Ingolstadt verliert Nervenschlacht
Das Vorbereitungsprogramm des ERC IngolstadtDer ERC Ingolstadt steht im Play-off-Viertelfinale mit dem Rücken zur Wand. Vor ausverkauftem heimischem Haus ging Spiel zwei mit 2:5 (0:1, 1:2, 1:2) an die Gäste aus Nürnberg, die damit bereits die Hälfte der erforderlichen vier Siege zum Erreichen des Halbfinales verbucht haben.
Das Freitagabendspiel glich über weite Strecken einer Nervenschlacht, die bereits mit dem Eröffnungsbully begann. Dafür sorgte Adam Spylo, der von Nürnbergs Coach Greg Poss provokativ in die „Starting Six“ beordert wurde. Sichtlich genoss der als „Goon“ verschrieene und deshalb in das Fadenkreuz der Ingolstädter Medien und Fans geratene Angreifer das gegen ihn gerichtete Schmähkonzert von den Rängen. Und die Botschaft vom „Spylo-Faktor“ war spätestens in diesem Moment auch an der Ingolstädter Bande angekommen.
59:56 Spielminuten später fand dann die besagte Nervenschlacht ein hässliches und absolut überflüssiges Ende, für das allerdings nicht etwa Adam Spylo, sondern ERC-Verteidiger Jakub Ficenec verantwortlich war. Er streckte Robert Tomik, der gerade zum 5:2 für die Gäste ins leere Tor getroffen hatte, böse nieder und wurde von Hauptschiedsrichter Heiko Dahle vier Sekunden vor Schluss mit einer Matchstrafe zum Duschen geschickt. Ingolstadts Coach Ron Kennedy hatte für die Frustattacke seines Verteidigers keinerlei Verständnis. Er schimpfte zurecht: „Was er gemacht hat, das geht nicht. Wir hätten ihn am Sonntag beim nächsten Spiel gebraucht.“
Was war geschehen?
Doch was war zwischen diesen beiden für das Spiel symptomatischen Szenen geschehen? Ingolstadt kam gegen die spritziger wirkenden Ice Tigers erst nach neun Minuten mit dem zweiten Überzahlspiel so richtig in Schwung. Der erste Treffer fiel kurz vor der ersten Pause allerdings auf der anderen Seite. Lasse Kopitz hatte mit einem Schuss durch Freund und Feind hindurch im Powerplay die fränkischen Farben in Front gebracht.
Dieser mentale Vorteil hielt aber nicht lange. Denn keine eineinhalb Minuten waren im zweiten Drittel gespielt, da glich Jakub Ficenec seinerseits mit einem Schlagschuss bei numerischer Überlegenheit aus. Die Freude darüber währte gerade mal rund drei Minuten, dann war der ansonsten wenig auffällige Thomas Greilinger – wie sollte es anders sein, wieder im Powerplay – zur Stelle, um Nürnberg erneut in Führung zu schießen. Ingolstadts Felle schienen endgültig davonzuschwimmen, als Greg Leeb in der 32. Minute bereit stand, um den von der Bande vor das Tor der Ingolstädter zurückprallenden Puck zum 3:1 über die Linie zu jagen. Zum Drittelende versäumten es die Hausherren, im Powerplay frühzeitig wieder den Anschluss herzustellen.
Dann folgte der giftige Schlussabschnitt, in dem die Nerven endgültig über Sieg oder Niederlage entscheiden sollten. Eine Minute nach einer Rangelei, die bereits andeutete, was kommen würde, erwischte es den agilen Ingolstädter Verteidiger Brad Burym. Nach einer Attacke an der Bande von Guy Lehoux, der mit einer Spieldauerstrafe belegt wurde, blieb er regungslos auf dem Eis liegen und musste benommen mit einer Gehirnerschütterung in die Kabine gebracht werden. Die Panther nutzten das folgende fünfminütige Powerplay immerhin zum Anschlusstreffer durch den bemühten Kapitän Glen Goodall (47.). Es war ein Weckruf, der durch die Saturn-Arena schallte. Den erlösenden Ausgleich hatte nach einem feinen Solo Günther Oswald auf dem Schläger, doch er vergab in der 48. Minute die Riesenchance, die dem Spiel die Wende hätte geben können.
So kam es, wie es kommen musste. Greg Leeb (51.) tanzte nach einem bösen Harney-Fehler Jung-Verteidiger Daniel Hilpert und Goalie Jimmy Waite, der an diesem Abend nicht die gewohnte Ruhe ausstrahlte, aus und schob zum von den Gästefans vielumjubelten 4:2 ein. Es war der Todesstoß, dem in der Schlussminute das für Robert Tomik in der Folge schmerzhafte 5:2 folgte.
Die Nürnberg Ice Tigers konnten erhobenen Hauptes die Saturn-Arena verlassen, während Ron Kennedy keine 48 Stunden bleiben, um seine Mannen, denen etwas die mentale Frische zu fehlen scheint, wieder aufzurichten.
Alarmglocken schrillen
Denn die Alarmglocken müssen im Lager der Ingolstädter nach zwei Play-off-Niederlagen aus zwei Spielen schrillen. Die Paradereihe mit Cameron Mann, Doug Ast und Sean Tallaire war am Freitagabend praktisch gar nicht zu sehen, Goalie Jimmy Waite wirkte genervt von den für ihn ungewohnt vielen Gegentoren, das Unterzahlspiel war katastrophal und mit Jakub Ficenec bzw. Brad Burym hatten sich die zwei offensiv agilsten Verteidiger aus gegensätzlichen Gründen vorzeitig abgemeldet.
Doch Ron Kennedy beschwört weiterhin den Teamgeist: „Wir müssen wieder mehr kompakt, mehr defensiv und mehr bissig spielen.“ Trotzdem wiegen die aktuellen Ausfälle in der Defensive schwer. Am Sonntag soll Chad Allan wieder zum Einsatz kommen und der gesperrte Yves Racine kehrt zurück. Dafür wird Jakub Ficenec neben dem ohnehin gesperrten Ken Sutton zuschauen müssen und die Schwere der Gehirnerschütterung von Brad Burym muss erst noch festgestellt werden. Die Ingolstädter Abwehr wird allein schon nominell ziemlich löchrig, das Bollwerk zum Sorgenkind.
Deshalb muss die Ingolstädter Mannschaft am Sonntag eng zusammenrücken, um in Spiel drei nicht schon die dritte drohende Niederlage zu kassieren. Denn dann wäre es wohl nur noch die Frage einer kurzen Zeit, bis die zweite DEL-Saison des ERC in den ersten Play-offs wenig ruhmreich endet. fc