Fanproteste bei den Eisbären
Zu Beginn der 31. Spielminute des DEL-Spieles Eisbären Berlin gegen Hamburg Freezers verließen ca. 1500 Fans der Eisbären geordnet den Wellblechpalast aus Protest gegen die zunehmende Anzahl von mit Topzuschlag belegten Heimspielen. Auf den Stehplatzrängen füllten Transparente mit Aufschriften wie „Topzuschlag - Nein, danke!“ die entstandenen Lücken. Bis zur zweiten Pausensirene ging es im für seine Gänsehautatmosphäre bekannten Wellblechpalast spürbar ruhiger zu. Die Mehrzahl der Demonstranten versammelte sich friedlich vor der Halle, wo Michael Leinhoß vom EHC-Fanbeirat den Anhängern nochmals das Anliegen dieser Aktion erläuterte:
Mangelnde Kommunikation werfen die Fanvertreter dem EHC-Management vor und einen zum Teil gedankenlosen Umgang mit den Bedürfnissen der Anhängerschaft. Vor dem Spiel wurden bereits Flyer mit entsprechendem Inhalt verteilt, sowie 1700 Unterschriften gesammelt, welche einem Offenen Brief an Eisbären-Geschäftsführer und Anschutz-Europa-Chef Detlef Kornett beigefügt werden. Der aus fünf alljährlich von den Fans gewählten Mitgliedern bestehende Beirat hatte zuvor die Mannschaft von der Aktion in Kenntnis gesetzt, um klar zu machen, dass diese sich nicht gegen das Team richtet, sondern gegen das seit einiger Zeit gestörte Verhältnis zwischen Fans und Management. Billy Flynn, Marketingchef der Berliner, mochte den Vorwurf der mangelnden Kommunikation nicht gelten lassen: „Ich bin immer gesprächsbereit. Sicher bin ich einer der unkompliziertesten Menschen, wenn es darum geht miteinander zu reden.“, sagte er nach dem Spiel mit diesem Vorwurf konfrontiert. Michael Leinhoß und seine Kollegen sehen das allerdings etwas anders:
„Wir haben mehrfach versucht mit dem Management ins Gespräch zu kommen, aus unterschiedlichen Anlässen. Die Problematik der Topzuschläge ist dabei nur ein Punkt. In den schwierigen Situationen des EHC war das Engagement der Fans sehr willkommen. Zuletzt im Sommer nach der Schwedengeschichte. Geht es den Eisbären gut, haben wir den Eindruck, dass von Seiten der Verantwortlichen kein besonderes Interesse an Kommunikation mit den Fans besteht. Für uns war nun ein Punkt erreicht, wo wir es für notwendig erachteten etwas zu unternehmen.“ Leinhoß´ Kollege Robert Papke ergänzt: „ Die große Akzeptanz für diese Aktion unter den Fans gibt uns Recht. Für uns war die Aktion ein Erfolg, wenn auch der ein oder andere mehr mit die Halle hätte verlassen können.“
„Wir sind weiterhin gesprächsbereit, erwarten nun aber den ersten Schritt von den Verantwortlichen.“, so Leinhoß weiter.
Billy Flynn stellte einen Gesprächstermin mit den Mitgliedern des Fanbeirates in der kommenden Woche in Aussicht, erwartet jedoch auch konstruktive Vorschläge, wie die Frage der Preisgestaltung für beide Seiten akzeptabel geregelt werden könnte: „Wir haben eine der kleinsten Hallen aller DEL-Teams. Will ich oben mitspielen, den besten Trainer der Liga und eines der besten Teams halten, muss ich entsprechende Einnahmen erzielen“, warb der langjährige Marketingchef um Verständnis.
Seit Wochen existiert im Internetforum der Eisbären ein inzwischen neunseitiger Thread. Überraschend unaufgeregt ging es bisher dort zu und sogar recht konstruktiv, dennoch kontrovers. Als am Anfang der Woche die ersten Kartenabholer feststellen mussten, dass nach den Spielen gegen Köln, Mannheim, Krefeld nun auch das Spiel gegen die Freezers mit einem 5 € -Topzuschlag „aufgewertet“ wurde, ohne dass das vorher irgendwo angekündigt wurde, kippte die Stimmung unter den Fans. In der Folge erhielt man Kenntnis, dass auch das Weihnachtsspiel gegen die Panther aus Augsburg ebenfalls zum „Topspiel“ befördert wurde. Diese Begegnung findet am 26. Dezember statt, ein Termin, der seit Jahren eh ein volles Haus garantiert. Augenscheinlich geht es den Verantwortlichen nicht mehr um die rechtfertigende sportliche Gegnerschaft, nichts gegen die in dieser Saison überraschend starken Augsburger, sondern um den möglichst zielsicheren Griff ins Portemonaie der Fans. Das brachte die Fans schlussendlich auf die Palme, da man für die Play Offs und die nächste Saison weiteres Ungemach befürchtet . Die Sorge, dass so der „normale Fan“ aus dem Wellblechpalast verdrängt werden könnte, beschäftigt ebenfalls viele Anhänger.
Schnell war ein Treffen der Fanklubs organisiert, wo die Zustimmung für Aktionen ausgelotet und die ersten organisatorischen Dinge auf den Weg gebracht werden konnten. Die Zustimmung von 14 Fanklubs war schnell eingeholt, der Flyer getextet und der Offene Brief an Detlef Kornett (Geschäftsführer der Eisbären und Anschutz - Europachef) formuliert. Dort wurde nicht nur auf die als Missstand empfundene Situation der fehlenden Kommunikation hingewiesen, sondern auch klar formuliert, dass die Fans durchaus Verständnis für wirtschaftliche Zwänge aufbringen können, warben jedoch gleichzeitig auch um Verständnis für ihre Befindlichkeiten.
Der EHC Eisbären betonte in jüngerer Vergangenheit mehrfach, dass er ein Wirtschaftsunternehmen ist, welches dementsprechende Einnahmen, möglichst Gewinne erzielen müsse. Ob das aber ohne Rücksicht auf personelle Verluste auf Seiten der Fans durchgezogen werden sollte, ohne eine Garantie darauf zu haben, welche Klientel diese ersetzen könnte, erscheint zumindest fragwürdig.
Nahezu jedes Unternehmen mit regionalem Bezug gestaltet seine Preise in der Regel orientiert an der Kaufkraft seiner Region. Dass sich Berlin in dieser Hinsicht z.B. nicht mit Köln oder Hamburg vergleichen lässt, müsste auch dem EHC-Management beim Studium der Wirtschaftsseiten diverser Presseerzeugnisse zur Kenntnis gelangt sein.
Schnell wieder eine gemeinsame Basis zu finden, auch im Hinblick auf das Projekt der 16.000 Zuschauer fassenden Multifunktionsarena am Ostbahnhof, muss gemeinsames Ziel, sowohl der Verantwortlichen wie auch der Fans, werden. Fingerspitzengefühl und gegenseitiges Entgegenkommen, freundschaftlicher Umgang zeichneten in der Vergangenheit die viel beschworene Eisbärenfamilie aus, und macht sie auch heute noch zu einer erhaltenswerten Ausnahme in einer menschlich immer kühler werdenden Gesellschaft. (mac/REK)