Eisbären: Finale - das Fieber steigt

Ganze sieben Tage sind seit dem letzten erfolgreichen Playoff-Auftritt der Berliner Eisbären vergangen, der den EHC-Fans den heiß ersehnten DEL-Final-Einzug brachte. Nach sechs langen Jahren, mitunter zwei recht tristen
ohne Playoffs, haben die Hohenschönhauser nach 1998 endlich eine neue Chance
erstmals den deutschen Eishockey-Thron zu besteigen. Damals verhinderten die
Adler aus Mannheim den ersten gesamtdeutschen Meistertitel für die Ost-Berliner,
ab Donnerstag schicken sich die Frankfurter Lions an selbiges zu
bewerkstelligen.
Mit den Lions und den Eisbären bestreiten die beiden Teams den letzten Aufgalopp
im Meisterschaftsrennen, die über lange Strecken auch in der Vorrunde mit
attraktiven Offensiv-Eishockey das Niveau der Deutschen Eishockey Liga
bestimmten. Eisbären und Lions lieferten sich lange ein Kopf an Kopf-Duell um
die Spitze im Klassement. Am Ende ging den Hessen dabei etwas die Luft aus,
weshalb sie am Ende nur auf Platz 5 einkamen. Rechtzeitig zu den Playoffs
fanden die Männer um Manager Lance Nethery und Trainer Rich Chernomaz aber ihre
Vorrunden-Tugenden wieder, was die Kölner Haie im Viertelfinale und die Hamburg
Freezers im Halbfinale leidvoll zur Kenntnis zu nehmen hatten. Gegen beide
Kontrahenten lieferten sich die Cracks vom Bornheimer Hang zwei hochemotionale
wie hochklassige Auseinandersetzungen. War das Weiterkommen gegen die Haie in
sechs Spielen aufgrund deren Verletzungsmisere (z.B. Dave McLlwain, Alex Hicks)
noch nachvollziehbar, konnte man über das Ausscheiden der Hamburg Freezers
allerdings schon von einer Überraschung sprechen. Noch mehr als im Viertelfinale
war dieser Sieg der Frankfurter ein Triumph des größeren Willens.
Ähnlich wie bei den Eisbären zeichnen sich neben den Top-Leuten um Jesse
Belanger, Pat Lebeau und Dwayne Norris die vermeintlichen No-names im Kader als
positive Faktoren aus, die in entscheidenden Momenten Dinge richtig machen. Sind
es bei den Eisbären die Youngster Alexander Barta, Jens Baxmann und Florian
Busch, die für Überraschungen sorgen - so sind es bei den Lions Spieler wie
David Sulkovsky oder Michael Hackert.
Insgesamt sehr stabil wirken die Lions - nicht nur körperlich, sondern auch
mental. Während dessen man sich in Hamburg schon auf das Finale gegen die Eisbären mit
den Vorbestellungen der Tickets für das vermeintliche Anschütz interne Duell und
Reiseplanungen für die Fahrten in die Hauptstadt beschäftigte, konzentrierte man
sich im Lions-Lager auf das Wesentliche - das anstehende entscheidende fünfte
Spiel. Und so traten sie dann auch auf, die Löwen vom Main. Ehe sie es sich
versahen, waren die Hanseaten mit einem schwer aufzuholenden Rückstand
konfrontiert, den sie nur mit Mühe und Glück verkürzen, aber nie egalisieren
konnten. In der von fast 13000 Zuschauern angeheizten Atmosphäre in einer der
schönsten Arenen Europas blieben die Hessen allerdings kühl bis ins Herz und
holten die zum Höhenflug abgehobenen Freezers zurück auf den Boden der
schmerzlichen Tatsachen. Am Ende bejubelte die ca. 300-köpfige Schar der
Lions-Fans, die das Glück hatten eine der Karten aus dem von den Freezern
unüblich eng bemessenen Gäste-Kontigent zu ergattern, völlig verdient den
erstmaligen Einzug ihres Teams ins DEL-Meisterschaftsfinale.
