Jason Jaspers: "Die Adler sind einzigartig"
Auf den Mann ist Verlass. Er hat kein Training am Feiertag und der
Interview-Termin war eine Woche vorher zwischen Tür und Angel ausgemacht. Doch
pünktlich steht Jason Jaspers auf der Matte beim Restaurant Rosso in der SAP-Arena. Klar,
sagt er, wenn er etwas zusage, dann hielte er das auch ein. Disziplin, das ist
etwas was heutzutage einfach unabdingbar zum Profisport gehöre.
Früher, sagt er und erinnert sich an Gespräche mit alten Hasen, hätte man sich
schon mal eine gewisse Lockerheit erlauben können, das sei unwiederbringlich
dahin. Kein Wunder, wenn man im harten Geschäft ein gewichtig Wort mitreden
möchte, dann muss alles stimmen. "Früher", sagt er etwa, "da kam man nach dem
Sommer ins Trainingscamp, um fit zu werden, heute muss man schon topfit
ankommen".
Dass man am Tag vorher gegen Augsburg verloren habe, das sei schon bitter,
sagt er und auch, dass der Coach ziemlich sauer gewesen sei. Woran der Einbruch
gegen den Tabellenletzten lag, das weiß Jaspers nicht so genau, vielleicht wäre
man nicht konzentriert genug gewesen. Außerdem hätten die Augsburger gekämpft
wie die Wilden. In der Pause habe man denen angeblich gesagt, wenn sie jetzt
nicht mal gewinnen würden, blieben die Fans weg und wenn die wegblieben, dann
sähe es halt auch mit dem Geld mau aus. Wahrheit oder Dichtung - auf jeden Fall
fuhren die Panther zu Hochform auf, was Jaspers großen Respekt abnötigt. "Jeder
will doch den Ersten schlagen", fügt er an, "wir müssen bei jedem Spiel alles
geben, die Liga ist nun mal sehr eng, wie wir gestern gesehen haben".
Das sagt auch Coach Poss ihnen immer wieder. "Der ist ein großartiger
Trainer", freut sich Jaspers, Poss würde immer den richtigen Ton treffen,
aufmuntern, kritisieren, alles zur richtigen Zeit. Und Teal Fowler sei die
ideale Ergänzung, näher an den Spielern, aber doch mit der notwendigen
Distanz.
Der Center hat keine Sekunde bereut, nach Mannheim gekommen zu sein. Obwohl
ihm das nun wirklich nicht an der Wiege gesungen worden war. Die stand 1981 in
Ontario, dort, wo, wie er lachend sagt "Eishockey Religion ist".
Man stolpere
praktisch bei jedem Schritt über Hockey. Sein Idol war, wie sollte es anders
sein, Wayne Gretzki. Und das Beste daran: "Der ist als Mensch
einfach nur toll." Er habe das Glück gehabt, ihn kennenzulernen. Gretzky sei ein
Mann ohne jede Starallüren, einer, der ganz locker mit allen Leuten umginge, so
jemanden habe man gerne zum Vorbild. Vater Jaspers und die beiden Brüder von
Jason waren hin und weg, als der große Gretzky mal in einem Hotel aus dem Aufzug
trat, Jason herzlich begrüßte und dann noch mit der Familie plauderte.
Eigentlich, sinniert der Adler-Spieler, kenne er nur sehr wenige nicht
sympathische Hockeyspieler, mit den meisten käme man wirklich gut aus.
Das träfe jetzt auch auf die Teamkollegen in Mannheim zu. Greg Poss habe
bei der Zusammenstellung immer auch nach dem Charakter gefragt, nie nur nach dem
Talent. Denn das alleine garantiere nun wirklich keinen Erfolg, sagt Jaspers.
"Beides ist gleich wichtig, und muss gut ausbalanciert sein."
Drei Brüder hat Jaspers, alle drei spielen Eishockey. Der jüngste bei den
Juniors, "der macht das richtig gut, er hat Chancen weiterzukommen", lobt er
ihn. Die anderen sind in einem "Beerteam", das der Papa sponsort. Beerteam, weil
es hier nicht mehr bierernst zur Sache geht, weil die Cracks einfach Spaß am
Spielen haben und auch, weil man anschließend gerne mal ein Bierchen trinken
geht.
Von Kanada aus zog es Jaspers in die Staaten, dort, wo die Leute sogar
Baseball mögen, was ihn immer noch verwundert. Selten, gibt er zu, habe er sich
bei einer Sportart dermaßen gelangweilt wie beim Baseball. In Kanada, da seien
die Fernsehkanäle voll von Eishockey, man erführe jedes Detail über jeden
Spieler, welch Paradies verglichen mit dem Nachbarland, in dem selbst der beste
Baseball-Spieler auf dem Feld irgendwie noch der totale Langweiler sei. Nun gut,
meint Jaspers, wer den Sport möge, herzlich gerne, natürlich, für ihn sei er
nichts.
Er wurde gedraftete, landete in der NHL; wurde hin und her geschoben.
