Fette Beute nach zwei mageren JahrenDEL-Teamcheck 2017/2018: ERC Ingolstadt

Nach dem erneut unbefriedigenden Abschneiden in der vergangenen Saison war klar, dass die Verantwortlichen des ERC Ingolstadt einen Schnitt machen würden. Sportdirektor Jiri Ehrenberger, von den Fans ohnehin seit geraumer Zeit als Hauptschuldiger für das nicht ausgeschöpfte Potenzial des Teams ausgemacht, wurde von seinen Aufgaben entbunden und durch einen Mann ersetzt, der in der DEL bisher nur für die ziemlich besten Feinde der Schanzer aktiv war: der langjährige Trainer der Augsburger Panther und Ex-Coach der Straubing Tigers Larry Mitchell. Der gebürtige Zweibrücker führte sich aber gleich gut ein und lotste mit Darin Olver einen alten Spezi aus gemeinsamen Augsburger Tagen und vor allem sehr starken Angreifer von der Spree an die Donau. Zudem wechselte noch Laurin Braun aus Berlin nach Ingolstadt.
Diesen beiden und vielen anderen Zugängen standen natürlich auch einige Abschiede gegenüber. Die meisten waren nach den viel zu kurzen Play-Offs wenig überraschend, bei Wackelkandidaten wie Stürmer Danny Irmen und Darryl Boyce entschied man sich für den Umbruch gegen eine Weiterverpflichtung. Letzterer wurde jüngst bei seinem neuen Arbeitgeber DEG zum Kapitän ernannt.
Tor
Die vielleicht wichtigste Änderung haben die ERC-Verantwortlichen auf der Goalie-Position vorgenommen. Dem bisherigen Alleinherrscher und Vielspieler Timo Pielmeier wurde mit Jochen Reimer mehr als nur ein Back-Up an die Seite gestellt. Eine klare Nummer Eins gibt es nicht, Coach Tommy Samuelsson entscheidet nach der aktuellen Formkurve der beiden. Dies ist auch als Reaktion auf Pielmeiers vergangene Spielzeit zu verstehen, die — wie die des gesamten Teams — von fehlender Konstanz geprägt war. Tollen Paraden folgten teils haarsträubende Fehler, die mitunter auch direkt zu Gegentoren führten. Mit ein paar mehr Pausen und vor allem einem echten Konkurrenzdruck durch den ’Joker“ könnte er wieder zu einem der Schlüsselspieler des ERC werden, der er in den Erfolgsjahren 2014 und 2015 war.
Verteidigung
In der Abwehr blieb mit Bene Kohl, Benedikt Schopper, Simon Schütz, Fabio Wagner, Dustin Friesen und Patrick McNeill ein Großteil der Kräfte an Bord. Zu diesem Stamm wurden zwei Spieler mit klaren Anforderungen hinzugeholt: Matt Pelech kam aus der EBEL als Abrissbirne auf Kufen vor dem eigenen Tor, Sean Sullivan wechselte Mitchells Ruf folgend als Powerplay-Quarterback von Straubing donauaufwärts nach Ingolstadt. Patrick Köppchens Abgang trotz laufenden Vertrags kam vielleicht ein wenig überraschend, deutete sich aber bereits zum Ende der vergangenen Saison an, als ERC-Coach Samuelsson ihn deutlich weniger einsetzte, als es der ehemalige Kapitän der Schanzer in den vergangenen Jahren gewohnt war. Im Sommer entschieden sich beide Seiten, das noch eine Saison laufende Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden und Köppchen wechselte etwa 100 Kilometer nach Norden zu den Nürnberg IceTigers.
Sturm
’In der vergangenen Saison war das Backchecking insbesondere auf der Center-Position nicht zufriedenstellend. Deswegen sahen oft die Verteidiger und schließlich auch Timo Pielmeier im Tor nicht gut aus“, sagt ERC-Pressesprecher Martin Wimösterer. Daran werden sich die Neuzugänge messen lassen müssen. Da es aber auch offensiv immer wieder hakte, wurde im Sturm sozusagen Tabula Rasa gemacht. Auffällig ist, dass alle neun offensiven Neuzugänge Europa- und viele davon Skandinavien-Erfahrung mitbringen, auch weil einige Nordamerikaner offenbar noch auf einen Platz beim neuen NHL-Team in Las Vegas hoffen. Die Mischung scheint aber zu passen, denn: ’Bislang haben alle Neuzugänge gezeigt, dass sie uns wie erhofft verstärken können“, betont Wimösterer.
Das sollte eigentlich auch Brock Trotter tun. Nach einem "Verstoß gegen die Werte ERC Ingolstadt“ — der Donaukurier nannte eine Trunkenheitsfahrt nach einem Golfturnier als Grund — stehen jedoch schon vor Saisonbeginn die Zeichen auf Abschied. Offiziell gibt es zum Fall Trotter keinen neuen Stand seit seiner Suspendierung Ende Juli, aber es dürfte kaum noch ein Zurück geben für ihn. Zumal der ERC mit dem Wechsel von Kael Mouillierat, der in den letzten Wochen gemeinsam mit Darin Olver und John Laliberte die gefährlichste Sturmreihe bildete, gleich noch mitteilte, dass mit seiner Verpflichtung die Kaderplanung abgeschlossen sei. Und nur wenige Tage später gaben die Panther den Transfer von Greg Mauldin aus der Schweiz nach Ingolstadt bekannt.
Unabhängig von der Personalie Trotter zeigen der Erfolg im Gäuboden-Cup und die beiden Niederlagen beim Vinschgau-Cup, dass der ERC Ingolstadt 2017/2018 absolut ernst zu nehmen ist, aber auch, dass man nicht abheben darf. Wenn es der sportlichen Leitung gelingt, das Team als Ganzes konstanter zu machen und das Duo Pielmeier / Reimer das Panther-Tor zur No-Go Area für Gegners Schüsse macht, könnte es im kommenden Frühjahr wieder einen echten Play-Off-Run geben - und nicht nur einen kurzen Spaziergang.
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