Bill Lindsay im Interview
Dein erster Monat hier in Köln ist vorüber. Wie fühlst du dich soweit?
Ja, der ist schnell herumgegangen. Es war eine gute
Erfahrung. Ich glaube, so allmählich lebe ich mich ein. Meine Frau
kommt morgen an, was auch noch ein bißchen helfen wird. Die
Übergangsphase ist gerade erst beendet, aber es war ein guter Anfang.
Ich bin sehr gut behandelt worden. Die Jungs waren großartig. Alle
Leute hier waren sehr nett zu mir. Es war besser, als ich erwartet
habe. Ich war sehr froh über die Umstände hier.
Warum hast du es schlechter erwartet?
Man weiß nie, wie die Umstände sein werden. Ich
hatte keine Vorstellung. Ich meine, ich war noch nie in Europa. Das
hier ist ein komplett anderes Ding im Vergleich zu drüben. Man hört
nichts darüber, man spricht nie darüber. Man hört ein bißchen von dem
einen oder anderen, aber dadurch bekommt man nicht wirklich eine Idee
oder ein Gefühl dafür. Bei uns läuft nichts darüber im Fernsehen, man
bekommt nicht wirklich etwas mit. Ich wußte ehrlich gesagt nicht, was
mich erwartet. Aber es war auf jeden Fall gut.
Haben die Jungs es dir leicht gemacht, ins Team zu kommen?
Es hilft, daß ich hier mit anderen älteren Spielern
bin. Da gibt es McLlwain, und ich habe natürlich ein paar Jahre mit
Alex Hicks gespielt. Er ist ein sehr guter Freund von mir. Er ist auch
derjenige, der geholfen hat, mich hier herzuholen. Und Schlegel und
solche Leute. Alle eigentlich. Sie waren alle sehr hilfreich.
Wie kommst du mit den Spielern in Deiner Reihe zurecht, besonders mit Jeremy Adduono, der neben dir aufzublühen scheint?
Bislang war es gut! Jeremy skatet sehr gut. Ich
glaube, ich kann auch ganz gut skaten, also ergänzen wir uns auf dieser
Ebene. Wir hatten meistens Niki Mondt als Center. Er ist zuverlässig
und beständig. Ich glaube, bislang war die Chemie zwischen uns gut. Es
hat einfach viel Spaß gemacht. Ich glaube, das ist die Hauptsache. Wenn
man Spaß während eines Spiels hat, dann kommt der Rest von alleine.
Du hast versucht, so viele Information wie
möglich über Deutschland und die DEL zusammenzutragen, bevor du
herkamst. Mit wem hast du gesprochen und was wurde dir berichtet?
Ich habe mit Andy Delmore gesprochen, der hier
letztes Jahr während des Lockout ein bißchen gespielt hat. Und auch
noch mit ein paar anderen Jungs hier, mit denen ich zuhause in
Nordamerika gespielt habe. Ich habe einfach ein paar von denen gefragt,
wie es hier so ist, und alles, was ich gehört habe, klang sehr gut. Sie
haben hier alle gute Erfahrungen gemacht. Und natürlich Alex, der hier
ist, hat mir gesagt, daß er es liebt. Er hatte einfach Spaß, wieder
Hockey zu spielen. Da waren kaum negative Dinge bei dem, was mir alle
erzählt haben. Ich glaube, das war für mich der ausschlaggebende Grund.
Es schien nicht allzu viele Nachteile zu geben, hierher zu kommen.
Waren das positive Dinge über Deutschland und die DEL im allgemeinen oder über Köln im speziellen?
Hauptsächlich über die DEL im Allgemeinen. Ich kenne
jemanden in Mannheim. Er sagte, daß es ein paar Städte gibt, die man
eher bevorzugen würde als andere. Köln war auf dieser Liste. Also, ich
hatte eine Liste von Jungs, die meinten, das hier sind fünf oder sechs
Teams, die man in Betracht ziehen könnte, wenn man nach Europa geht. Da
gab es definitiv Städte, von denen sie sagten, daß die Situation dort
besser sei als woanders. Ich meine, die Arena hier und die Anlagen, und
das Management wird hier erstklassig geführt, soweit ich das beurteilen
kann. Es ist gut, so eine Umgebung zu haben.
Mußte Alex Hicks dich überreden, hierher zu kommen?
