Eisbären vernaschen Adler

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Mit einer bösen Klatsche schickte der EHC Eisbären Berlin die krisengeschüttelten Mannheimer Adler am Donnerstagabend zurück in die pfälzische Heimat. 4100 Zuschauer im Wellblechpalast waren Zeuge des zu keinem Zeitpunkt gefährdeten 6:1(2:0; 3:1; 1:0)-Kantersieges der Hauptstädter.

Von den Fans lang ersehnt kam es nun endlich wieder zu einem Erfolg über den „Ersatz-Erzrivalen“ aus der Quadratestadt und das zudem in nicht zu erwartender Deutlichkeit. Dabei fing es für die Berliner gar nicht so gut an. Denn Stürmer Kelly Fairchild erreichte noch während der Aufwärmphase die Nachricht, dass seine Frau Megan unmittelbar vor der Geburt des zweiten Kindes steht. Da nicht zu erwarten war, dass Fairchild unter diesen Umständen eine große Hilfe sein würde, stellte ihn Coach Pierre Pagé kurzerhand frei und seine Sturmformationen um. Florian Keller rückte in die erste Angriffsreihe zu Denis Pederson und Marc Beaufait auf. Ob der zweite Spross des Hauses Fairchild bereits das Licht der Welt erblickte, war nach Spielschluss noch nicht bekannt. Jedenfalls taten die Eisbären-Kollegen alles dafür, dass sich der werdende Vater ohne schlechtes Gewissen um seine Frau kümmern konnte.

Zunächst wirkte die Begegnung wie die erste Runde eines Profiboxkampfes. Beide Teams belauerten sich und kamen nur sporadisch zu Möglichkeiten. In der 13. Spielminute tönte es zum erstenmal aus den Lautsprechern des altehrwürdigen Wellblechpalastes: „Eene, meene, Miste, es rappelt in der Kiste“, wie immer wenn das Hometeam erfolgreich eingenetzt hat. Die Berliner nutzten eine Überzahlsituation durch Steve Walker zur 1:0 Führung. Denis Pederson und Keith Aldridge leisteten die Vorarbeit. Noch keine sechzig Sekunden waren vergangen, da musste der Stadion-DJ das Band mit dem Kinderlied erneut abfahren: Kapitän Ricard Persson verschaffte sich mit seinem Treffer zur 2:0 Pausenführung einen Saisoneinstand nach Maß. Von Alex Barta gelangte der Puck aus dem Bullykreis zum an der blauen Linie postierten Schweden und der ließ mit einem platziertem Schlagschuss seinem Ex-Kollegen Richard Shulmistra im Gästetor keine Abwehrchance. Erste Hoffnungen auf einen Sieg keimten so in der Drittelpause auf den Tribünen auf.

Im Mittelabschnitt dauerte es bis zur 24. Minute, da rappelte es schon wieder hinter Shuey. Neu-Nationalspieler Rob Leask verwandelte in Überzahl ein Zuspiel über die Stationen Pederson und David Roberts zum 3:0 Zwischenstand. Der Verteidiger konnte damit bereits seinen achten Saisontreffer verbuchen. Auf den Rängen begann indessen die Party und für Ex-Eisbär Shulmistra war das Spiel zu Ende. Adler-Coach Stewart wechselte Marc Seliger für den unglücklich agierenden Kanadier ein (Fangquote 75%). Der auch als Weckruf für sein Team gemeinte Torhütertausch schien zunächst seine Wirkung nicht zu verfehlen. Doch der Treffer der Gäste zum 3:1 (26. Spielminute) durch Robert Hock (Assists: Martinec/ Junker) gebot dem stimmungsvollen Treiben der Eisbären-Fans nur kurz Einhalt. Leask und Aldridge schickten David Roberts bei eigener numerischer Unterlegenheit auf die Reise und der verwandelte abgezockt zum 4:1 (29.). „Habt ihr noch ´nen Torwart mit?“, höhnten da die Berliner Anhänger. Als der überkleinlich pfeifende Schiri Thomas Schurr EHC-Stürmer Marc Beaufait wegen Halten des Stocks für zwei Minuten auf die Strafbank schickte, witterten die Gäste noch einmal Morgenluft. Rob Shearer staubte aber nach einem Walker-Solo zum 5:1 ab (34.). Anlass genug für die Eisbärenfans erneut die Spottkiste zu öffnen: „Ohne Ustorf habt ihr keine Chance!“ oder „Ihr müsstet alle entlassen!“, schallte es noch vor der zweiten Pause tausendfach aus der Fankurve. Bitter für den DEL-Rekordmeister.

Der Schlussabschnitt verlief von Eisbärenseite unter dem Motto: „Wie verwalte ich erfolgreich einen sicheren Vorsprung?“. Chancen hatten die Adler auch wie schon in beiden Dritteln zuvor. Doch entweder scheiterten sie am wieder gut auflegten Oliver Jonas im EHC-Gehäuse oder an der eigenen Ungenauigkeit. Zu lapidar gestalteten die Mannheimer ihr Spiel nach vorn, so dass immer wieder ein Berliner Spieler den Schläger zwischen Puck und Gegner bringen konnte. Selbst im Powerplay brachten die Podollans, Edgertons oder Corbets nichts Brauchbares zustande. „Endlich wieder Unterzahl!“ sangen die EHC-Fans zur Erinnerung an die beiden Shorthander im Mittelabschnitt. So setzten die Eisbären nicht unerwartet den umjubelten Schlusspunkt eines stimmungsvollen Abends: Publikumsliebling Yvon Corriveau netzte in der 59. Spielminute zum deklassierenden 6:1 Endstand für die Gastgeber ein.

Lange ließ Adler-Coach Bill Stewart die Journalisten auf den Beginn der Pressekonferenz warten. Viel war dem Trainer der Gäste auch nicht zu entlocken: „Ich hatte auf eine Reaktion meiner Mannschaft gehofft. Emotion und Engagement hätte ich nach den Ereignissen der letzten Wochen erwartet. Wenn man aber ohne Emotionen auftritt, dann bleibt man eben eine nur durchschnittliche Mannschaft“, äußerte sich Stewart arg enttäuscht. Fragen nach den entlassenen Ustorf und Racine mochte Stewart verständlicherweise nicht beantworten, noch irgendwelche Presseartikel kommentieren.

Pierre Pagé als Trainer der Siegerseite hatte nach diesem Ergebnis nicht viel zu kritisieren. Auf die Frage, wie es denn jetzt mit einer Entscheidung auf der Goalieposition aussähe, sagte er: „Wir haben noch keine Nr.1. Aber Oliver Jonas wird nun häufiger spielen“.

Dass die Atmosphäre bei den Adlern derzeit einigen Störungen unterliegt, war nicht zu übersehen und zu überhören. Ob es in Mannheim in den nächsten Tagen zu weiteren Personalveränderungen kommen wird, darüber darf wohl getrost spekuliert werden. Denn wie sich der Rekordmeister in der Hauptstadt präsentierte war nur ansatzweise Playoff tauglich. Die derzeitig besondere Situation des Gegners sollte auf Berliner Seite allerdings dafür sorgen, dass die Eisbären-Spieler die Bäume nicht in den Himmel wachsen lassen. Das war mit Sicherheit nicht die wahre Leistungsfähigkeit des bisherigen DEL-Klassenprimus. (ovk/mac/REK)


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