Eisbären finden binnen 107 Sekunden Antworten
Aus vier Spielen sprang für die Berliner trotz meist hohen Aufwandes zuletzt nur ein Sieg heraus; am Dienstag setzte es eine derbe 1:5-Niederlage in Augsburg. Trainer Don Jackson ließ auf diese am Mittwoch einen „bösen Tag“ folgen, wie er es selbst nannte. Entgegen des sonst üblichen Ablaufs gab es nach dem Spieltag kein Frei für seine Spieler, sondern eine ziemlich scharfe Trainingseinheit auf dem Eis. Dafür folgte am Donnerstag ein freiwilliges Training, zu dem alle Spieler erschienen, wobei nicht alle aufs Eis gingen, ein großer Teil lieber auf dem Ergometer strampelte. „Wir waren der Meinung“, erklärte Jackson die Maßnahme, „die Routine in der Spielvorbereitung durchbrechen zu müssen, neue Reizpunkte zu setzen, bevor sich Langeweile breit macht.“
Wie viel Einfluss diese Veränderung auf die Leistung seiner Mannschaft beim überlegenen 8:3-Sieg über die Frankfurt Lions am Freitagabend letztlich hatte, mochte der Coach nicht genau beziffern. Seine Suche nach dem Herz der Spieler darf nach diesem Auftritt aber wohl als erfolgreich betrachtet werden. Insbesondere in den unglaublichen 107 Sekunden Mitte des zweiten Drittels, in denen die Eisbären-Cracks dem bisherigen DEL-Spitzenreiter vier Tore einschenkten, offenbarten die all ihre Leidenschaft und Spielfreude. Die Lions sahen sich überrannt und standen dem gnadenlosen Offensivwirbel der Berliner hilflos gegenüber. Neu-Manager Dwayne Norris lief entsetzt auf und ab, hantierte nervös mit seinem Handy. Spitzbübisch meinte da ein Hauptstädter: „So schnell wird der gute Dwayne wohl keine Verstärkung herbei rufen können, wie er sie jetzt bräuchte.“
Dwayne Norris, der zunächst Rich Chernomaz in der Pressekonferenz nach dem Spiel vertrat, brach sichtlich betroffen den Stab über der erstmals von ihm zusammen gestellten Mannschaft: „Schon nach dem ersten Drittel hätten die Berliner höher führen können. Da aber konnte uns Ian Gordon noch im Spiel halten. Die Eisbären waren heute in allen Belangen besser, weil einfach effektiver. Nur kurze Zeit nach dem 2:2 hatten wir vielleicht eine Chance, haben dann aber schwerwiegende individuelle Fehler gemacht.“
Der Coach der Frankfurter, der unmittelbar nach der Schlusssirene ein Meeting mit seiner Mannschaft abgehalten hatte und sich deshalb verspätet den Pressevertretern stellte, setzte noch einiges drauf: „Berlin war bereit für uns. Don ist ein guter Trainer und hat seine Mannschaft sehr gut eingestellt. Und wenn man körperlos und ohne jeglichen Biss gegen eine Top-Reihe, wie sie Walker, Pederson und Robinson bilden, spielt wie wir, nicht hart arbeitet, dann hat man keine Chance und gewinnt in dieser Liga keine Spiele. Dann ist man nur Durchschnitt, so wie die Lions in den letzten Spielen.“ Gefragt, wieso er in der für seine Mannschaft so desaströsen Phase des Mittelabschnitts keine Auszeit genommen habe, entgegnete Chernomaz: „Was hätte man in dreißig Sekunden sagen sollen, was all die mentalen Fehler hätte abstellen können? Nein, ich verschwende keine Zeit mit sinnlosen Time-outs! Es hätte heute keinen Unterschied ausgemacht.“ Starker Tobak!
Don Jacksons Fazit zum beeindruckenden Auftritt seiner Mannschaft im Spitzenspiel fiel entsprechend positiv aus: „Ich denke, das war unser bestes Heimspiel in dieser Saison. Wir haben gegen eine gute Mannschaft gewonnen, haben gut geschossen und den Preis bezahlt. Sieben Minuten im zweiten Drittel, in denen meine Mannschaft einen Weg fand das Spiel zu gewinnen, haben den Unterschied gemacht.“ Und so sah Don Jackson bestätigt, was er vor dem Match im Brustton der Überzeugung kundtat: „Ich habe keine große Sorge, dass wir jetzt in ein tiefes Loch fallen könnten. Meine Spieler sind reif genug. Die Grundlagen für Erfolg, Charakter, Führungsqualität und spielerisches Können, sind vorhanden. Die besten Spieler auf dem Eis sind auch die Leader in der Kabine.“ - Währenddessen es anderswo heftigst rappelt, Köpfe rollen, herrscht in der Hauptstadt also weiter eitel Sonnenschein. (mac/ovk - Foto by City-Press)