Nein, na ja, die Situation hat sich durch den
Lockout ergeben. Und ich werde älter, also war ich nicht mehr sicher,
ob ich noch in die NHL passe. Ich wollte einfach zurückkommen und es
noch mal versuchen. Also ging ich nach Columbus ins Try-out-Camp. Ich
wußte, daß es hier eine Möglichkeit gab, aber wenn man einmal hier ist,
dann ist das Ende des Wegs bei uns zuhause. Es gibt nicht viele Leute,
die hier herkommen und wieder zurückgehen. In meinem Alter schon gar
nicht. Vielleicht ein paar jüngere Spieler. Aber wenn man erstmal 34
ist und sich entscheidet, hier rüber zu kommen, dann hat man sich
wahrscheinlich für immer aus der NHL verabschiedet. Das war die
schwierigste Entscheidung, die ich fällen mußte. Ich ging ins
Trainingscamp, wurde in die Minors geschickt. Es hätte so sein können,
daß ich zwischen den Minors und der NHL hin- und hergeschickt werde.
Keine Ahnung wie oft. Ich glaube nicht, daß Alex es mir wirklich
verkaufen mußte oder mich überredet hat. Es hat mir einfach bei der
Entscheidungsfindung geholfen. Als ich damit durch war und entschieden
hatte, daß das hier besser für mich sein würde, habe ich mich selbst
überzeugt. Alex hat mir nur davon erzählt, einfach die Fürs und Widers
dargelegt, was gut sein würde und was schlecht sein würde. So was wie,
wenn man einmal gegangen ist, dann wird man vielleicht nicht wieder
zurück in die NHL können. Aber er meinte, man kann hier eine tolle
Karriere haben, wenn man will, also habe ich es so betrachtet.
Was für einen Status hat die DEL in Nordamerika? Weiß überhaupt jemand, daß es sie gibt?
Ja, die Hockspieler. Die Hockeyspieler wissen, was
es hier gibt. Um ehrlich zu sein, man verfolgt es nicht. Da es bei uns
nicht im Fernsehen gezeigt wird, hat man es nicht auf dem Schirm. Ich
meine, ich habe hier Spieler wieder gefunden, von denen ich nicht mal
wußte, daß sie noch spielen. Ich meine Leute, mit denen ich vor zwölf
oder dreizehn Jahren gespielt habe. Und ich dachte: der spielt noch???
Die Spieler wissen, daß es die DEL gibt und daß das eine Möglichkeit
ist. Aber sie wissen nicht, was in der Tabelle passiert oder was Tag
für Tag so vorfällt. Sie wissen halt, daß es bedeutende Ligen in Europa
gibt. Wenn man also rüber gehen will, dann kann man da sehr gutes
Hockey spielen und eine gute Zeit haben. Und es kann natürlich in
gewisser Weise auch erfolgreich sein und auch finanziell gesehen
ziemlich gut. Solche Sachen. Also, diesen Teil kennt man. Aber eben
nicht die täglichen Dinge wie der Tabellenstand oder Spieler oder
Ergebnisse oder solche Sachen.
Wie ist dein Eindruck der Liga bislang?
Gut! Das Niveau ist absolut vergleichbar mit der
American Hockey League bei uns zuhause. Da die American Hockey League
derzeit viele Junge Spieler hat, weil nur fünf Veteranen pro Team
erlaubt sind, sind einige der Top-Reihen bei einigen Teams hier sogar
besser als AHL-Niveau, würde ich sagen.
Einige deiner ehemalige Teamkameraden spielen in
der DEL wie zum Beispiel Trevor Kidd, Jeff Shantz und René Corbet- Wie
war es, die wieder zu sehen?
(lächelt) Ja, ich habe nach dem Spiel gegen
Hannover kurz mit Kidder gesprochen. Shantzy und Corby habe ich in
Mannheim nicht getroffen, weil wir da schnell wieder abgereist sind.
Ich habe versucht, sie zu treffen. Ja, da gibt es einige. Ich meine,
ich habe mit Dwayne Norris gespielt. Ich habe in diesen ersten sieben
Spielen ungefähr fünfzehn Jungs getroffen, mit denen ich schon gespielt
habe. Ich war in vielen Teams. Sogar in Augsburg – ich habe mit Brendan
Yarema in den Minors gespielt. Ich habe auch mit Shawn Heins aus
Hannover gespielt. Und mit Todd Warriner. Und mit Marty Murray habe ich
in Calgary gespielt. Die Liste ist lang. Ich kenne definitiv viele.