"Hier", sagt er, "macht man 52 Spiele und hat auch mal frei", drüben kämen pro
Saison schon mal hundert Matches zusammen, inklusive Freundschaftsspiele und
Play Offs. 17 Mal habe er in einer Saison drei Spiele in drei Tagen absolviert,
"das ist grausam". In der NHL zahle sich das in barer Münze aus, aber wenn man
weiter nach unten schaue, überwögen oftmals die Nachteile. Etwa für Familien. Da
erführe einer morgens, dass er abends am anderen Ende des Staates auflaufen
müsse. Die Familie gucke in die Röhre und eigentlich sei dieser Job nur etwas
für Singles.
Jason Jaspers musste sich mit 17 entscheiden, ob er eine College-Ausbildung
wollte, oder ganz aufs Eishockey setzen. Wobei er einen entscheidenden Vorteil
hatte: Man bot ihm an, sollte es mit dem Hockey nicht so laufen, seine
Ausbildung an einer kanadischen Universität zu zahlen. Dieses Privileg hätten
nicht viele, sagt er. Doch dann ging er hundertprozentig Richtung Hockey. Und
denkt im Moment nur sehr vage daran, was später einmal sein wird. Vielleicht
möchte er ins Geschäftsleben einsteigen, "ich habe durch den Sport ja viele
Beziehungen knüpfen können".
Doch erstmal will er Leistung zeigen. Will alle überzeugen von seinem
Können. Er habe, sagt er, eigentlich nie die richtige Chance in der NHL
erhalten, sei dauernd hin und hergeschoben worden, das habe ihm nicht
gefallen. Er hörte, dass die DEL inzwischen international ernst genommen wird
und heuerte in Mannheim an. Ein wenig mit dem Hintergedanken, sich hier zu
beweisen und dann vielleicht in Übersee nochmal eine Chance zu bekommen, "aber",
lächelt er, "mir würde es auch nichts ausmachen, hier noch lange
weiterzuspielen".
Die größere Eisfläche käme ihm zupass. Er sei ein guter Schlittschuhläufer,
das könnte er hier viel besser zeigen als zu Hause. Sicherlich, vieles sei auch
gewöhnungsbedürftig hierzulande, die Regeln etwa. Und das Verwunderlichste:
"Jeder Schiedsrichter hat so seine Eigenheiten." Und lege die Regeln nach seiner
Meinung aus. Da stehe man manchmal schon ein klein wenig frustriert auf dem
Eis. Wobei Jaspers die Schiris sogar verstehen kann: "Die haben oftmals einen
anderen Beruf und stehen dauernd unter Druck, das wäre bei Profis vielleicht
anders." Man müsse sich halt dran gewöhnen, dass der eine Unabhängige etwas
ahnde, was der andere durchgehen ließe.
Ganz anders sind auch die Fans. "Im Trainingscamp waren 30 mit, die waren
so laut, dass ich mich schon gewundert habe." Aber dann hätten die Spieler, die
schon länger in Mannheim sind, nur gesagt, er solle erstmal abwarten. "Sowas
kann man überhaupt niemandem erklären", sagt Jaspers fast ein wenig erstaunt,
solche Fans habe er noch nie erlebt. In der NHL wäre beim entscheidenden Play
Off Spiel nichtmal ein Zehntel der Stimmung, die die Adler-Fans bei fast jeder
Begegnung ins Stadion brächten, "gigantisch".
Mit seiner Leistung ist er bisher zufrieden, und überhaupt, es sei in einem
Team wie in Mannheim nicht wichtig, wie sich der einzelne heraustelle, das
Zusammenspiel müsse klappen. Und hier läge ein entscheidender Vorteil bei den
Adlern: "Wir können die Reihen immer wieder umstellen."
Gab es mal eine Situation, in der er Eishockey nicht mochte. Nein, sagt der
Crack, eigentlich nicht. Obwohl er barfuß durch die Hölle gehen musste in einem
Fall. Da hatte ein Puck ihn an der Wange getroffen und das halbe Gesicht
zerfetzt. Kein Zahn saß mehr, wo er sitzen sollte, die Knochen waren gebrochen,
der Kiefer total entstellt. Die Zahnärztin, die er sonst hatte, konnte ihn noch
nichtmal anschaun, so grauenhaft habe er ausgesehen. Es dauerte lange, bis alles
wieder hergestellt war, heute, drei Jahre später, sieht man nichts mehr, "aber
an den Schmerz werde ich mich immer erinnern". Doch selbst da, als er nachts
wachlag, weil alles höllisch weh tat, da habe er nie wirklich ans Aufhören
gedacht. Eishockey sei sein Leben und zudem der wunderbarste Sport
überhaupt.
Privat ist er fest gebunden, an Morgan, mit der er seit sieben Jahren
zusammen ist. Sie möchte gerne heiraten, seine Familie unterstützt sie darin,
lächelt er. Und Kinder, ja, die will er auch eines Tages haben. 25 Knirpse
halten derzeit das Team auf Trab, lacht er, "das ist der reinste Babyboom".
Wunderbar an Mannheim sei auch, dass viele Spieler ganz in der Nähe wohnten,
eine kleine Gemeinde bildeten und sich gegenseitig hälfen. Er schätzt diese
Bodenhaftung, diese Bindung. Wie er Mannheim inzwischen von Herzen mag: "Die
Adler sind einzigartig." Und am Sonntag beim Heimspiel gegen Berlin, das kündigt
er noch an, wolle man den Fans zeigen, dass man weitersiegen wird.
(Angelika von
Bülow - Foto by City-Press)