Eisbären: Shawn Heins – Von einem, der auszog das Fürchten zu lehren
Den ersten Schrecken hat der neuverpflichtete Blueliner der Berliner in der vergangenen Woche den Verantwortlichen des eigenen Teams eingejagt: Seine Anreise in der deutschen Hauptstadt verzögerte sich wegen einer Entzündung im Ellenbogen um einige Tage. Am gestrigen Dienstag traf der Linksschütze aus Nordamerika endlich mit Sack und Pack in Berlin ein. Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Tegel zierte ein großes Pflaster das vom Insektenstich lädierte Armgelenk des 30-jährigen Kanadiers, was ihn aber nicht davon abhielt schon mal als Zuschauer dem Nachmittagstraining seiner zukünftigen Kollegen beizuwohnen. Ein Weilchen wird es jedoch vermutlich noch dauern, bevor Shawn Heins der Konkurrenz hundertprozentig fit das Fürchten lehren kann.
Der Konkurrenz, wie etwa den Kölner Haien, die ebenfalls an Heins´ Verpflichtung interessiert waren, aber angeblich finanziell nicht gegen das Angebot der Eisbären ankamen. Wegen seines extrem harten Schlagschusses fand Heins´ Name 1999 Eingang in die Hall of Fame und zuletzt auch auf die Wunschlisten der DEL-Manager. Seitdem er bei den Skills Competions des UHL-Allstar-Games den Puck mit fast 171 km/h in die Maschen gejagt hatte, zählte er fortan zu den Spielern mit dem härtesten Schlagschuss Nordamerikas. Vom schussgewaltigen Blueliner erwartet EHC-Coach Pierre Pagé einiges: „Heins gibt unserem Team vor allem Schnelligkeit und körperliche Robustheit. Er ist mit seinen 1,90 m und 97 kg ein großer und kämpferischer Spielertyp. Zudem wird uns sein erstklassiger Schlagschuss im Powerplay helfen.“
Nachdem die Schweden Leif Carlsson und Thomas Rhodin, vor allem aber der Kanadier Rob Cowie dem Wellblechpalast den Rücken gekehrt hatten, galt die Spielerkategorie (echter) Blueliner in Hohenschönhausen als ausgestorben. Die Berliner hatten in den beiden zurückliegenden Hauptrunden für hiesige Verhältnisse zwar traumhafte Powerplay-Quoten, die zahlreichen Torerfolge in Überzahl aber wurden überwiegend spielerisch erzielt – der „dicke Hammer“ dagegen war eher selten zu bewundern. Keith Aldridge, der sich noch am häufigsten von der blauen Linie versuchte, war seit geraumer Zeit das Zielwasser ausgegangen – seine Schüsse unterlagen einfach einer zu großen Streuung. Micki DuPont´s Schusstechnik zeichnet hingegen weniger die Härte als die Genauigkeit aus. Erinnert sei hier nur an seinen exzellenten Handgelenkschuss in der verloren gegangen Finalserie gegen die Lions, der den Frankfurter Goalie Ian Gordon ziemlich schlecht aussehen ließ. Auch NHL-Veteran Ricard Persson netzt für einen Verteidiger recht häufig ein, doch bringt er sich überwiegend mit gutem Stellungsspiel in eine günstige Schussposition, meist in der Halbdistanz. Mit Shawn Heins soll das Spektrum des Eisbären-Repertoirs genau um diesen einen bisher fehlenden Aspekt erweitert werden.
Möglich, dass die spezifische Suche der Eisbären Heins´ letzte Chance war sich in einem Erstliga-Team durchzusetzen. In der heimatlichen NHL waren seine Fähigkeiten nur hin und wieder gefragt, weshalb er ständig zwischen NHL und AHL hin und her gereicht wurde. Zuletzt pendelte er zwischen den Atlanta Thrashers und deren Farmteam den Chicago Wolves. Heins kam in seiner gesamten Karriere auf 127 NHL-Spiele (davon 17 in der letzten Saison), aber insgesamt 276 Einsätze in den Minor Leagues AHL und IHL. Studiert man die Scouting Reports (Spielereinschätzungen), so wird ein Manko deutlich, welches wahrscheinlich die Hauptschuld daran trägt, dass Shawn Heins die ganz große NHL-Karriere verwährt blieb: Ihm werden schlittschuhläuferische Defizite nachgesagt. Ob diese, an der hohen Meßlatte NHL orientierte Einschätzung auch noch im Ligaalltag der DEL Bestand hat, wird sich schon bald erweisen. Erstaunlich ist es aber schon, betrachtet man die doch vorzugsweise technisch veranlagten Spieler, die das Duo Peter John Lee und Pierre Pagé in den vergangenen zwei Jahren nach Berlin lotsten. Mit Shawn Heins hält nun wieder die etwas „gröbere Kelle“ in Berlin Einzug. Dass Heins tatsächlich auch zulangen kann, belegen seine 164 Strafminuten in den 68 Einsätzen für die Chicago Wolves während der vergangenen Spielzeit. Andererseits, und das soll hier nicht unterschlagen werden, bescheinigen ihm die Experten im Mutterland des Eishockeys durchaus auch Leaderfähigkeiten. Vor allem im Hinblick auf die Playoffs ist das sicher nicht die schlechteste Eigenschaft für die im Durchschnitt kaum 24 Jahre alte Eisbärentruppe.
Sogenannte Rollenspieler sind im Eishockey keine Seltenheit – dafür scheint Shawn Heins der beste Beweis zu sein. Denn dessen Aufgabe ist relativ klar umrissen: Er soll gesunde Härte ins Spiel der Eisbären bringen und möglichst oft den „Hammer auspacken“. Der herbe, nicht ganz so ernst zu nehmende Eishockey-Kalauer „Werft euch in die Schüsse, Männer – auf der Bank sitzen genug von euch!“, könnte in der kommenden DEL-Saison eine ganz neue Bedeutung erhalten - immer dann nämlich, wenn Shawn Heins das gegnerische Tor anvisiert... (Matthias Eckart/ Oliver Koch)
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