Pierre Pagé war mein erster Coach in der NHL. (grinst) Ich habe eine
Menge Verbindungen hier. Es ist immer schön, die Teamkameraden wieder
zu sehen. Wenn man einmal mit Jungs in einem Team war, dann kennt man
sich.
Nach deinem ersten Heimspiel mit Köln hast du
gesagt “Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß beim Hockey”. Was genau
hast du damit gemeint?
Na ja, in erster Linie einfach zu spielen. Es war
hart in den letzten drei oder vier Jahren, so viel zwischen der NHL und
den Minors zu pendeln. Drüben herrscht ein großer Druck. Wenn man in
der NHL gerade mal sechs oder sieben Schichten pro Spiel fährt, macht
es nicht so viel Spaß. In den Minors kommt man zwar öfter zum Einsatz,
aber da geht es immer um den Kampf, wieder rauf in die NHL zu kommen.
Hier ist man einfach in einem Team, es ist entspannt, man bekommt viel
Eiszeit. Ich meine, ich fühle nicht so viel Druck nur auf mir selbst.
Es lastet Druck auf dem Team, zu gewinnen und gut zu spielen, aber es
gibt nicht diesen Druck von außen, um drin zu bleiben. Drüben ist das
ein sehr ermüdender Vorgang. Hier ist es für mich wesentlich
entspannter. Viel ungezwungener, denke ich. Das war es, was ich damals
damit gemeint habe, daß es einfach nur darum ging, ein paar Tore vor
vielen Leuten zu schießen und ein bißchen Spaß zu haben.
Du bist dir aber bewußt, daß die Leute hier Erwartungen an deine Leistung stellen...
Na ja, das merke ich schon. Aber die Erwartungen,
die ich an mich selbst habe, sind größer als die, die Fans oder die
Leute jemals an mich an mich haben könnten. Was das angeht, ist es
okay. Der Druck, dem ich im Laufe meiner NHL-Karriere ausgesetzt war,
übersteigt das bei weitem. Ich meine, das da drüben ist ein
Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft. Meine gesamte Karriere lang stand ich
immer auf der Kippe. Man wird oft getradet. Ich meine, man geht eines
schönen Tages in die Halle und erfährt, daß man heute getradet wird.
Man sagt seiner Frau, wir müssen zusammenpacken, Schatz, wir sind
gerade getradet worden. Solche Sachen sind ermüdend jeden Tag. Hier
weiß ich, daß ich für ein Jahr bleiben werde. Jetzt kann ich einfach
arbeiten und mein Ding machen. Ich hoffe, diese Ruhe holt das Beste aus
mir heraus.
Wie findest du die Atmosphäre in den Hallen hier?
Die Atmosphäre in den Hallen hier ist besser als
zuhause. Garantiert! Ich meine, diese Fans, das ist etwas, was es in
Nordamerika nicht gibt. Diese Leidenschaft, dieser Gesang, diese
Energie das ganze Spiel hindurch. Wenn man zu einem NHL-Spiel geht, ist
es selbst mit 20.000 Zuschauern leise. Man kann das Eis hören. Bis auf
die Tore. Ich meine, sie haben diese Sachen auf der Anzeigetafel, um
die Fans ein bißchen in Schwung zu bringen, aber es ist nicht so, wie
die Atmosphäre hier. Es macht mir auf jeden Fall mehr Spaß, hier zu
spielen. Das ist aufregend! (grinst) Auswärts ist es aufregend, wenn
sie einen hassen und schreien. Ich mag das! Das bringt Spaß ins Spiel.
Du hast sowohl in der Kölnarena als auch in den
kleineren Hallen wie Kassel oder Duisburg gespielt. Ist es merkwürdig
für dich, innerhalb derselben Liga in so unterschiedlichen Hallen zu
spielen?
Das ist einfach anders. Es gibt solche Hallen wie in
der NHL, und solche wie in den Minors. In den Minors sind die Hallen
alle für 5.000 Zuschauer. So ziemlich quer durch die Bank. Da ist also
einheitlich. Es ist ein bißchen anders. Aber weißt Du, was das gute an
einer Halle mit 5.000 Plätzen ist? Sie ist voll! Eine 5.000er-Halle ist
voll und laut und verrückt. Ich spiele lieber vor 5.000 Leuten in einer
5.000er-Halle als vor 10.000 Leuten in einer 20.000er-Halle, weil es
mehr Spaß macht, laut ist und jeder ist mittendrin. Ich meine, wir
haben gute Zuschauerzahlen hier. Die Halle ist zum größten Teil voll,
was für eine große Halle gut ist. Das hilft und macht viel Spaß.
