sagt aus den Birken, aber er
rechnet nicht unbedingt damit. Wie er nicht gedacht hat, dass er in Krefeld für
Ilpo einspringen müsste. "Nein", sagt er zu Hockeyweb, "das hatte ich nicht
erwartet, aber Du musst natürlich immer darauf eingestellt sein". Dass er
allerdings kam, als man Drei gegen Fünf spielte, das sei weniger gut gewesen. Er
sei aber eigentlich ganz gelassen gewesen, "zu verlieren hatten wir ja nichts
mehr, wir konnten nur noch gewinnen". Was sie mit seiner Hilfe auch taten.
Wie fühlt er sich denn jetzt, wo ihm wieder ein Neuer vor die Nase gesetzt
wird. Eigentlich, sagt Danny, ändert das ja nichts an meiner Gesamtsituation, er
wäre jetzt wieder da, wo er vor Roberts Ausfall gestanden sei. Im Grunde, fügt
er an, sei das für ihn in Heilbronn optimal gelaufen, er habe fast jedes Spiel
gespielt und man sei zufrieden mit ihm gewesen. "Dann musste ich nach Mannheim,
weil Ilpo sich verletzt hatte." Dass er die Nummer zwei sein durfte bei den
Adlern für einige Zeit, "das war wie ein Bonus".
Hat er eigentlich jemals
daran gedacht, die Adler zu verlassen? Nun ja, sagt Danny, solche Überlegungen
habe jeder Spieler irgendwann, "aber ich fühle mich hier wohl, Mannheim hat viel
getan und ich habe einen super Torwarttrainer." Helmut der Raaf, der in der
Gaststätte beim Essen gegenüber sitzt, grinst: "Das sagt er ja jetzt nur, weil
ich hier bin." Stimmt nicht, die beiden halten auch getrennt viel voneinander.
De Raaf hat volles Vertrauen in Danny. "Das Vertrauen hat er sich selber
erarbeitet." De Raaf: "Danny hat die nächste Stufe seiner Laufbahn erreicht." Er
könne eine Mannschaft Richtung Erfolg führen, das habe er in Heilbronn bewiesen
und er könne auch in der DEL mithalten. Für sein Alter sei das genau die
richtige Entwicklung, meint die deutsche Torwart-Legende. Die letzten Jahre
hätte Danny oft die Praxis gefehlt, weil er in Heilbronn die Nummer zwei gewesen
wäre, jetzt als Nummer eins könnte er zeigen, was er kann und das sei
beachtlich. Bange wäre wohl niemandem, wenn Danny morgen gegen Frankfurt eine
Chance erhielte. Aber das weiß heute noch niemand genau, die Trainer werden erst
morgen bekanntgeben, wer den Kasten hütet.
Angelika von Bülow