Die Adler-Fans und ihr Kummer
Klare Worte bei den AdlernNein, Kritik an sich selber mögen sie so gar nicht: Wer wagt, das Verhalten von
Anhängern in blau-weiß-roter Montur zu bemängeln, der muss damit rechnen,
dass er gnadenlos niedergebügelt wird. Was im Schutze von Anonymität auch
recht locker geht. Hockeyweb wollte also von den Betroffenen selber wissen, was
sie von der derzeitigen Situation, vom Trainerwechsel und vom Verhalten auf den
Rängen halten. Die Meinungen sind so vielseitig wie es der Anhang in sich
selbst ist. Es gibt die Sachlichen, die Sportliches analysieren, ohne
Menschliches auszuschalten, diejenigen, die immer treu zum Verein stehen, was
immer passieren mag und jene, die einfach die Nase von allem gestrichen voll
haben.
Sven Junge ist ein Aushängeschild der Mannheimer Adler. Inzwischen
Fan-Beauftragter, hat er seit Jahren eine gute Figur in den Stadien der
Republik gemacht und somit die Adler an sich und die Fan-Gemeinde im besonderen
aufgewartet. Sven hat große Sympathien für Stephane Richer, weiß auch, dass
er nun wirklich nicht der Alleinschuldige am jetzigen Tabellenplatz ist, aber
Sven weiß auch, dass ein Wechsel nötig war. Er hofft, dass unter Greg Poss die
Cracks auf lange Sicht wieder den Kopf freier kriegen. Er findet es vollkommen
verständlich, dass Richer, der unter immensem Druck gestanden sei, oftmals zu
sehr auf seine guten Freunde in der Kabine baute, aber er hofft auch, dass Poss
verstärkt die jungen deutschen Spieler einsetzen wird. Dass der neue Coach
einen längeren Vertrag hat, das bejaht Junge, schließlich könne man jetzt
endlich etwas aufbauen.
Die Fans kann Sven im übrigen verstehen, er kennt viele, die sich über
Gebühr einsetzen für diesen Verein, die nach auswärts mitfahren,
Plakate malen, sich Aktionen überlegen. Da erwähnt er die Fahrt nach
Düsseldorf am 28. Dezember. 600 Leute hätten sich bereits angemeldet zu
diesem vielleicht letzten Adler-Spiel an der Brehmstraße. Das spräche
nun wirklich für die Mannheimer, deutet Sven, zwölf Busse nach
Düsseldorf, das werde eine super Sache.
Matthias Haßlöcher sitzt im Rollstuhl. Er ist Adlerfan mit Leib und
Seele und er hat seinen Verein immer unterstützt, durch alle Krisen. Er
ist, wie die meisten, verunsichert von den Entwicklungen. Was nun Greg
Poss betrifft, da ist er nicht so hundertprozentig sicher, was er
denken soll. Der habe ja wirklich schon was geleistet, aber mit dem
Nationalteam sei es ja wohl nichts gewesen. Matthias grundsätzliche
Haltung: "Mir ist es fast egal, wer derzeit hinter der Bande steht,
Hauptsache, wir kommen in die Play Offs." Für Richer empfindet er große
Symphatie, hofft auch, dass der den Adlern auf jeden Fall erhalten
bleibt. Das will auch Peter Roth. Wie die anderen hofft er, dass unter
Greg Poss doch nochmal so etwas wie ein Aufbäumen durchs Team geht.
Was, das sieht er sehr realistisch, sehr schwer werden wird mit einer
Paradereihe, die es so nicht mehr gibt.
Auf die Stimmung angesprochen reagieren Fans sehr unterschiedlich nach
dem Frankfurt-Spiel, was für viele auch sowas wie ein Schicksalsspiel
war, fürs Team, für den Trainer, für die Organisation. Marlies Steger
ist nur noch enttäuscht. Eigentlich von allen, von der Organisation,
die ihr seit einigen Saisons mehr Frust als Lust beschert, von den
Spielern, die nicht mehr das bringen, was sie sich erhofft, aber auch
von den Mit-Fans. Marlies steht da mit voller Montur und sie will bei
jedem Spiel auch Spaß haben. Und dazu gehört, dass sie ihr Team
anfeuert. "Was gegen Frankfurt passiert ist, das war doch unterirdisch
auf allen Ebenen", ärgert sie sich. Klar, die Mannschaft wäre
nicht gut gewesen, klar, sie sei auch total sauer gewesen, aber gar
nichts mehr zu machen und sich anzuhören, wie die Frankfurter feixen,
das sei sowas von deprimierend gewesen. Die 24-Jährige liest auch
alles, was Fans in den Foren schreiben. Viele, sagt sie, die hätten
wirklich Sachverstand und würden moderat urteilen. Aber die anderen,
die würden einfach blindlings losschlagen unter dem Mäntelchen der
Anonymität: "Da werden überhaupt keine Grenzen mehr gewahrt, da meint
man wohl, man kann öffentlich jemandem die Ehre nehmen und auf ihn
draufprügeln. Ich finde das ekelhaft." Die junge Frau will sich aber
mit diesen Auswüchsen nicht länger befassen. Sie hofft weiter. Auf
einen Ruck in der Mannschaft, auf bessere Spiele, die Play Offs und
auch darauf, dass es dann wieder richtig Stimmung gibt bei den Adlern,
die mal den Ruf hatten, mit die besten Fans der Liga zu sein.
Hoffen will Peter Maurer nicht mehr. Zu viel hat er erlebt in seinen
langen Jahren als Fan: "Wer jetzt noch von mir Stimmung fordert, der
ist schief gewickelt", schimpft er und zählt auf, was ihm die Stimmung
gründlich vermiest: "Seit Jahren läuft es nicht mehr so richtig. Ich
habe immer und immer wieder viel Geld gezahlt für meine Karten, ich bin
brav und treu dagestanden, während es auf dem Eis immer trüber wurde.
Ich bin der Meinung, die grundlegenden Änderungen müssen jetzt mal
kommen. Und zwar ganz oben. Sollen sie doch jemanden einstellen, der es
wie früher macht, der hingeht, mit den Spielern spricht, ihren
Charakter mit einbezieht und natürlich auch ihr Können. Ich hab die
Schnauze voll von zusammengewürfelten Truppen, die es dann nicht
bringen." Das findet er eine "Frechheit den zahlenden Zuschauern
gegenüber". Dass die Stimmung nicht mehr da ist, das ist für ihn nur
konsequent: "Ich brüll doch nicht für diese Leistung, kommt gar nicht
in Frage." Im übrigen sei Eishockey nun mal eine emotionale Geschichte
und da ginge es auch mal rau zu. Für Peter Mauer kein Problem: Wenn
dann wieder Leistung kommt, ists doch gut." Die ganz Unfairen, die gäbe
es übrigens überall, das fände er auch nicht gut, aber der überwiegende
Teil der Fans sei zwar mit Herz bei der Sache, aber eben auch mit Hirn.
Mauer ist eines ganz klar: "Wenn sich jetzt nicht noch was
grundlegendes ändert, dann wird die Arena nicht mal mehr halb voll und
es wird Stille herrschen."
Angelika von Bülow