Du hast in einem früheren Interview gesagt, daß
die Schiedsrichter und die größere Eisfläche die größten Umstellungen
für dich werden. Wie kommst du inzwischen mit beidem zurecht?
Ich gewöhne mich allmählich an die Schiedsrichter.
Ich meine, ich war im Trainingscamp. Die Regeln in der NHL sind wie
Nacht und Tag im Vergleich zu früher. Die NHL hat ihr Gesicht total
geändert. Das Trainingscamp verglichen mit hier, wo man sich wieder an
Haken und so weiter gewöhnen muß, ist schon ein Unterschied. Ich meine,
ich habe bis jetzt sieben Spiele hier gespielt. Das ist so, wie es
früher immer bei uns zuhause war. Ich gewöhne mich daran und weiß, daß
ich nichts zu den Schiedsrichtern sagen soll. Das wurde mir gesagt. Ich
geh einfach auf die Strafbank und akzeptiere es. Das wird ganz einfach
für mich. Ich werde nicht mal irgendetwas in Frage stellen. Was auch
immer passiert, geh einfach auf die Strafbank und mach dein Ding.
(grinst) Weißt Du, was ich meine? Wenn ich mich zu sehr hineinsteigere
oder zu sehr verwickelt werde, wäre das reine Zeitverschwendung für
mich.
Und die größere Eisfläche, ja, es ist halt ein anderes
Spiel. Das Stellungsspiel und so weiter. Auf einer kleineren Eisfläche
passiert alles viel schneller. Hier passiert viel mehr bei einem
Angriff. Zuhause ist viel mehr Druck im Angriffdrittel, weil es eben
kleiner ist. Man kann Teams ein bißchen einschnüren. Aber hier ist der
Weg von einer Ecke zur anderen in der Angriffszone sehr weit. Also
entwickelt sich der Druck eher aus dem Stellungsspiel. Aber bis auf das
ist alles gut, finde ich. Die Schiedsrichter waren sogar akzeptabel,
soweit ich das beurteilen kann.
In Nordamerika sagt man über dich, „er bleibt
nach dem Pfiff noch auf dem Eis, auf der Suche nach irgendeinem Gegner
für einen kleinen Nachschlag“. Daraus resultierend hast du eine ganz
anständige Fighting-Major-Akte – die du hier nicht fortsetzen können
wirst. Hast du schon einen Zettel an deinen Badezimmerspiegel geklebt,
auf dem steht „Niemals die Handschuhe ausziehen“?
(lacht) Ja, das wurde mir gesagt. Ich weiß,
daß es eine Spieldauer dafür gibt. Für mich ist ein Faustkampf der
einzige Weg, Aggressionen loszuwerden – Ich meine, es würde in der Liga
sehr helfen. Es würde eine Menge Probleme lösen. Ich meine, Spieler
halten und haken. Spieler nehmen sich Freiheiten heraus. Selbst ein
Spieler wie ich kann sich Freiheiten erlauben. Haken und halten und
schubsen. Niemand kann etwas dagegen machen. Also werde ich das
akzeptieren und begreifen, aber auf der anderen Seite löst es bei uns
zuhause eine Menge Probleme. Kämpfen dient einem Zweck. Aber so ist es
eben. Wie du schon sagtest, ich muß mir einen Zettel aufhängen. Ich
will Hockey spielen. Ich will nicht gesperrt werden.
Ist es schwer für dich, diese Gewohnheit abzulegen?
Ja, ich meine, man will kämpfen! Wenn man sauer
wird, ist es eine Erleichterung. Wenn jemand hinter mir her ist und
sich Freiheiten herausnimmt wie haken und halten und schlagen, dann
hatte ich zuhause eine Möglichkeit, darauf zu antworten. Jetzt hier,
was kann ich schon machen? Hier kann jemand haken und schlagen und
haken und haken und schlagen und schubsen. Und man kann nichts dagegen
tun, also muß ich das akzeptieren und damit fertigwerden. Wie gesagt,
zuhause würde man gegen so jemanden kämpfen. Diese Geschichte ist ein
bißchen ärgerlich. Ich habe mit Hicksy gesprochen. Er ist genauso wie
ich. Wir waren schon immer der gleiche Spielertyp. Arbeiter und
Kämpfer. Er hat viel davon mit mir durchgesprochen.
Hatten deine Teamkameraden noch andere Ratschläge bezüglich der Schiedsrichter?
