Glückliche Adler - sie haben Shantz
So einen Mann kann man in jedem Team brauchen: Mal abgesehen davon,
dass Jeff Shantz ein Klasse-Spieler ist, verfügt er noch über andere
Talente, die Mannheims Adler zu einem glücklichen Club machen, weil sie
ihn haben. Der Stürmer aus Kanada setzt sich immer hunderprozentig ein
und er ist ein ausgesprochen angenehmer Mensch, intelligent, humorvoll
und auf den Ausgleich bedacht.
Wir treffen ihn im Cafe Journal am Mannheimer Marktplatz. Auf die
Sekunde ist er pünktlich, hat soeben seine Söhne befördert und jetzt
ein wenig Zeit zum Plaudern. Die Familie ist noch in Deutschland, damit
die Kinder, der siebenjährige Ethan und der vierjährige Owen,
Kontinuität in ihrem jungen Leben haben, umgezogen sind sie genug in
den letzten Jahren, befindet der Papa. Überhaupt die Kinder, sie sind
das A und O in seinem Leben, um sie dreht sich alles, etwas Schöneres
als seine zwei kann er sich gar nicht vorstellen. Um sie hat Jeff Shantz auch Angst, ein Gefühl, das er sonst
eigentlich nicht kennt. Aber die Sicherheit der Jungs geht ihm über
alles, nicht vorstellbar, wenn es ihnen nicht gut ginge. Doch daran
will er nicht denken an diesem schönen Sonnentag in Mannheim, der
Familie geht es blendend und so soll es bleiben.
Das Leben des am 10.10. 1973 in Kanada Geborenen ist gradlinig
verlaufen. Er stammt aus Duchess, Alberta, einem Ort mit mal eben 400
Bewohnern. "Wir hatten ein Postamt, einen kleinen Laden und ein
Eisstadion", erzählt er lächelnd. Sein Vater war aktiv in diesem
Stadion, packte überall mit an, den Sohn stellte die Mutter auf die
Kufen, weil sie wegen der älteren Schwester eh hin
musste. Von dieser Sekunde an war es um den fünfjährigen Jeff
geschehen, "Eishockey wurde mein Leben", sagt er. Gut, dass er in der
Schule ohne große Mühen mitkam, in Naturwissenschaften sogar glänzte.
Denn viel Freizeit zum Lernen ließ er sich nicht. Mit zwölf Jahren
hatte er einen Schlüssel zur Arena, ging dort ein und aus, trainierte
mit wahrer Leidenschaft.
Fünf Jahre spielte er in Duchess, dann zog er 50 Kilometer weiter zu
einem etwas höherklassigen Team. An Spielern hatte es übrigens auch im
400 Seelen Dorf nicht gemangelt, Eishockey liegt mit kanadischen Kids
in der Wiege ("praktisch hat jeder Ort mit über 50 Einwohnern ein
Stadion," lacht Shantz) und so kommen auch die Kinder von umliegenden
Farmen zusammen, um den Puck zu jagen. Fünf weitere Jahre war Shantz im
Einsatz in der Nachbarstadt, arbeitete sich dann immer höher, bis er in
der NHL angelangt war. Klar sei
das sein Traum gewesen, sagt er, wie eben jeder kanadische Junge das so
träume. Die Wirklichkeit habe er durchaus genossen, aber die
Unsicherheit habe eben auch immer mitgespielt. "Ein paar Jahre lang war
ich wirklich da, da schien mir der Job nicht gefährdet", sagt er, der
unter anderem die Calgary Flames verstärkte, den Rest der Zeit musste
man als Spieler damit rechnen, Knall auf Fall woanders eingesetzt zu
werden.
Das war letztendlich auch einer der Gründe für den Umzug nach Europa.
Inzwischen hatte der Spieler seine Joenne geheiratet, die Frau, die er
mit 19 Jahren begann zu lieben. Sie ist wie er sportlich, sie hat
Humor, erzählt er und fasst zusammen, dass er sie eben liebe und sich
nichts anderes wünsche als seine Familie. Joenne und die Jungs
gaben dann auch den Ausschlag, NOrdamerika Ade zu sagen. Shantz Vertrag
war ausgelaufen, er hätte es auf die harte Tour versuchen können, heute
hier und morgen dort spielen, aber das hätte bedeutet, dass Frau und
Söhne irgendwo festgesessen wären, ohne ihn, ohne Umfeld, das sie
kannten. Das wollte Shantz nicht. "Es ist ja nicht so, dass ich nicht
zehn Jahre lang das gespielt hätte, was ich wollte," sagte er sich und
setzte die Prioritäten neu.
Seine Frau reist ebenso gerne wie er, und sie lässt sich gerne auf neue
Eindrücke ein. Was lag da näher als das gute, alte Europa. Über die
Bedinungen in der Schweiz, wo er zuerst landete, und über die in
Deutschland wusste er so gut wie nichts, gibt er zu, "natürlich wusste
ich, dass dort Eishockey gespielt wird, aber das wars auch schon."
Inzwischen ist er durchaus angetan von der Güte des Sportes in beiden
Ländern. Klar, eine Umstellung sei es gewesen, aber eine, der er sich
gerne stellte. Das ist im übrigen etwas, was Jeff Shantz ganz
grundsätzlich auszeichnet: Er geht Herausforderungen nicht aus dem Weg
und er nähert sich ihnen mit viel Überlegung.
