Capla zettelt öffentliche Diskussion um Stewart an
Was letzte Woche noch wie ein flüchtig dahin geworfener Satz
aussah, bekommt nun plötzlich eine andere Dimension. Für den Zustand der Mannschaft sei allein der
Trainer verantwortlich, hatte Boris Capla in der vergangenen Woche von sich
gegeben. Jetzt legte der Freezers-Geschäftsführer noch einmal öffentlich nach:
"Die Frage nach fehlender Konstanz brauche ich nicht zu beantworten. Es
liegt am Trainer für Konstanz zu sorgen."
Damit holte der kleine Manager eiskalt die Karte hervor, die
Anschutz-Europachef Detleff Kornett seinem Hamburger Schützling in der
vergangenen Saison in die Hand geschoben hatte. Sportliche Verantwortung bei
Sportdirektor Bob Leslie und Headcoach Bill Stewart, Capla selbst zwar als
Geschäftsführer mit einem letztendlichen Vetorecht ausgestattet, aber ansonsten
nur noch als Hüter der Finanzen und fürs Marketing zuständig. Daran, dass diese nach einem Fan-Aufstand
gegen Capla verkündete Management-Neuordnung tatsächlich so gelebt wird, glaubt
zwar in Hamburg kein Insider ernsthaft, aber Capla sieht seinen Part als bestens
erledigt an: „Die Rahmenbedingungen für sportlichen Erfolg sind gegeben.“
Warum es Capla nicht gelingt, trotz eines zunächst passablen
Saisonstarts seines Teams auch nur annähernd so viele Zuschauer wie in der
vergangenen Saison in die Color Line Arena zu locken, wagt kein Hamburger
Journalist zu fragen. Also klammert der 46-Jährige dieses Thema geschickt aus
und legt schnell noch ein weiteres Streichholz an die bereits entfachte Lunte:
„Ich erwarte, dass die Mannschaft bald wieder unter den ersten Sechs steht.“
Auch die Frage, weshalb Capla vor knapper Jahresfrist eine
Vertragsverlängerung Stewarts durchgesetzt hatte, obwohl Leistung und Zustand
der Mannschaft ähnlich desolat wie zur Zeit waren und die Trainer-Kritik denselben
Inhalt hatte, wagt niemand zu stellen.
Und so sitzt der auch bei den Fans umstrittene und
unbeliebte Coach mutterseelenallein auf der Bombe. Einzig sein Wunsch-Kapitän
Clarke Wilm hält zumindest nach außen hin tapfer zu seinem Trainer und
verkündet unverdrossen, dass Stewart die Mannschaft einstellen könne wie kein
Zweiter.
Die übrigen Spieler halten sich bedeckt und nur vereinzelt
hört man hinter vorgehaltener Hand Kritik und deutlichen Unmut über den
Trainer. Von Pöbel-Attacken ist da die Rede, von ungerechtfertigten Angriffen
gegenüber einzelnen Spielern und von Psychospielchen, die außer Stewart
offensichtlich niemand im Kader für leistungsfördern hält. Aber da sich kein
Spieler offen zu derartiger Kritik bekennt, ist es nicht auszuschließen, dass
es sich hierbei lediglich um die Retourkutschen einiger Frustrierter handelt.
Aber wie auch immer die Wirklichkeit hinter den Kulissen
aussieht, mit seinen jüngsten Aussagen hat Capla entgegen seiner eigenen
Einschätzung (Zitat: „Wir führen keine Trainer-Diskussion“) die öffentliche
Demontage seines Trainers angezettelt. Der war dem kleinen Geschäftsführer auch
prompt auf den Leim gegangen. 14 Punkte hatte Stewart nach der Länderspiel-Pause öffentlich als
Messlatte für die sechs Spiele bis Ende November verkündet. Zwei Begegnungen
sind gespielt (1:4 in Ingolstadt und 3:1 gegen Krefeld) und damit drei der
insgesamt nur vier erlaubten Fehlpunkte bereits verbraucht. Am Freitag kommt nun Augsburg in die Color
Line Arena, danach folgen Straubing (A), Nürnberg (H) und Berlin (A). Eine
Niederlage in den vier Spielen, und Stewart hinkt wieder einmal hinter einem
selbst formulierten Anspruch hinterher. Schon vor einem Jahr war der 50-jährige
Kanadier mit einem ähnlichen Versprechen derbe auf die Nase gefallen. Diesmal
könnte es ihm endgültig „das Genick brechen“. (jay)