Sie haben nur gesagt, daß es verrückt wird. Sie
meinten, grundsätzlich sei der beste Ratschlag, sich nicht darüber zu
ärgern, weil man die merkwürdigsten Dinge erlebt und an vielen Abenden
nicht weiß, was einen erwartet. Und sie meinten, daß es ein ziemliches
Missverhältnis in den Schiedsrichterentscheidungen zwischen Heim- und
Auswärtsspielen gibt. Man hat in Kassel gesehen, wie hart sie zu dem
Schiedsrichter waren. Der Mann hat einen echt guten Job gemacht, fand
ich. Die Fans dort haben ihm im Nacken gesessen. Man weiß, daß dieser
Einfluß Entscheidungen in eine andere Richtung lenken kann. Na ja, aber
sie haben gesagt, spiel einfach. Ich versuche, mich damit gar nicht zu
beschäftigen. Ich kümmere mich nur um das, was ich zu tun habe. Wenn
man erst anfängt, sich aufzuregen oder den Schiedsrichter anzuschreien
– das ist eine Schlacht, die man nicht gewinnen kann.
Wie wohl fühlst du dich mit dem System, was hier in Köln gespielt wird?
Ich habe es vorher noch nie gespielt, aber mit dem
größeren Eis macht es eine Menge Sinn. Ich habe mit den Jungs darüber
gesprochen. Es geht in erster Linie um Geduld und darum, auf Konter zu
lauern. Ich habe mit Dave McLlwain darüber geredet, und er meinte:
Weißt du, es ist wirklich lustig, es dauert ein bißchen, aber je öfter
man es spielt, umso mehr Sinn macht es. Offensichtlich funktioniert es
für uns. Man muß halt in jedem Spiel auf seine Chancen warten und
einfach solides Defensiv-Hockey spielen. Auf dem größeren Eis scheint
das halt der einfachere Weg zu sein, weil die Fläche zu groß ist, um
Druck zu machen. Zuhause kann man den Druck aufrechterhalten, durch die
Mitte nach hinten sichern und Spielfläche einengen. Da ist nicht so
viel Platz. Hier würde man nur viel Energie verschwenden, wenn man
versucht zu viel zu machen. Also macht es Sinn, Energie zu sparen und
auf Chancen zu warten.
Wie kommst du mit Trainer Hans Zach zurecht?
Ja, Hans war bis jetzt klasse zu mir. Ich meine, in
800 NHL-Spielen hatte ich jede Menge Coaches. Ich habe eins gelernt,
was auch immer ein Coach will, man geht einfach da raus und macht, was
sie sagen. Sie sind der Chef. Ich hatte nie Probleme mit Trainern. Was
auch immer man von ihnen hält, das ist nicht meine Sache. Meine Sache
ist, da raus zu gehen und zu spielen. Er war bislang nett zu mir, er
war fair. Er sagt mir, was ich machen soll. Ich höre zu, spiele das
System und setzte meine Fähigkeiten ein. Ich glaube, wenn ich das
weiterhin tue, dann ist mit Hans alles gut. Und er ist ehrlich, er ist
geradeaus, und er sagt einem, was Sache ist. Dafür muß man jemanden
respektieren.
Andere DEL-Teams waren auch an dir interessiert. Welche anderen Teams standen noch auf deiner Liste?
Niemand so wirklich. Das hier hätte es werden
sollen. Ich habe wirklich nicht mit vielen verhandelt. Ich meine,
Hicksy ist ein guter Freund. Er ist wohl der beste Freund, den ich hier
habe, also hatte das großen Einfluß. Mit Pierre Pagé in Berlin und so,
der mein erster Coach in der NHL war, hätte es die Option vielleicht
auch gegeben, aber nachdem ich mit Alex gesprochen hatte, war klar,
wenn ich nach rüber komme, ist das hier wirklich meine einzige Option.
Wenn es nicht richtig für mich gewesen wäre oder kein Spaß oder nicht
die richtigen Umstände, dann hätte ich es nicht gemacht. Da Hicksy mein
Freund ist, der mir erklärt hat, daß es hier gute Jungs und gute
Anlagen gibt, war das hier schon die einzige Option, die ich wollte.
Ich bin froh, daß es funktioniert hat.
Hast du mit Alex damals in Florida in einer Reihe gespielt?
