"Den Eisbären Paroli bieten"
Klare Worte bei den Adlern
Die Saison
2008-09 ist mit dem Ausscheiden im Halbfinale gegen die Eisbären Berlin, die
eine Woche später erneut die Meistertrophäe in die Höhe stemmen konnten, Anfang
April zu Ende gegangen. Es war eine Saison, die sehr gut begonnen hatte, die
aber im weiteren Verlauf eine Tendenz nach unten zeigte. Erst mit Beginn der
Play-Offs und dem kurz zuvor vollzogenen Trainerwechsel von Dave King zu Teal
Fowler konnte der Abwärtstrend gestoppt werden. Eine erfolgreiche Serie gegen
die Sinupret Ice Tigers im Viertelfinale und eine ordentliche, wenn auch nicht
erfolgreiche Halbfinalserie gegen die Eisbären Berlin zeigte die Adler wieder
in der Verfassung und mit der Leidenschaft, die die Anhänger auch vom Team
erwarten. Die Adler haben nun ein Interview mit Marcus Kuhl über die abgelaufene
Saison wie auch über die im September beginnende neue Spielzeit geführt und
stellen dies freundlicherweise zur Verfügung. Das große Sommer-Interview lesen
Sie in zwei Teilen. Den ersten Teil finden Sie hier, den zweiten in der kommenden
Woche an gleicher Stelle.
Herr Kuhl, wie fällt Ihre persönliche
Bilanz für die vergangenen Saison aus?
Um diese Frage zu beantworten, möchte ich ein wenig weiter ausholen, da für
mich die letzten zwei Jahre eng verknüpft sind. Nach der gewonnenen
Meisterschaft im April 2007 dachten wir, dass wir ein Team zusammen haben, dass
ähnlich wie in den späten 90er Jahren mehr als eine Saison funktioniert. Mit
den beiden Coaches Greg Poss und Teal Fowler kamen wir schnell überein, wenig
ändern zu müssen, da die Rädchen alle ineinander griffen. Mit lediglich
gezielten Verstärkungen hatten wir vor, auch 07/08 und 08/09 die Spitze
angreifen zu können.
Mit Adam Hauser und Michael Hackert, die Jean-Marc Pelletier und Nathan
Robinson ersetzen sollten, hatten wir zwei sehr gute Spieler nach Mannheim
geholt. Mehr Spielraum hatten wir ohnehin nicht, da der Kader ansonsten stand
und mit dem, der 2007 Pokal und Meisterschaft gewonnen hatte, auch gut passte.
Aber im Sommer war im Teamgefüge etwas passiert, was dann zu einer schon nicht
befriedigenden Saison 07/08 geführt hatte. Auch für die vergangene Spielzeit
waren uns die Hände gebunden, da viele Spieler noch über gültige Verträge
verfügten. Von heute aus betrachtet müssen wir uns eingestehen, dass die beiden
vergangenen Jahre nicht zufriedenstellend verlaufen sind und wir unsere Ziele
nicht realisieren konnten.
Bis Ende Dezember war die Platzierung der Mannschaft in der Tabelle in Ordnung,
der Blick ging noch nach oben. Im Januar und Februar waren die Leistungen dann
nicht mehr zufriedenstellend, der Blick ging eher nach unten. In den Play-Offs
haben wir zumindest zum Ende hin nochmal die Kurve bekommen.
Was sind die Konsequenzen aus diesen
Einsichten?
Wir haben den Kader zur neuen Saison hin wieder zu großen Teilen umgebaut und
ihn läuferisch und technisch verbessert. Darüber hinaus ist auch das
Durchschnittsalter deutlich nach unten gegangen, was in einer langen Saison
sicher nicht von Nachteil sein wird. Wir denken, dass wir mit dem aktuellen
Kader in Verbindung mit dem neuen Trainer Doug Mason wieder angreifen können
und hoffen, den Eisbären in der neuen Saison Paroli bieten zu können.
Das ist die Aufgabenstellung für Doug
Mason und Teal Fowler?
Ja, auf jeden Fall. Beide Coaches stehen für attraktives, schnelles und
offensives Eishockey. Beide sind eher sogenannte Player-Coaches, die einen
engen Kontakt zu ihren Spielern pflegen und diese respektvoll behandeln, sie
wenn notwendig auch in Entscheidungen mit einbeziehen. Aufgrund ihrer Vita
genießen aber dennoch beide den notwendigen Respekt der Spieler, was ebenso
wichtig ist.
Dave King war da ein ganz anderer Typ
Trainer?
