Eisbär Jonas Müller: Dieser Typ ist Gold wert! Hockeyweb-Reporter Ronald Toplak über das Küken der deutschen Silberhelden
Der Einlauf der Berliner Olympiahelden Marcel Noebels (hinten), Jonas Müller (M.) und Frank Hördler (vorne). (picture alliance/Paul Zinken/dpa)Auch ich bin immer noch ganz im Bann des Eishockey-Finales bei Olympia in Pyeongchang. „Silber auf der Brust, aber Gold in unserem Herzen“. Dies zeigten zum Beispiel die Fans der Eisbären auf Bannern eingebunden in eine Choreografie, als Jonas Müller, Frank Hördler und Marcel Noebels vor dem 3:2-Sieg gegen Red Bull München in der Mercedes-Benz-Arena geehrt wurden. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Fast jeder der 14.200 Fans hatte Gänsehaut. Dem ein oder anderen kamen sogar die Tränen. Die Euphorie, die uns die Eishockey-Nationalmannschaft bei den Winterspielen beschert hat, war omnipräsent. Auch bei mir. Zum Glück saß ich ein wenig abseits der Kollegen. Muss ja nicht jeder mitbekommen, wie nah ich am Wasser gebaut sein kann, wenn mich die Gefühle übermannen.
Der Spielplan der Deutschen Eishockey-Liga kennt keine Gnade. Nur drei Tage nach dem emotionalen Höhepunkt in Südkorea war schon wieder Alltag angesagt. „Back to business“, nennt das Kölns NHL-Haudegen Christian Ehrhoff mit seiner ganzen Routine. Während die Münchner Cracks noch pausieren dürfen und durch Nachwuchskräfte ersetzt werden, entschied sich das Bären-Trio zu spielen. Alles wird dem Erfolg der Mannschaft untergeordnet. Genau die Tugenden, die uns beim Nationalteam so begeisterten.
„Mama, ich möchte auch mal zum Eishockey!“ Dies sagte ein kleiner Junge, als ich mit der S-Bahn auf dem Weg zur Halle war. Ein Satz, der die Chance des deutschen Eishockeys praktisch in Eis meißelt: Nachhaltigkeit!
Fast 6 Millionen Deutsche sind am Sonntagmorgen gegen 4.30 Uhr aufgestanden, um sich das Finale anzuschauen. Das schaffen sonst nur die Fußballer. Einst noch Tennis-Heroen wie Boris Becker. Oder Formel-1-Idole wie Michael Schumacher.
Ich merke es an meiner Familie, meinen Kumpels. Alle saßen vor dem TV. Keiner drehte sich nochmal um, als der Wecker unnachgiebig klingelte. Sonst schauen sie mich eher mitleidig an, wenn ich von meiner Begeisterung für den Eishockey-Sport erzähle. „Ach, da sehe ich doch nichts. Der Puck ist viel zu klein“, kriege ich als abwertendes Argument für ihr sonstiges Desinteresse oft genug zu hören.
Plötzlich herrscht Euphorie. Begeisterung. Der Virus ist ansteckend. Nicht nur für mein näheres Umfeld, die Nation ist infiziert. Alle sonnen sich im Silberglanz. Was auch an Spielern wie den Eisbären Frank Hördler, Marcel Noebels oder eben Jonas Müller liegt. Dem 22-jährigen Küken des Teams, der drei Minuten vor Schluss das 3:2 gegen Russland erzielte. 55,5 Sekunden haben gefehlt. Sonst wäre er für alle Ewigkeit unsterblich gewesen. Nach dem Spiel weinte er bittere Tränen, die inzwischen getrocknet sind. Er weiß, dass das Silber für Deutschland Gold wert sein kann.
„Als ich das Tor gemacht habe, dachte ich, komm, nur noch drei Minuten durchhalten. Dennoch, die silberne Medaille ist unglaublich. Wahnsinn. Damit hätte niemand gerechnet“, sagte Müller nach dem Spiel gegen den Meister. Zur Feier des Tages gab es silberne Buddybären – auch für die Münchner Spieler: „Damit habe ich nicht gerechnet. Der Bär sieht echt cool aus. Ich freue mich ehrlich darüber. Auch für die anderen Jungs“, sagte Müller (hier geht es zum Video).
Ein Grund für die allgemeine Begeisterung ist, dass sich die Profis, nicht nur die der Eisbären, trotz des großartigen Erfolges herrlich unprätentiös geben. Zurückhaltend. Fast schüchtern. Müller wirkte immer noch fast so wie als Nachwuchsspieler mit Gittermaske. Noch vor gar nicht langer Zeit spielte er noch mit einer Förderlizenz bei FASS Berlin im kleinen Erika-Hess-Stadion im Wedding. Nun stand er im Fokus der Weltöffentlichkeit. Trotz des ganzen Rummels bleibt er normal, gelassen, ehrlich, sympathisch. Das spricht die Fans an. Ein junger Mann, der nicht abhebt. Der auf dem Boden bleibt. Trotz aller Schulterklopfer. Ein Vorbild für viele Altersgenossen seiner Generation. Auch das ist Gold wert. Selbstverständlich muss der Verband versuchen, dem sensationellen Erfolg eine Entwicklung folgen zu lassen. Die Emotionen gilt es nun mitzunehmen. Mit Menschen wie Jonas Müller ist mir um die Zukunft nicht bange.