Manchmal haben wir zusammen gespielt, ja. Wir hatten
die gleiche Rolle dort. Wir haben das gleiche gespielt. Wir haben uns
einfach verstanden, haben viel Zeit miteinander verbracht. Wir haben
einfach gut zusammen gepaßt. Er ist ein großartiger Typ.
Alex hat schon gesagt, daß er sich sehr darauf freut, wieder mit dir zu spielen. Freust du dich auch darauf?
Ja! Mit einem Freund zusammen zu spielen wird
großartig! Ich bin dankbar für alles, was er getan hat, wie er mit der
Situation umgegangen ist, mir geholfen hat, hier herzukommen und alles.
Ein Teil des Drucks, den ich fühle, ist, daß ich für ihn gut spielen
möchte. Also freu ich mich echt drauf, endlich mit ihm loszulegen.
Wie würdest du dich selbst als Spieler beschreiben?
Na ja, ich strebe nach Beständigkeit. Mein Name
steht möglicherweise nicht jeden Abend unter den Scorern auf dem
Spielberichtsbogen, aber wenn ich in die Halle komme, werde ich immer
alles geben, was ich hab. Und hoffentlich gelingt mir das beständig von
Spiel zu Spiel. Ob ich nun Tore mache oder nicht, ich werde mit kleinen
Dingen helfen. Ich glaube, das hat mir meine Karriere in der NHL
möglich gemacht. Das ist es, was ich an jedem Spieltag machen will.
Vielleicht spiele ich hier mehr und kann ein paar Tore mehr erzielen,
aber über die Jahre habe ich andere Teile des Spiels gelernt, das
Checken und in der Defensive sehr sicher und verantwortungsvoll zu
sein. Um drüben spielen zu können mußte ich alle möglichen
unterschiedlichen Sachen lernen, aber ich glaube, hier wird es um
Beständigkeit gehen und darum, jeden Abend mein bestes zu geben. Das
ist der Druck, den ich mir selbst auferlege. Ich für meinen Teil weiß,
daß die Resultate mit der Vorbereitung kommen werden. Wenn also meine
Vorbereitung und meine Einstellung zur Arbeit im Training weiterhin gut
sind, wird sich das in den Spielen fortsetzen. Vielleicht mache ich in
einem Spiel mal keine Punkte, wie zum Beispiel als ich gerade ankam und
zwei, drei Spiele lang zu kämpfen hatte und keine Punkte dabei
herauskamen, aber wenn ich so weitermache wie im letzten Spiel – daran
glaube ich – wird es Abende gegen, wo es läuft. Vielleicht an manchen
Abenden auch nicht. Ich muß einfach nur versuchen, mich nicht davon
zermürben zu lassen, jeden Abend dasselbe zu tun.
Scott Tinkler (Equipment Trainer der Florida
Panthers) sagte über Dich: “Bei Bill ging es immer um sein Herz. Sein
Herz machte ihn zu einem erfolgreichen Spieler. Er ist ein Krieger –
kein Zweifel.“ Hat er Recht damit?
(grinst) Ja, das hoffe ich doch. Scott, er
ist einer meiner besten Freunde. Ich meine, das ist das Spiel! Das ist
die Leidenschaft, die einen als Sportler antreibt. Es geht um deine
Teamkameraden und das Herz und das Spiel. Ich war mit Sicherheit nicht
der beste Spieler im Rennen, der es geschafft hat. Man kann mich mit
jemandem wie Alex vergleichen. Es gibt jede Menge Jungs da draußen, die
wesentlich talentierter sind, die es nie geschafft haben, nie ein
einziges Spiel gemacht haben. Also mußten wir lernen, Dinge zu tun, die
andere nicht machen wollten, um erfolgreich zu sein. Das ist der Punkt,
wo Arbeitsmoral und Herz und solche Dinge ins Spiel kommen. Das war es,
was mich angetrieben hat, es in die NHL zu schaffen. Das ist etwas,
wovon ich hoffe, daß ich es immer behalten werde, und als älterer
Spieler ist es das, was ich an die jüngeren weitergeben möchte. Wenn
man es schaffen will, dann gibt es 1000 Wege es zu schaffen.
Beim Thema Herz und Team fällt einem etwas ein,
was du einmal über Pavel Bure gesagt hast. Dir ging es darum, daß Pavel
sich nicht so als Teammitglied eingebracht hat, wie er es mit seinen
Fähigkeiten gekonnt hätte.
