Freezers: Mueller packt die Weihnachtshände aus
Wenn der Tabellenelfte den Spitzenreiter mit 9:3 schlägt,
dann gibt es Erklärungsbedarf. Die nüchternste Aussage nach Spielschluss kam
von Hans Zach: „Wir haben schlecht gegen einen guten Gegner gespielt“, meinte
der Scorpionstrainer gewohnt trocken und fügte hinzu: „Man muss neidlos
anerkennen, dass Hamburg sehr, sehr gut gespielt hat und über 60 Minuten besser
war. Sie waren einfach bissiger und zielstrebiger als wir. Hamburg hat sich
jedes Tor verdient.“
Viel muss man dem eigentlich nicht hinzufügen. Wenn es da
nicht doch noch ein paar bemerkenswerte Geschichten rund um dieses Spiel gäbe.
Zum Beispiel die von Richie Mueller, dem vor dem gegnerischen Tor oft so
glücklosen Hamburger Kufenblitz. Als der Deutsch-Kanadier am 26. Dezember gegen
die Eisbären aus Berlin (6:1) an gleicher Stelle gleich vier Treffer markierte,
staunte er selber: „Da habe ich wohl zu Weihnachten zwei neue Hände bekommen.“
Gegen Hannover hatte der 26-jährige Außenstürmer diese neuen
Hände offensichtlich wieder ausgepackt. Ein Doppelschlag gegen Ende des ersten
Drittels zum 4:1 und 5:1 und der Abschlusstreffer zum 9:3 eineinhalb Minuten
vor Spielschluss waren der verdiente Lohn für Muellers ehrgeiziges Auftreten.
Dabei wäre es zum
dritten beinahe nicht gekommen. Eigentlich wollte Freezers-Coach Paul Gardner Mueller
während der letzten Unterzahl schonen. „Trainer, lass mich aufs Eis“, bettelte
der kleine Flügelflitzer. „ich mache auch noch einen rein.“ Gardner nickte
gnädig, Mueller ging auf Eis – und erzielte prompt sein drittes Tor.
Die nächste Story ist der Freezers-Trainer selber. Nicht nur
die eben erwähnte kleine Episode zwischen ihm und Richard Mueller ist
bezeichnend für den neuen Geist, der im Hamburger Team herrscht. Auch die
kleinen Gesten am Rande der Bande, ein Schulterklopfen hier, ein aufmunternder
Knuff da. Dem 52-jährigen Paul Gardner, in jeder Beziehung ein Kontrastprogramm
zu seinem Vorgänger Bill Stewart, ist es gelungen, dieser über Monate hinweg
desolat wirkenden Mannschaft einen neuen Geist einzuhauchen. Geradeheraus
bekannt der Kanadier nach Spielschluss: „Das habe ich nicht erwartet. Ich wusste,
dass wir gut drauf sind, aber mit einem 9:3 habe ich nicht gerechnet. Ich bin
stolz darauf, dass die Mannschaft wieder ein Team ist.“
Der Spielverlauf belegte die Worte Gardners in aller
Deutlichkeit. Selten zuvor waren die Freezers derart wach und aggressiv in ein
Spiel gestartet. Da staunte selbst Scorpions Abwehrrecke Sascha Goc:: „Das
hatten wir so nicht erwartet.“ Nach
ganzen 37 Sekunden stand es 1:0 (Fortier) und noch vor Ablauf der vierten
Minute sogar 2:0 (Brigley).
Auch das ist neu: vor ein paar Wochen hätten die Hamburger
nach dieser Führung die Schläger aus der Hand gelegt. Diesmal nicht! Zwar
gestattete ein liederlicher Scheibenverlust hinter dem eigenen Tor Brimanis den
Anschlusstreffer für Hannover zu erzielen, und die Gäste hatten zwischen der
12. und 17. Minute ein paar stärkere Szenen, aber dann rückte, wie oben bereits
erwähnt, Richie Mueller mit seinem Doppelpack die Sache wieder gerade.
Hans Zach reagierte, schickte zum zweiten Drittel Jung für
Pätzold zwischen die Pfosten. Und der hatte zunächst etwas mehr Glück als sein
Vorgänger. Sonst hätte Justin Morrison, der für den verletzten Vitalij Aab in
die erste Reihe gerückt war und eine gute Partie ablieferte, bereits 29
Sekunden nach Wiederbeginn den fünften Hamburger Treffer markiert.
Während die Gäste im ersten Drittel dem Hamburger Spiel nur
wenig entgegenzusetzen gehabt hatten, kamen sie jetzt etwas besser in die
Partie. Der Anschlusstreffer zum 4:2 durch Klaus Kathan, der an diesem Tag sein
700. DEL-Spiel bestritt, war der verdiente Lohn. Aber die neuen Gardner-Freezers
stemmten sich in dieser Phase, in der das Spiel durchaus hätte kippen können,
mit Macht dagegen. Und bekamen die Partie noch vor der zweiten Pause wieder in
den Griff. Fortier (36. Minute) und Morrison (39.) schossen die Hamburger mit
6:2 weiter nach vorn.
Als der Hamburger Mannschaftskapitän Clarke Wilm nach fünf
Minuten im letzten Drittel das 7:2 folgen ließ, war dem Tabellenführer endgültig
und unwiderruflich der Zahn gezogen. Daran änderte auch das schnelle dritte Tor
der Hannoveraner durch Eric Schneider nichts. Andy Delmore (57.) und Richie
Mueller (59.) schraubten den Sieg auf einen 9:3-Sieg, der auch in dieser Höhe
letztendlich verdient war.
Die Freezers haben sich mit dieser feinen Leistung und dem
fünften Dreier in den letzten sechs Spielen wieder alle Chancen auf einen Preplayoff-Platz
erkämpft. „So müssen wir in den letzten
acht Spielen weitermachen“, gab Paul Gardner die Devise für den Rest der
Hauptrunde aus. Auch Hans Zachs Blick in die Zukunft war eindeutig: „Die
Mannschaft muss sich wieder auf das besinnen, was sie so stark gemacht hat.“
(jp)
Hamburg Freezers – Hannover Scorpions 9:3 (4:1, 2:1, 3:1)
Tore:
1:0 (00:37) Fortier (Morrison, Wilm) - EQ
2:0 (03:51) Brigley (Tripp, Karalahti) - PP1
2:1 (05:10) Brimanis (Vikingstad, Dolak)-EQ
3:1 (16:43) Mueller (Barta, Brigley)- EQ
4:1 (19:15) Mueller (Brigley, Barta)- EQ
4:2 (23:53) Kathan (Herperger) - PP1
5:2 (35:11) Fortier (Retzer, Wilm)- EQ
6:2 (37:45) Morrison (Leask) – EQ
7:2 (45:08) Wilm (Delmore, Barta)- PP1
7:3 (45:49) Schneider (Goc, Dolak) - PP1
8:3 (56:15) Delmore (Sarno, Barta) - PP1
9:3 (58:29) Mueller (Barta)- SH
Strafen:
Hamburg: 14 Minuten - Hannover: 18 Minuten
Schüsse: Hamburg:
43 (18-13 12) - Hannover: 39 (9-16-14)
Zuschauer:
10993
Schiedsrichter: Roland Aumüller (Mosler, Starke)