Ingolstadt feiert: Viel Licht und Schatten in einer aufregenden SaisonÜberraschungsmeister nach turbulenter Spielzeit
Ein Autokorso führte von der Arena zum Rathausplatz, von dort aus ging es ins Rathaus zum neuen Bürgermeister der Stadt, hier trugen sich die Spieler und Trainer ins Goldene Buch der Stadt ein und ließen sich anschließend einzeln auf dem Balkon feiern.
Es war eine lange und aufregende Saison. Tray Tuomie von den Thomas Sabo Ice Tigers sagte im August bei sportal.de: „Deutscher Meister wird Berlin – oder die Mannschaft, die in der Lage ist, die Eisbären zu schlagen.“ Niemand konnte ahnen, wie richtig er damit lag. Jim Boni, Ex-Sportmanager bei den Panthern hatte eine schlagkräftige Truppe aus erfahrenen Spielern zusammengestellt. Zusammen mit Niklas Sundblad waren tatsächlich zwei Enthusiasten am Werk, deren Arbeit zunächst nur langsam Früchte trug. Das harte Training von Sundblad, sein System und viele andere Kleinigkeiten mussten erst verinnerlicht werden. Teilweise zeigte das Team, was in ihm steckte, so gelangen innerhalb von fünf Tagen im Dezember zwei Siege gegen den Rivalen aus Mannheim oder ein eindruckvolles 11:2 am 12. Januar gegen Schwenningen. Am nächsten Spieltag, dem Vereinsgeburtstag verlor man dann zu Hause sang- und klanglos gegen Schlusslicht Düsseldorf, mit der 1:7-Klatsche in Augsburg der Auslöser von Fanprotesten und Boykotten ungeahnten Ausmaßes. Diese und auch die internen Probleme kamen aber nicht über Nacht, hier lag die Ursache auch an fehlender Führung von oben. Geschäftsführer Karl-Heinz Schapfl beendete im September aus privaten Gründen seine Arbeit beim ERC, Jim Boni verließ den Club etwas überraschend schon am 12. Januar trotz noch laufenden Vertrages. Führungslos war die sportliche Seite zum Glück nicht, das intensive Training von Niklas Sundblad führte aber auch dazu, dass die Spieler nur zu selten wirklich optimal vorbereitet waren. Hier muss man Stefan Schaidnagel erwähnen, der bei den Panthern als sportwissenschaftlicher Berater für Trainingsoptimierung und Trainingssteuerung aktiv war. Ohne sein Eingreifen im Januar wären die Panther wohl saft- und kraftlos Richtung Play-offs gekrochen und dort chancenlos eingegangen. Auch eine Entlassung von Sundblad zu Beginn des Jahres wäre nicht überraschend gewesen, hätte aber nur noch mehr Unruhe in den Verein gebracht. Außerdem hätte es keinen sportlichen Leiter oder Geschäftsführer gegeben, der einen neuen Übungsleiter hätte suchen und einstellen können.
Aber die Mannschaft hatte Charakter und schwor sich zusammen. So auch beim Spiel am 2. Februar in München, als man wegen eines Noro-Virus elf erkrankte Spieler hatte und nur dank dreier Förderlizenzspieler aus Regensburg auf die notwendige Spielerstärke kam und antreten konnte. Viel interessanter wurde es nach dem Spiel, als bekannt wurde, dass gegen den ERC Ingolstadt wegen unsportlichen Verhaltens ermittelt werden sollte. „Unverständlich finden wir es, dass wir trotz dieser Situation das Spiel nicht verlegen, weil München dem nicht zustimmt“, sagte Ingolstadts neuer Sportdirekter Jiri Ehrenberger in einer Pressemitteilung. Und eben jene soll Anstoß für dieses Verfahren gewesen sein. Nun findet sich aber nirgends ein Ergebnis oder eine Stellungnahme der DEL. Hier teilte die Liga auf Hockeyweb-Anfrage mit, dass Verein und Liga Stillschweigen darüber vereinbart hätten.
Sportlich drehten die Panther in den Pre-Play-offs auf, wieder auf einem fitten Level wirkte das entscheidende Tor zum 3:2-Sieg in der Verlängerung gegen Berlin durch Benedikt Schopper wie eine Initialzündung. Diese „Jetzt-erst-recht“-Mentalität, der Wille, es allen zu zeigen, er versetzte Berge. Noch nie musste eine Mannschaft in den Play-offs 21 Spiele bis zum Titel bestreiten, noch nie warf eine Mannschaft den Titelverteidiger sowie den Hauptrundenersten und -zweiten aus den Play-offs und noch nie drehte ein Team einen 0:2-Serienrückstand in einem Finale. Superlative, wohin man nur sieht. Diese in der kommenden Saison auch nur ansatzweise zu erreichen, wird sehr schwer.
Aus der aktuellen Meistermannschaft werden mindestens acht Akteure den Verein wechseln bzw. beendet zum Beispiel Kapitän Tyler Bouck seine Karriere. Ziga Jeglic wechselt mit Rok Ticar von den Kölner Haien nach Bratislava in die KHL, hier wird interessant sein, ob deren Jugendfreund und Nationalmannschaftskollege Robert Sabolic in Ingolstadt bleibt oder ebenfalls wechselt. Der Wechsel von Jakub Ficenec, Travis Turnbull und Tim Conboy nach Düsseldorf ist mittlerweile offiziell. Conboy hatte unter Jim Boni einen neuen Vertrag vorliegen, der aber nach dessen Ausscheiden vom Beirat wieder zurückgezogen wurde. Seinen Wechsel zu kompensieren, wird nicht einfach. Und selbst Spieler, die per Option des Vereins verlängert werden könnten, sind noch nicht fix. Gerade sorgte ein Interview mit Thomas Greilinger bei spox.com für ordentlichen Gesprächsstoff. Bezogen auf den Fanboykott sagte er: „Auch wenn es jetzt in den vergangenen Wochen bei uns sportlich hervorragend gelaufen ist und die Stimmung sehr positiv war – so etwas vergisst man nicht.“ Und ein Bekenntnis zum Verein hört sich anders an. „Mit Sicherheit überlegt man sich, ob es noch Sinn macht, unter diesen Voraussetzungen weiter hier zu spielen.“ Wie schwer die kommende Spielzeit werden wird, schätzt Greilinger folgendermaßen ein: „Wenn man das Ganze jedoch realistisch betrachtet, dann wird man auch in der Saison 2014/15 wieder um den zehnten Platz spielen. Die aktuelle Mannschaft wird ziemlich auseinander fallen. Und ob das neue Team dann besser oder schlechter ist, wird sich erst noch zeigen müssen.“
Inwiefern sich die Taten der Vergangenheit nun personell bemerkbar machen, wird sich in den kommenden Tagen und Wochen zeigen. Das Gesicht des Deutschen Meisters in der neuen Saison wird ein vollkommen anderes sein.