Ja, ja, ja, wir sind hart miteinander ins Gericht
gegangen. Das war eine harsche Sache, und ich mußte dafür eine Menge
Prügel einstecken. Tja, Pavel und ich. Für jemanden wie mich war es ein
bißchen vorlaut, gegen einen 50-Millionen-Dollar-Spieler – oder wie
hoch auch immer sein Vertrag für fünf Jahre war – kein Blatt vor den
Munde zu nehmen. Aber das passierte aus einer Situation heraus, der
Mann ist besser als das. Er ist einer der begnadetsten Spieler, mit
denen ich jemals gespielt habe. In den letzten zwanzig Jahren gab es
vielleicht zehn oder fünfzehn Spieler, die dermaßen begnadet waren.
Wenn man sich die Resultate ansieht, die wir eingefahren haben, und die
Bemühungen dazu – ich hatte mehr von ihm erwartet und ich glaube, er
hätte mehr von sich selbst erwarten sollen. Das kann ich nur sagen,
wenn ich das selbst tue. Vielleicht bedaure ich ein bißchen was von
dem, was ich gesagt habe. Aber so habe ich es in dem Moment empfunden.
Manchmal hat man eben das Herz auf der Zunge.
Dean Lombardi (General Manager der San Jose
Sharks) sagte: "Spieler wie Bill Lindsay bringen unbezahlbare Werte in
ein Team, die man unbedingt braucht. Er wird in der Kabine respektiert,
und er weiß, wie man Playoff-Hockey spielt.“
Ist es das, was wir von dir erwarten können, besonders wenn Playoff-Zeit ist?
Darüber habe ich mich mit Alex unterhalten. Ich
glaube, man braucht Spieler, die sich steigern können. Das ist die
Zeit, wenn Hockey richtig Spaß macht. Das ist die Zeit, wenn es mir
besonders Spaß macht. (grinst) Das ist die Zeit, wenn ich
üblicherweise mein bestes Hockey spiele. Ich glaube, das gilt für viele
Spieler. Dann sieht man viele Spieler ihr bestes Hockey spielen. Dann
ist es nicht mehr die tägliche Schinderei, nicht die normale Saison.
Dann heißt es, alles oder nichts. Man spielt im selben Team, aber die
Wettbewerbsfähigkeit steigt.
Wie würdest du die Rolle in den NHL-Teams beschreiben, für die du gespielt hast?
Na ja, es gab eine Zeit, da war ich offensiv ganz
ordentlich. Aber ich mußte defensiv immer sehr sicher sein. Ich mußte
checken, ich mußte kämpfen, ich mußte sicher gehen, Treffer zu landen,
physisch zu spielen, vor dem eigenen Tor gut sein und Unterzahlspiel.
Ich habe viel Unterzahl gespielt. Am Toreschießen habe ich immer
gearbeitet. Wenn ich darin besser wurde, war das ein Zusatz. Die
anderen Dinge waren Grundvoraussetzung. Man mußte jeden Abend physisch
auf mich zählen können. Was das Offensiv-Spiel angeht, was auch immer
ich da holen konnte, war ein Zusatz.
Du bist ein ziemlich beeindruckender Skater. Es
macht Spaß, Dir beim Kontern zuzusehen. Aber du sagst, daß du den
Abschluß lieber jemand anderem überläßt. Warum das?
Ja, ja, ja, wenn man ständig gegen NHL-Goalies
spielt? Das ist schwer. Die Konter, ich meine, ich hatte ein paar in
der NHL. Hier und da ist mal die Gelegenheit. Ich habe auch in der NHL
ab und zu getroffen. Aber ein drop pass, wenn der Goalie in der
Rückwärtsbewegung ist, ist eine viel bessere Option, als nur ich
alleine. Vielleicht mache ich hier ein paar Tore mehr, aber wenn man
ständig gegen die besten Goalies der Welt spielt – mit meinen
Fähigkeiten? Das ist schwer! (lacht) Das ist schwer, dann Tore zu
machen!
Du warst sieben Jahre bei den Florida Panthers. Scheint so, als würdest du diesen Club mögen. Was bedeutet dir dieses Team?
Naja, die Leute da unten machen es aus. Roger
Neilson war mein erster Coach da. Der beste Coach, mit dem ich je
gearbeitet habe. Er hat mir alles beigebracht. Er hat mir beigebracht,
ein Hockey-Profi zu sein. Und wir waren das erfolgreichste neue Team.
Das Team, das es am schnellsten ins Stanley Cup Finale geschafft hat.
Darum fühle ich mich mit diesem Team noch verbunden.
