Die neuen Freezers: Trotz Erfolgsserie ruhig und gelassen
Irgendwie scheint bei den Hamburg Freezers derzeit alles anders zu sein. Sechs Siege in Folge, Tabellenplatz 6 und bei zwei Spielen Rückstand die Chance bis auf einen Punkt an die Tabellenspitze heran zu rücken. Aber von Euphorie ist rund um die Color Line Arena nichts zu spüren.
Verantwortliche wie Trainer und Spieler machen einen gelösten, aber hochkonzentrierten Eindruck. Geschäftsführer Boris Capla, der in den vergangenen Jahren schon mal vollmundig auf Riesenplakaten verbreiten ließ, es interessiere ihn nicht, wer hinter den Freezers Zweiter würde, hat seine Marketing-Leute zurückgepfiffen und übt sich selber in vornehmer Zurückhaltung. Trainer Bill Stewart, in der Vergangenheit nie um einen Spruch verlegen, kommentiert neuerdings die Erfolge seines Teams recht sachlich und nüchtern, übt hier und da leise Kritik an schwächelnden Stars und verteilt auch sein Lob an die derzeitigen Leistungsträger nur in homöopathischen Dosen.
Dabei nötigt die taktische Ausrichtung des Teams und die große Disziplin, mit der die Spieler sie auf dem Eis umsetzen, auch den größten Stewart-Kritikern Respekt ab. Der Kanadier, der Anfang dieser Woche seinen 51. Geburtstag feierte, scheint seine Linie in Hamburg gefunden zu haben. Konsequent setzt er auf die Karte der jungen deutschen Spieler, gibt ihnen ausreichend Eiszeit und lässt sie auch immer wieder in Über- und Unterzahl aufs Eis.
Max Schmidle (23), Marcus Sommerfeld (24), Thomas Pielmeier (21) und Elia Ostwald (20) zahlen ihrem Coach das Vertrauen mit feinen Leistungen zurück. Sommerfeld hat bereits zwei Tore auf seinem Konto, Schmidle erzielte am vergangen Dienstag gegen die Kölner Haie seinen ersten Treffer und der lange Ostwald (1,98 m) ist ohnehin in Hamburg eingeschlagen wie nie ein Jungtalent vor ihm.
Drei Tore und ein Assist hat die Leihgabe aus Berlin bereits in seinen acht Spielen für die Freezers auf dem Statistik-Zettel stehen. Aber auch neben diesen zählbaren Pluspunkten ist der Schlaks aus dem Osten (in Bad Muskau in der Lausitz geboren) ein Aktivposten in Stewarts Rechnung. Dass er dabei schon mal ein wenig übers Ziel hinausschießt, wie bei seinem Check gegen den Kölner Gogulla, und nun für das Spiel am Freitag in Düsseldorf gesperrt ist, nimmt ihm in der Hansestadt niemand übel.
Auch die Tatsache, dass Ostwald nur bis Anfang November von den Eisbären ausgeliehen ist, ruft bei den Freezers keine Aufregung hervor. Ostwald selber hat öffentlich bekundet, dass er am liebsten in Hamburg bleiben möchte, Trainer Stewart und Sportdirektor Leslie würden ihn ebenso gern behalten. Aber Leslie weiß: „Die letztendliche Entscheidung darüber wird in Berlin getroffen.“
Ein wenig Sorgen bereiten im HEC-Quartier in der Schnackenburg-Allee derzeit nur die Zuschauerzahlen. Trotz der Siegesserie fanden sich am vergangenen Dienstag nur knapp über 5.000 Unentwegte in der Color Line Arena zusammen. Zwar wird hinter den Kulissen eifrig an publikumswirksamen Maßnahmen gewerkelt, aber Geschäftsführer Capla hat mittlerweile erkannt, dass Marketing und Event-Show nicht die alleinseligmachenden Elemente sind. „Wir müssen weiter erfolgreich spielen, dann wird die Halle auch wieder voller“, formuliert er sein neues Credo und schiebt damit den Schwarzen Peter an Stewart und Leslie weiter. Den die beiden für den sportlichen Bereich Verantwortlichen gelassen aufnehmen.
Die Linie steht: Förderung der deutschen Spieler, zu denen bald auch noch die beiden Langzeit-Verletzten Alex Barta (25) und Jason Pinizotto (28) stoßen werden. Beide stehen schon wieder auf dem Eis, aber auch hier zeigt sich die neue Freezers-Einstellung. Ohne Druck können sie an ihren durch die lange Pause bedingten körperlichen Defiziten arbeiten. Von zwei bis drei Wochen ist die Rede, dann sollen die beiden Stürmer für ihren ersten Saison-Einsatz bereit sein.
Sollten die „jungen Wilden“ ihre Form solange konservieren können, sollte auch Elia Ostwald in Hamburg bleiben dürfen und zudem noch die ihrer Form ein wenig hinterherlaufenden Smyth und Sarno zulegen, dann kommt auf Bill Stewart das nächste Problem zu: Ein Überangebot in den Angriffsreihen.
Ein reines Luxusproblem allerdings, von dem man in den vergangenen Jahren nur träumen konnte und das erst recht die neue Gelassenheit auf den Plan ruft. In aller Ruhe und erstmals ohne konkrete Zielvorgabe für die Saison wird daran gearbeitet, Spieler und Team kontinuierlich zu verbessern.
Irgendwie ist in dieser Saison alles anders in Hamburg… (jp)
Foto by City-Press