Götterdämmerung bei den Adlern
Klare Worte bei den AdlernFans, die alte Stars besingen, ein Trainer, der sich für die miserable
Leistung der Mannschaft entschuldigt, Sponsoren, die nur noch sauer sind,
bei den Mannheimer Adlern ist die Götterdämmerung hereingebrochen. Wer ist verantwortlich
für die Misere, das fragen sich die Götter, denn keiner wills so richtig
gewesen sein. Eines scheint indes klar: Die Trainer hatten höchstens
Mitspracherecht beim Zusammenstellen der Mannschaft, ihre erste Wahl wären
wohl die hochbezahlten Cracks, die nicht das leisten, was sie verdienen,
kaum gewesen. Stephane Richer denn auch sauer: "Ich weiß, was Stolz und
Tradition bedeuten und was es bedeutet, das Adler-Trikot zu tragen. Einige
unserer Spieler wissen das nicht und wenn sich das nicht ändert, spiele ich
die Saison mit den Jungen zu Ende." Die, so mag man anmerken, zu einem Teil
von Helmut de Raaf ausgebildet worden sind als Jungadlercracks. Genau
solche, wie Philipp Schlager, David Cespiva, Marco Schütz, Marc Bruns oder
Stefan Langwieder reißen sich denn auch beide Beine aus im DEL-Team, wenn
sie eingesetzt werden. Und da darf man dann schon mal träumen: De Raaf,
Richer, Rosati mit einem jungen Team voller Kämpfer, das hätte eine würdige
Abschiedssaison im Friedrichspark geben können, selbst ohne Titel, aber der
Einsatz wäre da gewesen. Hätte, denn man hat kein
junges Team, man hat ein teures. In dem es einigen piepegal ist, welches
Spiel gerade ansteht.
Diesmal wars ein Derby gegen Frankfurt. Aber was heißt schon Derby, wenn man
sich nicht identifiziert mit dem Klub und der Stadt. Jochen Hecht kommt aus
dieser Stadt und er raste und kämpfte und setzte sich ein. Wie immer
übrigens, Jochen Hecht verdient ein riesengroßes Plus. Auch ein Derek
Plante kommt immer mehr in die Gänge, und dass ein Michael Bakos alles gibt,
das ist sowieso klar. Frankie Groleau, dem solche Tugenden ebenfalls
zugeschrieben werden können, war verletzungsbedingt draußen, Steve Kelly
aufgrund von Sperren und Sascha Goc war krank. Trotzdem müsste ein gesundes
Team fähig sein, die Verluste von drei Stammspielern auszugleichen, selbst
wenn Löwen-Trainer Rich Chernomaz mitleidig betonte, das habe sicher dazu
beigetragen, dass man keine "normalen Adler" gesehen hätte. Aber was sind in
dieser Saison schon normale Adler. Jene Jungs etwa, die unter de Raaf noch
über zu hartes Training gemotzt hatten oder die, die damals trotz eines
Alkoholverbots, unterstützt von oberster Stelle übrigens, die Bierkästen in
die Kabine trugen? Wenn sie dann gut spielen, wird jeder ein Auge zudrücken,
wenn mal die Korken knallen oder die Verschlüsse krachen, nicht aber, wenn
man flügellahm Schande über den Friedrichspark bringt.
Und genau das taten sie beim sogenannten Derby. Das verloren sie mit 2:5 und
hätten die Löwen nicht ihre Krallen im letzten Drittel ein wenig eingezogen,
es wäre noch schlimmer gekommen. Von der ersten bis zur letzten Sekunde
seien die Frankfurter besser gewesen, konstatierte Adler-Trainer Stephane
Richer. Und Rich Chernomaz hatte sein Team besser gesehen in Zweikämpfen und
in der Defensive. Wenn das bloß alles gewesen wäre, Tatsache aber ist, dass
die Gäste die Adler vorführten. Welch Genuss für die Lions-Fans, was man
verstehen kann. Jahrelang waren sie vom Adler-Anhang mit Häme kübelweise
übergossen worden, nun frohlockten sie. Mit Sprüchen wie: "So ne Scheiße
habt Ihr nicht verdient", "Heimspiel für uns", "Lebt Ihr noch?" oder "Ihr
seid nur ein Taubenzuchtverein." Was so manche flotte Taube wohl an diesem
Abend als Beleidigung aufgefasst hätte.