Nicht zuletzt weil die Verantwortlichen in der Geschäftsstelle der Lions in
Sachen verfügbarer Gästetickets großzügiger umgehen, freuen sich die Anhänger
der Eisbären auf die Finalserie gegen die Hessen. Schon im Vorhinein war klar,
dass der Tross der EHC-Fans zu den Auswärtsspielen mit ca. 600
"Ausreisewilligen" doppelt so groß sein darf als der der Lions-Jünger nach
Hamburg. Im Gegenzug verhält sich die Eisbären-Geschäftsstelle trotz des mit
4695 Zuschauern weit geringeren Fassungsvermögens im Wellblechpalast ähnlich
generös - knapp 10% der Hallenkapazität wird für die Frankfurter Fans reserviert
sein. Darüber sollte man in der Hansestadt einmal nachdenken.
Der Run auf die Final-Tickets war natürlich auch in der Hauptstadt entsprechend
groß. Noch vor Verkaufsbeginn bildete sich vor der Sportsbar Overtime und dem
darin befindlichen Fanshop eine mehr als hundert Meter lange Schlange. Nicht alle
Kartenwünsche konnten bedient werden, weshalb sich die Eisbären mit Hilfe von
Sponsoren und Premiere entschlossen in unmittelbarer Nähe des Wellblechpalastes
ein Zelt mit Videoleinwand aufzubauen, wo die in der Ticketschlacht Erfolglosen
zwar nicht mittendrin aber doch dabei sein können.
EHC-Coach Pierre Pagé ließ die verhältnismäßig lange Pause zwischen letztem
Halb- und erstem Finalspiel natürlich nicht ungenutzt verstreichen. Mit hartem
Training im Kraftraum und auf dem Eis versuchte er seine Mannschaft "unter
Strom" zu halten. Wer Gelegenheit hatte eine der Trainingseinheiten auf dem Eis
zu beobachten, wird sich verwundert die Augen gerieben haben - extrem intensiv
wurde sich auf den kommenden Gegner vorbereitet. Das Üben einzelner
Spielsituationen, wie Überzahl, Unterzahl, schnelles Umschalten von Angriff auf
Verteidigung und anders herum wurde von kurzen knackigen Sprintsequenzen
abgelöst. In den wenigen Pausen dazwischen machten sich die Beaufaits,
Fairchilds, Pedersons, Shannons, Perssons & Co. pumpend über die Trinkflaschen
her. Trotz aller Anstrengung war den Eisbären der Spaß an der Arbeit nicht
vergangen. Erzielte Treffer im Trainingsspiel wurden ausgelassen und frenetisch
bejubelt und die bezwungenen Keeper Oliver Jonas oder "Bernie" Parent ärgerten
sich sichtlich über jede im Netz zappelnde Scheibe. Auf dem Weg vom Eis in die
Kabine war konzentrierte Entschlossenheit aus den Gesichtern der EHC-Cracks
abzulesen. Und Pierre Pagé sagt nach der Trainingseinheit zufrieden: "Meine
Spieler wissen bescheid." Und Kelly Fairchild stellte klar, befragt warum der
Jubel der Berliner Spieler nach dem souveränen Halbfinal-Triumph so dezent
ausgefallen sei: "Oberstes Ziel ist mit unseren Fans die Meisterschaft zu
feiern. Dieser Erfolg war lediglich ein weiterer Schritt dort hin, mehr nicht."
Werden die Eisbären sicher nicht zu Unrecht in die Rolle des klaren Favoriten
gedrängt, Übermut oder Arroganz stehen auf der "No No"-Liste im Sportforum ganz
weit oben. Pierre Pagé wird nicht müde zu bedenken zu geben: "Was war zählt
nicht mehr. Jede Runde ist wie eine neue Saison."
Und so steigt das Fieber sowohl in der Hauptstadt wie auch in der Mainmetropole
vor einer äußerst spannenden allerletzten Playoff-Serie fast ins Unermessliche.
Die Uhr tickt - der finale Countdown der Saison 2003/ 04 läuft...
(mac/ ovk/ Radio Eiskalt)
auf Sportdeutschland.TV