Ja, klar. Dave King ist ein Trainer alter, kanadischer Schule. Er ist streng,
und autoritär. Das funktioniert bei der heutigen Spielergeneration in Europa
nicht mehr. Vielleicht hat es noch nie langfristig funktioniert. Das hängt
natürlich auch damit zusammen, dass Trainer in Europa eingeschränkter sind als
in den USA oder Kanada. Trainer in der NHL haben die absolute Macht. Passt ein
Spieler nicht mehr, bringt er keine Leistung oder zieht er nicht mit, dann ist
er schneller aus dem Team als er schauen kann und am nächsten Morgen sitzen
andere Spieler auf seinem Platz, die es wissen wollen und dafür alles geben.
Dieses Druckmittel fehlt in Europa, weshalb man als Trainer hier mit den
Spielern auch anders umgehen muss. In Europa ist es wichtig, einen gesunden
Mittelweg zu finden zwischen dem Profi als Mensch und als Sportler.
Wurde die Trennung von Dave King
angesichts dieser Sicht eventuell von heute aus betrachtet ein paar Wochen zu
spät vollzogen?
Nein, das denke ich nicht. Der Zeitpunkt kurz vor den Play-Offs war zwar
ungewöhnlich, aber durch das Wissen, vor dem ersten Viertelfinalspiel noch zwei
Wochen Zeit zu haben, um die Stellschrauben zu korrigieren, hatten wir die
Sicherheit, noch etwas bewegen zu können. Die Woche in Garmisch gab uns genug
Zeit, um uns auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Die Trainer, auch Greg
Thomson, den wir aus Ingolstadt für die Zeit der Play-Offs loseisen konnten,
waren in der Lage, Emotionen zu wecken und so ein neues Wir-Gefühl zu erzeugen,
das auch auf dem Eis funktioniert hat.
Wäre die Trennung früher erfolgt, wäre
aber vielleicht noch ein besserer Platz in der Vorrunde drin gewesen?
Ja, damit
wäre man vielleicht den Eisbären im Halbfinale aus dem Weg gegangen, aber vielleicht
wäre man da gar nicht hingekommen, hätte man gegen ein anderes Team im
Viertelfinale spielen müssen. Es ist schwierig, diese Frage befriedigend zu
beantworten.
Nochmals zurück zu Teal Fowler. Was hat
er konkret gemacht, um die Mannschaft auf seine Seite zu bekommen?
Teal hat von Anfang an ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut und
Verantwortung auch an die Mannschaft weitergegeben. Er hat sie in
Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Er hat in Spielern wie Michael Hackert
oder Jason Jaspers wieder ein Feuer entfacht, das zu einer Leistungssteigerung
geführt hat. Der Druck unter Dave King war manches Mal so immens groß, dass
manche Spieler damit nicht umgehen konnten und schon von vornherein Angst vor
dem Misserfolg hatten. Gewissermaßen hat Teal Fowler die Jungs wieder zu
mündigen Spielern gemacht, indem er ihnen den Druck genommen hat und sie in
seine Entscheidugsprozesse mit einbezogen hat.
Mit Dave King war eine Zusammenarbeit
auch für die nächsten Jahre geplant. Ist das nach dem plötzlichen Ende jetzt
noch möglich?
Wir werden sicher auch in Zukunft den Kontakt zu Dave King pflegen, so wie wir
ihn auch zu Lance Nethery, Sean Simpson und anderen erfahrenen Persönlichkeiten
der Branche pflegen. Was das Scouting allerdings angeht, haben wir einen
Vertrag mit einer großen amerikanischen Scouting-Firma abgeschlossen, die auch
für die NHL arbeitet und sowohl die Spielermärkte in Europa als auch in Übersee
beobachtet. Weltweit sind 50 bis 60 Scouts regelmäßig im Einsatz und fertigen
mehr oder weniger über jeden Spieler, der interessant erscheint, ein „Scouting-Book“
an. Für uns ist das besonders interessant, wenn wir Spieler von Agenten
angeboten bekommen, die wir noch nicht kennen. Über diese können wir dann einen
kompletten Scouting-Bericht anfordern und uns so selbst ein Bild des Spielers
machen. Die Scouting-Reports enthalten alle Informationen, die man sich
wünschen kann. Von Charaktereigenschaften, Entwicklung in den letzten Jahren,
Talente usw.
Interessant ist für uns auch, dass wir bei Besuchen in Übersee schon im
Vorhinein über die Agentur Termine mit interessanten Spielern vereinbaren
können, so dass wir diese dann persönlich interviewen können. Darüber hinaus
erhalten wir auch Angebote über sogenannte „prospected players“, also Spieler,
die in einigen Jahren mal für den europäischen Markt interessant werden
könnten, um so schon frühzeitig Kontakte zu knüpfen. Da die Agentur auch die
ECHL (East Coast Hockey League) scoutet, ist auch Rico Rossi in Heilbronn
geholfen, da er seine Import-Spieler in der Regel aus der ECHL rekrutiert.