Die Adlerfans, denen es zwischendurch schlichtweg die Sprache verschlug,
zeigten sich großartig an diesem Abend, jedes Mal, wenn sie sich wieder von
einem Schock erholt hatten. "Wir haben bezahlt, wir wollen was sehn", sangen
sie. Anfangs hatte es Plakate gegeben mit "Wunderbare Jahre Friedrichspark",
mit Trikots von verdienten Spielern und dem Pott, jetzt brach sich die
Nostalgie vehement Bahn. Sie riefen nach ihren Helden, nach jenen Spielern,
die gekämpft und sich identifiziert hatten mit ihrem Arbeitgeber,
die Mannheim mochten und die Fans auch. Warm ums Herz konnte einem werden
bei den Namen. Philippe Bouzon, Chris Pouget, Mike Stevens, Jan Alston, Ron
Pasco (Pasco ist zur Zeit auf privatem Besuch in Deutschland und wird sich
freuen über die Rufe), Jackson Penney zum Beispiel oder - besonders laut
Stephane Richer und Mike Rosati. Den beiden Coaches muss das Herz geblutet haben, sie
gehören zu jener Garde von Ehrenmännern, die etwas leisteten für ihr Geld,
mit der viel zitierten Leidenschaft.
Ach ja, einen Lance Nethery gabs damals auch, jenen Coach, der, wie sich im
Nachhinein herausstellt, wohl wirklich ein Gespür hatte für die
Zusammenstellung eines Teams. Er war an diesem Abend auf Frankfurter Seite
dabei, ohne jede Häme übrigens, er hat an die Quadratestadt gute
Erinnerungen und ist ein gern gesehener Gast.
Und es gab einen Jason Young, der ebenfalls in Mannheim kämpfte und wie so
viele andere, die mitgewirkt hatten an Meisterschaften, ausgemustert wurden,
damit man noch vermeintlich bessere und in vielen Fällen einfach
kostspieligere Cracks holen konnte. Es fällt auf, dass die alten Recken heute noch top in
Form sind und ihren Mannschaften viel bringen, während die Neukommer in
Mannheim bisweilen auf der ganzen Linie versagen.
Jason Young jedenfalls hatte die Rufe nach früheren Spielern sehr wohl
gehört und tatsächlich ein wenig Mitleid verspürt mit jenen, die jetzt an
ihrer Stelle auflaufen. Und er erinnert sich gerne an die Zeit im
Adler-Trikot, "eine Meisterschaft vergisst man nie", sagte er. Um dann zu
verraten, was ganz einfach das Geheimnis des Erfolgs im Eishockey ist: "Das
ist ein leidenschaftliches Spiel, da sagen Statitiken alleine nicht viel
aus, dazu gehört eben noch anderes." Und das sei in Frankfurt vorhanden, man
habe in der vergangenen Saison Blut geleckt und wolle gewinnen, wolle den
Titel holen, dafür setzten sich alle ein. Der Coach verstehe zu motivieren,
aber auch die Spieler selber wüssten, dass harte Arbeit eben notwendig sei
für den Erfolg. Hier müsse niemand Zwang ausüben beim Training, "wir sind
alle erwachsene Leute, die wissen, worauf es ankommt". Young: "Wir sind doch
Profis."
Gut gesprochen, Löwe, es wäre schön, wenn die Tauben, pardon, die
Adler, sich das mal genau durch den Kopf gehen ließen.
Etwas erfreuliches gab es immerhin doch noch zu vermelden. Von jeder
Eintrittskarte, 6500 Zuschauer waren zum Trauerspiel erschienen, zahlten die
Adler zwei Euro für die Flutopfer und die SAP legte nochmal zwei Euro drauf.
Außerdem sammelten die Fans, eine wirklich gute Aktion für Menschen, denen
es unglaublich schlecht geht. (Angelika von Bülow)