Seine Einstellung spielt auch im Privaten mit. Er schreibt Menschen
nicht einfach ab, nur, weil andere sie nicht mögen. "Ich mache mir
immer mein eigenes Bild", sagt er. Und auch, dass jeder eine Chance
verdient hat. Leute einfach abzuqualifizieren ist seine Sache nicht,
das wäre unfair. Was er nicht mag, ist es, wenn Schwächere geduckt
werden, wenn sich Leute ihnen gegenüber schlecht verhalten. Da meldet
er sich zu Wort. Dieser Ausgleich, den sucht Shantz auch in der
Politik. Er bezeichnet sich eher als konservativ, setzt aber voll und
ganz auf Sozialsysteme, damit auch jene, die vom Schicksal eben nicht
begünstigt sind, aufgefangen werden. Demokratie ist für ihn die
bestmögliche Regierungsform, wenngleich er vielen Politikern
Manipulation vorwirft. Er liest den amerikanischen Schriftsteller und
Politikagitator Michael Moore, findet vieles auch gut an ihm, mag aber
grundsätzlich keine Einseitigkeiten. Weder auf der einen, noch auf der
anderen Seite.
Seinen Söhnen erklärt er, dass man alle Menschen gelten lassen soll.
Man müsse sie nicht alle mögen, das nun wirklich nicht, aber man müsse
fair mit ihnen umgehen. Vorurteile versucht er gar nicht erst aufkommen
zu lassen, seine Kinder sollen aufgeschlossen sein. Er zeigt ihnen
derzeit viel von Europa, reist herum, besucht Freunde, freut sich immer
auf Neues und nimmt es begierig auf. Hat er Angst vor der Zukunft, in
Zeiten des Terrorismus etwa? Jeff Shantz überlegt, nein, sagt er,
eigentlich nicht, der Kinder wegen würde er sich bemühen, Risiken
auszuschließen, aber er glaubt auch ein Stückweit an Schicksal, "wenn
deine Zeit gekommen ist, ist sie einfach da".
Eben war die Familie in Ägypten, hat es dort sehr genossen und ist
natürlich entsetzt von den Bildern nach den Attentaten. Trotzdem, er
würde wieder hinreisen, nicht mit den Jungs vielleicht, aber er selber
jederzeit. Er denkt, dass vieles von dem, was die Menschen heute
erschreckt, durch die schnelle Übertragung der Medien einen noch
höheren Stellenwert bekommen hat. Früher habe man vieles einfach nicht
mitbekommen. Shantz ist gläubiger Protestant, die Grundsätze der
kirchlichen Lehre liegen ihm, ohne dass er daraus eine Demonstration
machen muss. Für seine Zukunft hat er vorgesorgt, besitzt in
Calgary Anteile an einem Hockey-Geschäft, hat auch mit Yamahas zu tun.
Er weiß, wohin er geht, wenn er nicht mehr spielen wird. Hat sich damit
ein Stückweit unabhängig gemacht von Verträgen und Jobs. Was nun nicht
heißt, dass er das Spielen nicht lieben würde wie am ersten Tag.
Was in der letzten Saison in Mannheim schiefgelaufen ist, das weiß er
auch nicht so genau. Denn die Jungs hätten sich eigentlich verstanden,
es wären gute Spieler im Team gewesen, nur auf dem Eis selber, da hätte
es zu oft nicht geklappt. Festmachen will er das an niemandem, weder an
den Trainern noch an den Cracks. Es sei auch nicht so gewesen, als habe
man die Spiele kampflos aus der Hand gegeben, das sicherlich nicht,
jeder habe gewinnen wollen, aber irgendwie sei zu wenig
zusammengelaufen. Für sich selber weiß er, wie ihn der Ausfall von
Bohonos geschockt habe. Es komme schließlich nicht jeden Tag vor, dass
ein Mitspieler beinahe umkäme, sagt Shantz. Er sei eine Zeitlang wie
gelähmt gewesen danach und anderen sei es vermutlich ähnlich gegangen,
so etwas stecke man einfach nicht locker weg.
Dass die Verletzungen tiefe Lücken in das Team gerissen hätten, dass
mit die Besten ausgefallen seien, das habe man letztendlich nicht
verkraften können. Aber nun will er vorausschauen, weiß, dass die Adler
gute Spieler eingekauft haben für die kommende Saison, setzt darauf,
dass alle topfit aus dem Sommer zurückkehren und guten Mutes an die
Sache geben. Schließlich stimme in Mannheim so vieles: Die Arena sei
großartig, die Fans so mit die besten, die er je erlebt hat. Die
Spieler verdienten gutes Geld und könnten sich absolut auf die
Organisation verlassen. Nun müsse man einfach positiv denken und sich
dementsprechend einbringen in der kommenden Saison.
Und dann schweifen die Gedanken doch nochmal ab in die Zukunft. Mit 55
Jahren möchte er in Calgary sein, die Kinder wären dann aus dem Haus
und er und Joenne noch jung genug, um das Leben zu genießen. Dass er
vorher noch einiges leisten möchte, das ist allerdings
Selbstverständlichkeit. Und so rackert er sich auch in den Ferien ab im
Kraftraum und auf der Piste, damit die Puste reicht für eine lange,
anstrengende neue Saison.
Angelika von Bülow - Foto by City-Press
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