Eine verkorkste Saison: Kommentar zu den Mannheimer Adlern
Klare Worte bei den AdlernSie sind im Viertelfinale ausgeschieden und haben insofern Konsequenz
bewiesen: Die Adler haben eine der schlimmsten Spielzeiten seit Jahren
hinter sich. Sportlich klappte es hinten und vorne nicht, und hinter den Kulissen
brodelte es gewaltig. Stefan Ustorf und Yves Racine wurden für Trainer Bill Stewart
geopfert, bevor der selber den Weg weg von seinem Team ging. Man mag
trefflich
darüber streiten, was hier nötig war und was unnötig wie ein Kropf. Tatsache
ist, dass so ziemlich alles schief lief, was nur schief laufen konnte. Nein,
es
war nicht das Viertelfinale, das den Adlern das Genick brach, schon viel
früher war der Grundstein zum Misserfolg gelegt worden. Stewart kam nicht
mehr
durch, mehr oder weniger offene Rebellion in der Kabine hemmte das Team, in
dessen Reihen auch Cracks standen, die nicht ganz begriffen hatten, dass man
normalerweise Geld für eine gewisse Leistung erhält. Viele Leute in anderen
Berufen haben
Chefs,
die sie nicht respektieren oder leiden können und sie geben trotzdem ihr
Bestes, auch, um morgens in den Spiegel schauen zu können. Und dann zu
meinen, in
den Playoffs könne man einfach mal so fix den Hebel umlegen und Meister
werden, das zeugt von kindlicher (oder kindischer) Blauäugigkeit. Aber auch
die
Personalpolitik lässt seit einiger Zeit zu wünschen übrig. Charaktere, die
sich
heute wie Mike Stevens, Dave Tomlinson oder Ron Pasco und übrigens auch Yves
Racine in anderen Teams den
Hintern aufreißen, schickte man in die Wüste, holte dafür Cracks, deren
Talent
zwar vorhanden war, die aber lieber das süße Leben genossen, das die Adler
ihnen ganz eindeutig bieten, als sich tatsächlich bis an ihre Grenzen
einzusetzen. Einem
Mann
wie Derek Plante, der eine Rückenoperation hinter sich hatte, die
normalerweise
das Karriereende bedeutet und der anschließend über Hüftprobleme klagte, gab
man nicht nur einen Vertrag, man servierte ihm auf dem Silbertablett auch
noch eine einseitige Option. Er wäre von allen guten Geistern gebissen, wenn
er, gehandicapt wie er ist, nicht mit beiden Händen selig lächelnd zugreifen
würde. Anderen Cracks offerierte man ohne Not frühzeitig Mehrjahresverträge,
worauf hin sie locker nachließen. Torwart Mike Rosati verlängerte man nicht,
was sportlich vertretbar war, wenn man danach einen echten Knaller auf der
Position verpflichtet hätte. Stattdessen kam Richard Shulmistra, der anfangs
überzeugte, um dann Puck um Puck abprallen zu lassen und Nervosität ins
Spiel
brachte. Marc Seliger, der eigentlich gar nicht als Nummer eins gedacht war,
zeigte sich hingegen als einer der wirklichen Klasse-Leute und den will man
eventuell gehen lassen, mit dem Risiko in der kommenden Saison wieder
daneben zu greifen auf der wichtigen Position. Nein, die Personalpolitik war
in früheren Jahren,
als man sich noch wirklich große Mühe gab und sich umsah in nah und fern,
besser. Nur an Lance Nethery wird es ja wohl nicht gelegen haben, dass die
Adler
Mannschaften auf die Beine stellten, die Meisterschaften einfuhren,
schließlich fand auch Bill Stewart anfangs noch ein funktionierendes Team
vor.
Doch man soll auch die positiven Seiten sehen: Da ist an erster Stelle
Daniel Hopp zu nennen. Der Gesellschafter ist ein Mann, der im Gegensatz zu
anderen, mit Kritik umgehen kann und darüber nachdenkt. Er ist ein Profi
durch und
durch, ein Mann mit hervorragendem Auftreten in der Öffentlichkeit und mit
großen Kenntnissen, einer zudem, der das Eishockey in Mannheim gerettet hat.
Hopp hat mit Sicherheit durch diese Saison gelernt und wird versuchen, die
nächste anders zu gestalten. Was allerdings aus einem Grunde schwierig ist:
Zu
viele Cracks bleiben. Ein weiteres Positivum: Chefcoach Helmut de Raaf. Wenn
er
Zeit hat, seine Vorstellungen durchzusetzen, dürfen sich die Fans in der
Mannheimer Region freuen. De Raaf hat das Zeug dazu, die Adler der Zukunft
zu
formen, sofern es ihm gelingt, auch die aufmüpfigen Cracks in der Kabine zu
überzeugen. Sonst muss ihm die Geschäftsführung den Rücken stärken, Intrigen
gegen den Coach, wie sie bei Stewart vorkamen, müssen ausgeschlossen werden.
Und
natürlich gibt es Spieler, die sich die ganze Saison über eingesetzt haben:
Sascha Goc ist so einer, der Kapitän wusste, was von ihm erwartet wurde.
Oder
Robert Hock, Tomas Martinec, Michael Bakos, Marc Seliger, Christoph Ullmann,
Fabio Carciola, um einige herauszugreifen. Auch Rene Corbet oder Frankie
Groleau gehören zu diesem Kreis. Auf sie kann man bauen in einer neuen
Saison,
die hoffentlich anders wird als diese. Charakter und Talent gepaart, das
könnte
eine Lösung sein, die man ins Auge fassen sollte, sofern man sich im
Management nicht als beleidigte Leberwurst geriert, sondern mit Kritik
konstruktiv
umgeht, so ist sie nämlich gemeint von Menschen, denen die Adler am Herzen
liegen. Man darf Helmut de Raaf viel Glück wünschen, es gibt viel zu tun, er
wird es anpacken. (Angelika von Bülow)