Für Tobi – Gedanken zum elften Meistertitel der Eisbären BerlinKommentar

Wie die Mannschaft den Tod ihres im Januar viel zu früh verstorbenen Freundes Tobi Eder bewältigte. Ich betone: FREUNDES. Denn er war mehr als ein Mitspieler. Er war Teil einer Familie. Vielleicht ist es anmaßend. Zu der auch ich mich nach über 30 Jahren Berichterstattung über die Eisbären dazugehörig fühle. Deshalb sage ich es laut: Er war einer von uns!
Welche Last lag auf den Schultern dieser jungen Männer. Die sich aus ihrer Ohnmacht befreiten. Die Erinnerung ist das Leben der Toten. Sie ließen ihn leben. Viva la vida! Bei jedem Tor. Jedem Sieg. In jeder Geste. So, als die Helden in der Sekunde des Sieges den Meisterpokal vor der Hartmut-Nickel-Kurve aufstellten, das Trikot mit der Nummer 22 darauf legten. Als letzte Umarmung. „Tobi Eder“ donnerte es ihnen mit Inbrunst entgegen. Schon während des Spiels. Er war immer dabei. Auf den Rängen. Dem Eis. In der Kabine. „Wir haben für ihn gespielt“, sprach Zach Boychuck stellvertretend für alle. Gänsehaut! Ich habe alle elf DEL-Titel mit den Bären erlebt. Bin mit allen Wassern gewaschen. Dachte ich. Von wegen. Ich, der abgezockte Reporter, wischte mir verstohlen die Tränen aus den Augen. Was für ein emotionaler Moment. Der so viel mehr ist. Weil er Dankbarkeit bedeutet. Hoffnung. Zuversicht. Das! Bleibt! Für! Immer!
In einem außergewöhnlichen Klub. Der eine besondere Alliteration manifestiert: Menschlichkeit. Miteinander. Mitgefühl. Was auch ich am eigenen Leib erfahren durfte. Vor zehn Jahren kam das Aus. Gesundheitlich. Niemals gab man mir das Gefühl, nicht mehr dabei zu sein. Ich durfte sogar im Jubiläumsheft anlässlich des 70. Vereinsjubiläums schreiben. Die Anfrage ehrte mich, fühlte sich an wie ein Ritterschlag.
Ich will jetzt nicht wieder mit der Ost-West-Keule kommen. Trotzdem ein paar Worte. Ich bin selber West-Berliner. Zu spüren bekam ich das nie. Vielmehr, dass ich bekennender Spandauer bin. Und Hertha-Fan. Damit zieht man mich in Dauerschleife auf. Manchmal aber wird man fast zwangsläufig zum Ossi. Etwa am Ostermontag. Ein deutlich hörbar aus dem rheinischen Raum stammender Kollege sprach mich an. „Die singen ja immer noch Dynamo, brüllen Ost-Ost-Ost-Berlin. Das geht ja gar nicht!“ Ich starrte ihn fassungslos an. Ressentiments. Vorurteile. Klischees. Auch 35 Jahre nach der Wende. DAS geht gar nicht.
„Das macht die Leute im Osten so sauer. Sie interessieren sich nicht, sehen uns nicht“, erklärte André Haase, Chef des Fanzines „Eis-Dynamo“, in der Drittelpause. „Die Dynamo-Gesänge sind Tradition. Die Ost-Berlin-Sprechchöre Folklore. Ganz einfach. Nicht mehr. Und nicht weniger.“ Genau aufgrund solcher Verhaltensmuster ewig gestriger Mitbürger aus dem Westen geben die Bären aber vielen Menschen aus den gar nicht mehr so neuen Bundesländern ein Stück Stolz, Selbstwert, Identität. Ignoranz sorgt für Wir-Gefühl. Obwohl die Bären aus meiner Sicht längst ein Gesamt-Berliner Verein sind. Meine Patenkinder zum Beispiel sind Fans, kennen West- und Ostberlin nur noch vom Hörensagen. Und das ist gut so. Für mich war dereinst am Schlesischen Tor Feierabend. Jetzt fahre ich mit der U-Bahn – ungehindert durch das Ungetüm Mauer – eine Station weiter direkt vor die Arena. Ein tolles Gefühl. Auch heute noch. Die Vergangenheit? Ist für mich Vergangenheit! Wenn ich sie nicht Kollegen aus dem Rheinland erklären muss. Egal, davon lasse ich mir die Stimmung nicht vermiesen, zitiere lieber den legendären Lenz Funk: „Dann schreien‘s halt Dynamo!“ Ich feiere den Titel. Plus einem Zusatz, mit dem wir uns alle in den Sommer verabschiedeten: „Für Tobi!“
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