Harold Kreis auf den Spuren von TrapattoniMannheim - Wolfsburg 0:5
Wer hat nicht Giovanni Trapattonis Brandrede vom 10. November 1998 im Hinterkopf (damals Trainer des Fußball-Bundesligisten Bayern München), in der er klarlegte, dass die Außendarstellung einiger Spieler ein krasses Missverhältnis zur ihrer Darbietung auf dem Spielfeld darstellt, dass nicht er auf dem Platz steht und das das Team nur 25 Prozent seines Leistungsvermögens abruft, nur um zwei Dinge beispielhaft zu nennen. Weniger aufbrausend, aber mindestens ebenso geladen präsentierte sich Harold Kreis nach der 2:5-Niederlage gegen Iserlohn. Neben der Tatsache, dass die Sportart eine andere ist, spricht Harold Kreis anders als "Trap" ein fast perfektes Deutsch, was bei Trapattonis Rede zur Folge hatte, dass man mehrere Male um die richtigen Deutungen bemüht war und bei Harold Kreis leicht vergisst, dass er nun mal kein „Native Speaker“ ist und in diesem „Zornzustand“ (so habe ich ihn selten gesehen nach einem Spiel), das, was er im kanadischen Dialekt auf den Punkt bringen kann, wohl erst mal innerlich übersetzt, ohne auf die Feinheiten der deutschen Sprache achten zu können.
Hier den Pfad zwischen Sarkasmus, Enttäuschung und sachlicher Erklärung zu finden, war schwer an diesem Abend und lässt einen erheblichen Spielraum an Interpretationsmöglichkeiten zu, zeigt aber jedenfalls mal einen Menschen aus Fleisch und Blut, weit weg von der technokratischen Aura, die ihn fachbezogen manchmal umgibt. Sein „Es war alles schlecht heute Abend inklusive Coaching Staff“ kann man auch so deuten, dass die akribische Vorbereitung auf jeden Gegner im Falle Iserlohn wie ein geworfener Wasserballon an einer Betonwand zerplatzte und der Inhalt abperlte, dazu passt zum Beispiel durchaus die Aussage von ihm: „Selbstvertrauen hat die Mannschaft genug“, oder gedeutet Überheblichkeit? Oder die sinngemäße Aussage: „Wir sind soweit, dass wir wissen, dass wir unsere Spiele bei gleicher Anzahl Spieler auf dem Eis entscheiden müssen“, ist das nicht einfach nur eine realistische Betrachtungsweise, betrachtet man die Darbietungen im Powerplay?
In diesem Spiel durfte sich während der letzten zwei Powerplays zum Beispiel die vierte Reihe versuchen, was sie so schlecht auch nicht ausführte. Die Frage danach, dies dauerhaft so zu händeln, beantwortete Harold Kreis mit: „Soweit sind wir noch nicht.“ Er meinte wohl damit weniger eine Kapitulation davor, sondern eher, dass es zu einfach sei, die ausländischen Spieler, die auch dafür geholt wurden, einfach aus der Verantwortung zu lassen. Denn es ist ja nicht so, dass er von ihnen eine völlig neue und andere Form von Powerplay fordern würde, als die, die sie gelernt und das können schon bewiesen haben.
