Gut gebrüllt, Löwen - 5:0-Sieg in Mannheim

Am Ende stand es 5:0 für die Gäste vom Main, vielen Adlern blieb der Mund offen
stehen angesichts dieser Schlappe in einem Spiel, das sowohl Frankfurter
als auch Mannheimer gerne als Derby titulieren, das mithin einen
besonderen Stellenwert im Ligenalltag einnimmt. Frankfurt triumphierte
diesmal, die Akteure blieben aber wohltuend auf dem Boden. Keine Häme,
nur sachliche Analysen, alle wissen, die Saison ist noch lang, die dicke
Dame hat Zeit, viele Arien zu singen.
Vor dem Spiel stand den Adlern das Wasser zwar nicht bis zum Hals, aber
doch bis zu den Knöcheln. Der Wasserrohrbruch, der bereits die Huskies
die Nase hatte rümpfen und die Ausrüstung in Sicherheit hatte bringen
lassen, legte nun die Adler-Kabine still. Die Jungs mussten umziehen in
den Jugendtrakt. Und die VIPS fanden statt ihrer Toiletten stinknormale
Dixie-Klos vor dem Restaurant vor. Ein schlechtes Omen und in etwa so
ging der ganze Abend weiter.
Michael Bakos bereute, nicht mitspielen zu können. Die
Schulterverletzung legte ihn auf Eis, die Schmerzen sind noch nicht weg,
trotzdem hofft er, bis zum Spiel gegen Augsburg am Freitag in
einer Woche wieder fit zu sein. Im feinen Zwirn stand Ex-Adler Stephane
Richer Löwen-Trainer Rich Chernomaz zur Seite, "Riche" tut das Knie
immer noch weh, es schwillt an, wenn er trainiert. "In den kommenden
Monaten werde ich eine Entscheidung treffen müssen", verriet der Crack
und deutete an, wie gut er mit Chernomaz und Nethery auskäme, man habe
angedeutet, dass er eine Funktion als Bindeglied zwischen Coach und Team
einnehmen könnte. In Frankfurt fühlt sich die Familie Richer sichtlich
wohl.
Drittel eins begann nervös und endete auch so von Adler-Seite:
Fehlpässe, etliche Ruppigkeiten und ein Schiedsrichter, der pfiff und
pfiff und so manch gute Spielzüge auch zerpfiff. Allerdings, das musste
man ihm lassen, er behandelte beide Teams ziemlich gleich. Letztendlich
schlugen 22 Strafminuten für Mannheim und 26 für Frankfurt zu Buche.
In der neunten Minute kamen die Lions knallhart vors Tor nach einem
Fehler der Adler-Verteidigung. Shulmistra lag schon am Boden, da schoss
Belanger ein. Anschließend turbulente Szenen vor dem Frankfurter Tor,
doch Ian Gordon war jedesmal zur Stelle, der Goalie wurde zum Mann des
Abends. Bei den Adlern ging nicht viel zusammen, selbst in 5:3 Überzahl
trafen sie nicht ins Tor, obwohl sie es verzweifelt versuchten.
Alleingänge von Corbet (15. Minute) und Martinec (16. Minute) brachten
nichts Zählbares. Immer wieder kam Martinec gut ins Spiel, ackerte und
kämpfte, lieferte mit Hock und Kathan manch schönen Spielzug und blieb
doch erfolglos.
In Drittel zwei zeigten die Adler mehr Klasse, doch sie scheiterten
erneut mehrfach vor dem Gehäuse der Lions. In der 38. war Shulmistra,
der sich mitten im Gedränge wiederfand, die Sicht versperrt, es hieß 2:0
für die Gäste nach einem Schuss von Ratchuk. Noch war nichts verloren,
hätte Mannheim jetzt den Anschlusstreffer geschossen, wer weiß, wie es
ausgegangen wäre. Doch die Adler schossen und verpassten, alles wie
gehabt also.
Im dritten Drittel dürfte sich auch Sportjournalist Jürgen Emig, der im
Kabinenbereich dem Treiben auf dem Eis zuschaute, die Augen gerieben
haben, so ließen sich die Mannheimer jetzt abschlachten. In der 47.
