Eisbären: Die Last des Favoriten
Vor allem dem Beitrag der Glücksgöttin Fortuna war es am
Ende geschuldet, dass die Berliner Eisbären den zweiten Sieg in der
Viertelfinalserie gegen die Krefeld Pinguine verbuchen konnten. Kurz vor Schluss
der Partie fehlten beim Pfostentreffer von Herberts Vasiljevs und beim wegen
Torraumabseits nicht gegebenen Treffer von Chris Herperger jeweils nur wenige
Zentimeter am zweiten Erfolg der Krefeld Pinguine.
Wie im gesamten Saisonverlauf aber schon tun sich die
Berliner weiter schwer gegen so genannte Underdogs, zu denen gemeinhin auch die
Pinguine gezählt werden. Und die Pagé-Schützlinge bekommen die Last Favorit zu
sein und die hohen Erwartungen unangenehm zu spüren, was offenbar Kopf, Hände
und Füße hemmt. So mochte Stefan Ustorf, der sich beim 5:4-Heimsieg erst von
Hauptschiedsrichter Roland Aumüller umfahren lassen musste und sich später
dennoch in die Schüsse der Pinguine warf, die Frage nach dem Schlendrian, der
angeblich im Eisbären-Team umginge nicht mehr beantworten: „Ich kann das nicht
mehr hören!“, sagte der Nationalmannschaftskapitän ins Premiere-Mikrophon,
„Gebt doch den Krefeldern endlich mal den Respekt, den sie verdienen! Die haben
eine gute Mannschaft und arbeiten hart!“ In der Tat, konnte ernstlich erwartet
werden, dass die Berliner die Truppe von KEV-Coach Teal Fowler vier Mal 10:0
wegputzen und sie per Sweep in den Urlaub schicken? Wohl eher nicht! Was man
aber wohl erwarten kann, ist, dass eine Mannschaft wie die der Eisbären ihr
großes Potenzial ausschöpft und so zur Sache geht, dass nicht an deren
Einstellung gezweifelt werden kann. Lediglich in Spiel 2 und den letzten
zwanzig Minuten in Spiel 3 zeigten die Eisbären, was möglich ist und welche
Wirkung es hätte, wenn die Hauptstädter konsequent ihr Hockey spielen. Dann
steigt die Fehlerquote bei den Pinguinen enorm, werden Strafen gezogen, gerät
die Defensive und auch ein Robert Müller im Krefelder Tor ins Schwimmen.
Nationalstürmer Sven Felski haderte mit der Leistung
seiner Mannschaft und forderte, mehr mit
seinem Glück zu haushalten, da man es noch häufiger beanspruchen müsse,
erreichte man die nächste Runde und gab zu bedenken: „Es war von vornherein
klar, dass es schwer gegen Krefeld werden wird. Play-offs sind immer eine neue
Saison. Jede Mannschaft ist heiß und lauert auf seine Chance.“
Denis Pederson, der den Puck zum 4:4-Ausgleich ins Tor
kämpfte, sagte: „Wir hatten viele Chancen, machten aber auch viele Fehler. Ich
merke aber auch, dass wir in jedem Spiel hungriger werden. Positiv ist unsere
Ausgeglichenheit in der Produktivität. Viele Spieler schießen viele Tore. Das
ist gut!“ Pedersons Aussage läßt erkennen, dass die EHC-Cracks doch noch auf
der Suche nach dem Biss sind, den es in den Play off braucht um erfolgreich zu
sein. Das Team von Teal Fowler hatte das nötige Feeling dagegen von Anfang an,
weshalb es ihnen auch gelang, die Eisbären bisher einmal zu besiegen und am
Sonntag an den Rand einer erneuten Niederlage zu bringen.
EHC-Coach Pierre
Pagé hat es längst erkannt, er gibt zu, dass „wir unser Niveau gegenüber der
Vorrunde noch nicht gesteigert haben. Krefeld hat diesen Schritt aber gemacht,
was uns näher zueinander bringt und den Qualitätsunterschied zwischen beiden
Mannschaften deutlich verringert.“
Teal Fowler
versteht es hervorragend, die Berliner nicht aus ihrer Favoritenrolle zu
entlassen, wenn er sagt: „Es gibt in der DEL keine andere Mannschaft, die so
viel Kraft und Schnelligkeit besitzt wie die Eisbären.“ Als Tabellenerster der
Vorrunde und Titelverteidiger würde man in jeder weiteren Runde und von jedem
Gegner in diese Rolle gedrängt, so viel ist sicher. Die Mannschaft von Pierre
Pagé sollte sie daher einfach annehmen und versuchen ihr gerecht zu werden.
Matthias
Eckart/ Oliver Koch
Foto by City-Press: Im Zweikampf - Mike Pudlick und Stefan Ustorf