Bill Stewart: „Die dicke Frau hat noch nicht gesungen“
Freezers-Coach Bill Stewart meinte nach der 1:6-Pleite in Spiel 3 im Wellblechpalast seine Spieler bei der Ehre packen zu können, als er von ihnen forderte, sie mögen endlich wie Männer auftreten und die Mädchenstrumpfhosen ausziehen. Und zunächst sah es am Ostermontag in der Color Line Arena auch danach aus, dass die ehrrührige Verbalattacke des Trainers tatsächlich den gewünschten Erfolg zeitigen könnte. Allerdings währte das Aufbäumen der Freezers keine zehn Minuten; mit dem Treffer zur 2:0-Führung der Eisbären durch Tyson Mulock waren alle guten Vorsätze schon wieder dahin und die Dinge nahmen ihren aus Sicht der Hamburger ernüchternden Verlauf. Am Ende war man erneut sang- und klanglos gegen läuferisch deutlich überlegene und taktisch sehr diszipliniert spielende Eisbären untergegangen. Hamburg 1 – Berlin 6, prangte es für jeden sichtbar an der Anzeigetafel der mit weniger als 8000 Zuschauern besetzten Color Line Arena.
Alexander Barta nach Oberschenkelfraktur operiert
Die schwere Verletzung vom Kapitän der Freezers, Alexander Barta, machte beide Teams betroffen. „Er ist ein guter Junge“, sagte sein Trainer Bill Stewart, „und einer der wertvollsten Spieler der Liga, der uns, aber auch der Nationalmannschaft sehr fehlen wird.“ Teamkamerad Christoph Brandner sagte: „Es war ein Schock, als wir gesehen haben was mit Alex passiert ist. Er wird uns fehlen. Wir müssen seinen Verlust jetzt aber so kompensieren, wie die Berliner den von Steve Walker und Denis Pederson.“ Berlins Stefan Ustorf sagte: „Das ist eine Horrorverletzung! Ich habe es von der Bank aus gesehen und bin dann zu ihm hingefahren, um Alex Mut zuzusprechen.“ An dieser Stelle muss das faire Verhalten der Freezers erwähnt werden, die, was heutzutage im Profisport ja leider längst nicht mehr usus ist, nach Sichtung der Bilder sofort und ohne erst anderen Verdacht aufzukommen zu lassen, betonten, dass Bartas Verletzung definitiv nicht die Folge eines Fouls war. Alex Barta wird ersten Prognosen zufolge etwa vier Monate ausfallen.
Freezers ohne Disziplin
Enttäuscht, manch einer auch wütend, stapften die Fans der Freezers mit der Gewissheit von dannen, dass für ihre Mannschaft am Mittwoch nach Spiel 5 in Berlin die Saison 2007/08 wohl beendet sein wird. Und in der Tat, woraus sollten die Hanseaten nach ihren letzten drei Auftritten gegen die Eisbären auch noch Mut und Hoffnung schöpfen? „Unser größtes Problem heute war die fehlende Disziplin“, konstatierte Bill Stewart nach dem wiederholten Desaster. Besonders deutlich wurde das in einem Beispiel kurz vor Schluss des Mittelabschnitts: Eisbär Nathan Robinson kassierte eine Strafe wegen Bandenchecks. Doch anstatt die Möglichkeit, das Drittel in Überzahl zu Ende spielen und das nächste bei solcher beginnen zu können, dankbar anzunehmen, rächte sich Wilford am Berliner und marschierte ebenfalls auf die Strafbank – Vorteil dahin. Geradezu exemplarisch für einige dumme Strafen, mit denen sich die Freezers noch zusätzlich schwächten.
Sauvé oder Pelletier?
Nun ist man in der Hansestadt nach Mitteln auf der Suche, die Viertelfinalserie am Mittwoch mit einem zweiten Sieg im Wellblechpalast doch noch um wenigstens ein weiteres Spiel zu verlängern. Dabei könnte sogar plötzlich der in Ungnade gefallene Goalie Jean-Marc Pelletier eine tragende Rolle übernehmen. Denn im Gegensatz zu seiner Äußerung vom Samstag, als sich Bill Stewart noch schützend vor Philippe Sauvé stellte, bezeichnete er die Leistung seines Favoriten für die Position zwischen den Pfosten als schlecht. „Wir werden uns 24 Stunden Zeit nehmen, um über einen Wechsel des Torhüters nachzudenken“, lautete die überraschende Aussage des Freezers-Coaches. Kollege Don Jackson nahm die Nachricht dieser möglichen Veränderung gelassen zur Kenntnis: „Wenn Pelletier im Tor stehen sollte, ist es für uns nur ein neues Gesicht. Wir werden trotzdem so weiterspielen wie bisher.“ Warum Stewart diesen Wechsel nicht schon früher in Erwägung zog, da nicht erst im letzten Spiel zu sehen war, dass der DEL-Play-off unerfahrene Sauvé seiner Mannschaft nicht helfen kann, bleibt das Geheimnis des Trainers. Berlins Torschütze Constantin Braun gab zu: „Wir haben schon gemerkt, dass ihr Goalie gegen uns nicht seine besten Tage erwischt hatte. Da konnte unsere Marschrichtung nur lauten, immer wieder aufs Tor zu schießen. Und bisher hat das ja auch prima geklappt.“ Der unglücklich agierende Hamburger Keeper weist mit einem Gegentorschnitt von 4,71 und einer Fangquote von lediglich 82 Prozent vernichtende Statistikwerte auf. Ob Pelletier aber ohne Spielpraxis in den letzten Wochen und Monaten ausgerechnet jetzt wird helfen können, muss man abwarten. Zweifel angebracht!
Warten auf "die dicke Frau"
Die Berliner wiegen sich dennoch nicht in verfrühter Sicherheit. Routinier Stefan Ustorf mahnt weiterhin zu Konzentration: „Wir denken noch gar nicht ans Halbfinale. Heute haben wir das dritte Spiel gewonnen, mehr ist nicht passiert. Wir müssen, trotz der deutlichen Erfolge, gegen Hamburg auf der Hut bleiben.“ Die Worte von Freezer Christoph Brandner geben dem Berliner Interimskapitän Recht, der Österreicher will noch nicht ans Ende glauben: „Wir müssen in Berlin jetzt alles versuchen, was geht, um wieder in die Serie zu kommen und sie gar zu drehen! Der Trainer versucht in den Pausen alles, uns in eine erfolgreiche Spur zu bringen. Leider ging es bisher in die Richtung, in die wir nicht wollten.“ Bill Stewart bemühte letztlich auch die berühmte „Fat Lady“, die den letzten Ton ihrer Schlussarie noch nicht von sich gegeben habe. Sein Lächeln zum beliebten Play-off-Spruch bisher Enttäuschter war allerdings ein eher gequältes. (mac/ovk)
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