Minute erziehlte Magnusson das 3:0, in der 49. Hackert das 4:0.
Adler-Coach Bill Stewart nahm Goalie Shulmistra, dem die Niederlage
nicht angekreidet werden kann, zu oft wurde er alleingelassen, raus.
Seliger hütete von nun an den Kasten, zeigte einige gute Reaktionen,
bekam dann aber in der 58. Minute das 5:0 durch die Schoner geschossen,
während die Abwehr gerade anderswo spazierenging. Mark Etz, eine
ehemaliger Mannheimer ("Etz, Etz, Etz, der Puck, der muss ins Netz")
erzielte diesen Treffer. Freude bei den Lions-Fans, betretenes
Schweigen, auch manche Pfiffe bei den Adlern. Die Mannheimer zogen
betreten ab ins Untergeschoss des maroden Stadions, um ihre Wunden zu
lecken.
Bill Stewart entschuldigt sich
Rich Chernomaz war sichtlich glücklich über diesen wichtigen Sieg seiner
Lions: "Heute waren wir einfach das bessere Team." Der Coach lobte Ian
Gordon, fand aber auch die anderen Spieler herausragend. "Ich bin sehr
glücklich und sehr stolz auf mein Team", betonte der Frankfurter Coach.
Überbewerten wollte er die Begegnung aber auch nicht: "Das war erst das
dritte Spiel, Mannheim hat eine gute Mannschaft, es ist noch eine lange
Saison."
Bill Stewart entschuldigte sich bei den Zuschauern: "Das ist absolut
peinlich für die Organisation." Er sei enttäuscht, im Training habe man
so gut gearbeitet. Im ersten Drittel habe seine Mannschaft nervös
gespielt, "aus welchen Gründen auch immer". Im zweiten Abschnitt seien die Adler ein bisschen besser geworden, nur das Tor habe man nicht getroffen, "und
wenn Du das Tor nicht triffst, schlägt das irgendwann aufs Gemüt".
Stewart weiter: "Der sogenannte Meister, über den jeder redet, ist
jetzt am Ende der Liga." Aber, Stewart blickte gleich wieder positiv in
die Zukunft, "ich habe Vertrauen zu meiner Mannschaft. Wir haben jetzt
einen Tiefpunkt, aber die Saison ist lang, wir müssen die Perspektiven
bewahren." Man habe viel Arbeit vor sich, viele Fragen zu beantworten.
Stewart bat vor allem um Geduld.
Lance Nethery strahlte an alter Wirkungsstätte und meinte zu
Hockeyweb: "Es ist einfach gut, zu punkten und das Spiel zu gewinnen,
vor allem nach der letzten Saison." Allen wäre klar gewesen, dass es ein
harter Kampf würde. Nethery - übrigens in perfektem Deutsch: "Das 5:0
gibt das Spiel nicht genau wieder, die Adler hatten viele Chancen."
Mannheim habe einfach einen schlechten Tag erwischt, "sowas gibt es, da
kann man dann gar nichts richtig machen." Vielleicht sei auch die
Adler-Vorbereitung zu gut gelaufen, nach so einer Phase komme schon mal
eine schlechtere. Die Mannschaft, das System, der Trainer seien aber so
herausragend, dass man sich um die Adler mit Sicherheit keine Sorgen
machen müsse, betonte Nethery.
Richer: Mit Herz gespielt
Für Stephane Richer war der Sieg in dieser Höhe zwar überraschend und
ein wenig zu hoch, letztendlich aber auch verdient: "Die Lions haben mit
viel Herz gespielt." Man habe Kampf erwartet und Kampf bekommen: "Jedes
Spiel in der DEL ist eine Schlacht", meinte der ehemalige Adler-Kapitän
und jetzige Löwe, alle Teams seien gut, man liege nah beisammen, deshalb
könne man nach drei Spielen keinerlei Prognosen wagen, außer
vielleicht, dass die Adler am Ende oben mitspielen würden.
Frankfurts Mike Harder sah Ian Gordon als den absoluten Matchwinner, "er
hat den Unterschied ausgemacht". Aber auch der Rest des Teams habe
einfach gut harmoniert an diesem Abend.