Die Panthers standen 1995/96 im Stanley Cup Finale. Wie hart war es, in vier Spielen gegen die Avalanche zu verlieren?
Ich meine, niemand hat uns die Playoffs zugetraut,
die wir in dem Jahr gespielt haben. Jeder dachte, wir würden in der
ersten Runde rausfliegen. Aber dann haben wir die Bruins geschlagen.
Und dann die Flyers. Die hatten Lindros und LeClair und Brind’Amour.
Und danach haben wir Pittsburgh geschlagen. Die hatten Lemieux, Jagr,
Francis, Nedved. Im Finale vier Spiele hintereinander zu verlieren, war
hart, aber Colorado hat den Cup in dem Jahr verdient. Sie hatten so
viel Tiefe im Kader.
Am 3. Januar 2004 kamst du in einem Spiel gegen die Montreal Canadiens beinahe ums Leben. Wie ist das passiert?
Ich wurde von einem Puck am Hals getroffen. Mein
Kehlkopf war gebrochen. Zuerst dachten sie, er wäre zertrümmert. Mein
Herz hatte aufgehört zu schlagen, also mußten sie mich wieder beleben.
Sie mußten einen Luftröhrenschnitt machen. Dann haben sie mich ziemlich
schnell ins Krankenhaus gebracht. Letztendlich war es dann nicht so
schlimm. Ich konnte reden, also konnte ich meine Frau und meine Familie
anrufen, um ihnen zu sagen, was los war. Ich denke nicht mehr viel
daran.
Wie enttäuscht bist du, daß du nicht mehr in der NHL spielst? Bist du verbittert darüber?
Bitterkeit hilft niemandem. Wenn man nur
zurückschaut und verbittert ist, dann hat man verloren. Man muß hier
und jetzt leben. Ich wußte, daß ich diesen Punkt eines Tages erreiche.
Es gibt keinen Grund, verbittert zu sein.
Columbus hat dich ins Farmteam nach Syracuse
geschickt. Hast du da gekündigt, um nach Köln zu kommen, oder wurdest
du aus dem Vertrag entlassen, so daß sich die Möglichkeit auftat, nach
Europa zu gehen?
Wenn ich in den Minors geblieben wäre, hätten sie
mich vielleicht ein paar Mal hoch in die NHL gerufen, aber man weiß
nicht wie oft. Und man hätte in Syracuse in einem Hotel gelebt und in
Columbus in einem Hotel gelebt, wäre vielleicht wieder getradet worden.
Hier habe ich ein Zuhause. Einen Platz zum leben. (grinst) Und man kann
ein eigenes Auto haben! Außerdem mußte man sonst nur die Waiver
überstehen, wenn man von der NHL in die Minors geht. Jetzt muß man auch
durch die Waiver, wenn man von den Minors in die NHL wechselt, wenn man
mehr als 75.000 Dollar verdient. Finanziell ist es hier auch besser.
Also war Köln für mich die erste Wahl noch vor Syracuse.
Du bist in Kanada geboren, besitzt aber auch einen US-Pass. Siehst du dich eher als Kanadier oder als US-Amerikaner?
Nunja, das ist schwer zu sagen. Meine Familie ist
US-amerikanisch. Aber ich wurde in Kanada geboren, als denke ich, daß
dort meine Wurzeln liegen. Aber ich erinnere mich an die Olympischen
Spiele, als ich an einem Abend Team Kanada angefeuert habe, und an
einem anderen Abend Team USA. Ich glaube, ich bin ein bißchen verwirrt
in diesem Punkt.
Du machst Sprint-Triathlons im Sommer. Wann und warum hast du damit angefangen?
Scott Tinkler hat mich da reingebracht. Er liebt den
Wettbewerb. Ich habe bislang vier oder fünf gemacht. Es ist ein
großartiges Training und nicht schmerzhaft. (grinst) Na ja, ein bißchen schmerzhaft, aber nicht so schmerzhaft wie Hockey.
Betrachtest du deinen Aufenthalt hier als einen
Ein-Jahres-Ausflug oder kannst du dir vorstellen, länger in Deutschland
zu bleiben?
Na ja, ich fange gerade an, mich einzuleben, also
ist es noch ein bißchen früh, das zu beantworten. Aber ich glaube, ich
spiele mindestens bis ich 35 bin. Und wenn, dann würde ich das gerne
hier in Köln tun.
Interview: Henrike Wöbking www.haimspiel.de
Foto: Sport-Press