Schwierige Vorbedingungen also vor dem heutigen Spiel, ausgerechnet gegen Wolfsburg, Stolperstein in den letzten Play-offs für die Adler. Die Frage war, wie die Mannschaft mit der sicher mehr als unangenehmen Nachbetrachtung des Iserlohn-Spiels umgeht und sich gegen Wolsburg präsentiert. EHC-Trainer Pavel Gross sagte artig nach dem Spiel, seine Mannschaft habe das Glück gehabt, mit drei Sonntagsschüssen in Führung zu gehen. Fakt war, dass bei den zwei hervorragend abgeschlossenen Treffern von Gerrit Fauser und Patrick Pohl, die innerhalb der ersten Minute des Spiels fielen, zwei kapitale Fehler vorausgingen. Der erste von Mike Vernace, der zweite von Yanick Lehoux. Einladungen a la Iserlohn. Der dritte Treffer war eine feine Einzelleistung von Grizzly Sebastian Furchner, der ein Break nutzte (schlampige Raumaufteilung und schlampiger Pass der Sturmformation), allein auf den guten Dominic Bittner zulief und nicht versuchte, ihn zu umkurven, sondern ihn als Deckung nahm, um seinen Schuss abzugeben. Mit dem Schläger blockte Dominic Bittner noch etwas, das fälschte den Puck aber so ab, dass er genau in den Winkel passte, Dennis Endras war erneut chancenlos. Damit war die Messe gelesen. Harold Kreis schaute sich die Darbietungen im ersten Drittel noch an und traf zum Mittelabschnitt die Entscheidung Lehoux und Magowan in die Kabine zu schicken, Vernace spielte nur noch, weil die Adler sonst mit nur zwei Verteidigerpaaren hätten agieren müssen, da Florian Kettemer auf der Verletztenliste steht und mit Wagner und Reul zwei weitere Verteidiger fehlen. Mehr Zeichen setzen geht nicht und heißt wohl im Eishockeydeutsch: Lieber lasse ich die spielen, die sich was draus machen, auch wenn ich das Spiel verliere, und der aufrechte „Rest“ machte das ordentlich, die gefühlten verbliebenen zweieinhalb Reihen (auch Rheault und Gamache bekamen nur begrenzte Eiszeit) zeigten ein kämpferisches Spiel, angeführt von Reihe vier um Marc El Sayed, Ronny Arendt und Mirko Höfflin und dem Leitwolf des Abends Jamie Sifers. Dazu kam, wie das meistens so ist, ziemliches Schusspech (47:30 Schüsse und Wolfsburgs Goalie Sebastian Vogl wurde zweiter Star des Abends), allein Mirko Höfflin hatte fünf gute Chancen auf dem Schläger und so kurios es klingen mag ob des Ergebnisses, das Spiel war von Adlerseite aus besser als die Vorstellung gegen Iserlohn. Das vierte und fünfte Tor für Wolfsburg (28./48.) durch Marco Rosa waren blitzsauber ausgeführte Konter, in beiden Fällen resultierend durch weit aufgerückte Adler.
Harold Kreis auf den Spuren von „Trap“, Teil zwei: Er nahm erneut kein Blatt vor den Mund, sprach die Fehler an und nannte Ross und Reiter wie oben beschrieben. Die Zeiten, in denen er sich öffentlich vor seine Spieler stellt, sind zumindest im Moment deutlich vorbei. Lange genug hat er hier Geduld bewiesen, hoffentlich nicht zu lange. Denn das dieses absolvieren von Spielen im Standgas-Modus, es sei denn, man spielt gegen Köln, trainerverordnet ist, ist wohl kaum anzunehmen, dass es an der Reihenzusammenstellung liegt, ist wohl auch eher unwahrscheinlich, wenn man sich so manche Spiele in Erinnerung ruft, in denen das funktioniert hat. Vielleicht ist es einfach Einstellungssache mancher Protagonisten? Bleibt zu sagen: Für Harold Kreis´ „Coming Out“ samt durchgezogener Konsequenzen heute: Well Done. Oder auf Deutsch: Gut gemacht.
Es ist Zeit für dirty, Harry.
Tore:
0:1 (0:52) Gerrit Fauser (Norman Milley, Ramzi Abid)
0:2 (1:00) Patrick Pohl (Kilian Keller, Benedikt Kohl)
0:3 (15:21) Sebastian Furchner (Brent Aubin, Sebastian Vogl)
0:4 (28:00) Marco Rosa (Christoph Höhenleitner, Robert Bina)
0:5 (47:22) Marco Rosa (Christoph Höhenleitner, Brent Aubin)