Jason Young: "Wir haben die Adler an einem schlechten Tag erwischt, die
haben eigentlich ein sehr gutes Team. Aber unsere Mannschaft ist auch
schwer in Ordnung." Über den Schiedsrichter wollte sich Young nicht
auslassen: "Hast Du jemals erlebt, dass ein Spieler einen Schiedsrichter
überschwenglich lobt? Ich denke, er hat getan, was er tun musste und er
hat niemanden benachteiligt."
Ian Gordon kam strahlend aus der Kabine: "Ich fühle mich großartig, wir
haben ein sehr gutes Team, viele junge Leute, die frisch anfangen können
und von Querelen der letzten Jahre nichts mitbekommen haben." Die Chemie
stimme, das habe auch das Spiel bewiesen. Er sei immer gerne in Mannheim
angetreten, es liege ihm, hier zu spielen, meinte der Goalie, der schon
mit Schwenningen große Leistungen gezeigt hatte. Aber, das räumte auch
Gordon ein, das 5:0 sei zu hoch ausgefallen. "Wir hatten einige
glückliche Breaks, wir mussten sehr hart arbeiten. Und wir sind immer
dran geblieben."
Mannheims Goalie Marc Seliger sah die Welt nicht schwarz, höchstens ein
bisschen grau: "Ich denke, wir haben eigentlich ganz gut gespielt, vor
allem im zweiten Drittel. Anschließend haben wir allerdings komplett den
Faden verloren." Das Problem sei ein altes, wenn man keine Tore schießt,
kann man halt einfach nicht gewinnen. "Wir haben das Pech am Schläger
kleben derzeit," meinte der Torwart, der von Nürnberg nach Mannheim
gewechselt war. Er ist zuversichtlich, dass der Knoten bald platzen
wird, "wenn die Ladehemmungen weg sind, werden wir gewinnen", verspricht
er. Außerdem: "Besser jetzt eine Krise haben als zum Ende der Saison."
Dass die Adler am Wochenende spielfrei haben, kann sich nach Seligers
Auffassung gut auf die Psyche auswirken: "Dann kann jeder nochmal seine
Gedanken sammeln und am Freitag gegen Augsburg gestärkt antreten. Wir
müssen dann an unsere Leistung im Kassel-Spiel anknüpfen."
Todd Hlushko, der in der verwaisten Kabine seine Siebensachen
einsammelte: "Frankfurt hat sehr gut gespielt und wir sehr schlecht,
diese Kombination ist natürlich für uns eine fürchterliche. Wir haben
eine Menge Arbeit vor uns, die Leistung heute war unakzeptabel, aber
grundsätzlich meine ich, es ist besser, jetzt die Krise zu haben als
später. Ich bin sicher, wir kommen da wieder raus."
Youngster nach Heilbronn
Keine Zeit zum Verschnaufen haben die ehemaligen Jungadler, die nicht
nur einen Verein haben, bei dem sie spielen. Fabio Carciola, der
sichtlich mitgenommen war von der Niederlage ("Wir gehen in jedes Spiel
und wollen gewinnen, sowas wie heute schlägt dann ganz schön auf die
Psyche") und seine Mitstreiter fahren am Freitag nach Crimmitschau mit
den Heilbronner Falken. Am Sonntag treten sie zum ersten Heimspiel der
Ligensaison in der Knorr-Arena an. Schwenningen kommt mit dem ehemaligen
Falken-Goalie Suvelo. Im Tor der Falken Mannheims Ex-Torwart Mike
Rosati. Immer wieder hörte man rund ums Frankfurt Spiel in Mannheim die
Frage: "Sehen wir uns am Sonntag in Heilbronn?" Etliche Fans, darunter
viele Ordner, die den sympathischen Italiener schätzen, werden Mike
Rosati und die Jungadler in Heilbronn unterstützen. "Hoffentlich werden
wir uns über das Spiel mehr freuen können als über das heutige," lautete
die einhellige Meinung nach der Schlappe gegen die Lions.
(Angelika von Bülow)