Berliner Eisbären wollen verkorkste Saison vergessen lassen
‚Nach jedem sportlichen Tief’, so steht im gerade erschienenen neuen Saisonguide der Eisbären zu lesen, ‚geht es wieder bergauf’. Ein Satz, der für den gestürzten Champion der Jahre 2005 und 2006 alles andere als nur eine dahin gesagte Phrase darstellt. Er birgt für die Hauptstädter vor allem die Hoffnung, möglichst bald wieder dorthin zu gelangen, wo man nicht nur in den beiden Meisterjahren war: an die Spitze! Eisbärenfan Ingolf Beukert hat es dem Team um den neuen Eisbären-Chefcoach Don Jackson vorgemacht: Im Sommer bezwang er gemeinsam mit seinen Kletterfreunden den 6153 Meter hohen Stok Kangri im Westhimalaya (Foto).
Das Ende der mit nahezu stetem Erfolg verbundenen Ära Pagé war kein schönes, schon gar kein harmonisches. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass Manager Peter John Lee allen anderen das Ziel voran stellt, „dass wir wieder Geschlossenheit zeigen und in allen Situationen als Team auftreten“. Es hieß zuletzt aus den Reihen der Spieler, aber auch der Trainerriege, dass in der Saisonvorbereitung der Spaß am Hockey in die Mannschaft zurückgekehrt sei. Wohl einer der ersten Verdienste des Don Jackson, der vermehrt spielerische und wettbewerbsorientierte Trainingsformen einbrachte, die offensichtlich genau den Nerv seiner Spieler trafen. Es liegt zudem nahe zu vermuten, dass es gerade nach der verkorksten letzten Saison ein großer Vorteil Don Jacksons gegenüber seinem Vorgänger ist, dass er eine langjährige und zudem mit zwei Stanley Cup-Siegen äußerst erfolgreiche Profikarriere vorweisen kann. Das bringt ihm zum einen sicher den Respekt der Spieler und zum anderen aus eigener Erfahrung das Wissen, wann sein spielendes Personal wie tickt, welcher Ton anzuschlagen ist und welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Da der Spielerkader im Kern erhalten blieb, besteht für die meisten in der Vorsaison Gescheiterten die Gelegenheit, diese Scharte unter neuen Bedingungen wieder auszuwetzen.
Don Jackson zog auf der Pressekonferenz zum Saisonstart am gestrigen Mittwoch eine positive Bilanz aus der Vorbereitung. „Es ging darum, die Spieler auf Herz und Nieren zu prüfen, ihren Fitnessstand und Einstellung in den unterschiedlichsten Situationen zu testen. Ich habe viel Gutes gesehen, aber auch einiges, das es weiter gilt zu verbessern“. Heraus hob der Trainer die jungen Cracks Constantin Braun, Alexander Weiß und Elia Ostwald, die durch konstant gute Leistungen zu überzeugen wussten. Der gebürtige Weißwasseraner Ostwald hatte sich zudem der Herausforderung zu stellen, sich plötzlich auf der Verteidigerposition zurecht zu finden. Diese Aufgabe erfüllte der gelernte Stürmer zur Zufriedenheit Jacksons und wird daher zu den Top 7-Verteidigern der Eisbären gehören. Inwieweit diese Lösung langfristigen Charakter trägt, bleibt jedoch abzuwarten. Hilfreich war bei Ostwalds Umschulung wohl auch, dass Jackson seinen jungen Defendern jeweils einen der alten Garde zur Seite stellte. Ein Konzept, das bei Jacksons erstem Berlin Aufenthalt schon einmal aufging und Frank Hördler, der bei den Hauptstädtern inzwischen zum Stammpersonal zählt, sogar auf den Weg zum Nationalspieler brachte.
Die fast allgemeine Skepsis der Berliner Pressevertreter bezüglich des Torhüter-Duos Youri Ziffzer und Rob Zepp mag der Coach zum aktuellen Zeitpunkt nicht teilen. Wie die „alten Spieler-Hasen“ Steve Walker, Mark Beaufait und Stefan Ustorf habe auch das Goalie-Gespann in der Vorbereitung überzeugt. Die Entscheidung, welchen der beiden Goalies er für das erste Saisonspiel am Sonntag in Mannheim in die Startformation berufen wird, habe Jackson daher noch nicht getroffen. „Der Kampf um die Nr. 1 bleibt vorläufig offen“, gab der Trainer untermauernd an. Gefragt nach den Saisonzielen, antwortete Jackson: „Jeder muss wissen, dass man sich die Chance auf einen erfolgreichen Abschluss jeden Tag neu erarbeiten muss, im Spiel wie im Training. Letzten Endes bestimmen Stärken und Schwächen meiner Spieler Strategie und Taktik. Grundsätzlich will ich am offensiven Stil festhalten“. Dass je nach Gegner auch die kämpferische, zerstörerische Komponente bedient werden kann, war am Dienstag im gewonnenen Testspiel gegen Sparta Prag durchaus zu erkennen. - Zu baldigen Verstärkungen sieht Jackson momentan keine Veranlassung: „Dank unseres Nachwuchsprogrammes haben wir viele junge, entwicklungsfähige Spieler, die mich hoffentlich vor jedem Spieltag vor schwierige Entscheidungen stellen. Von daher kann man an diese Frage gelassen heran gehen“. Besagte Gelassenheit beruht mit Sicherheit aber auch auf der Gewissheit, noch drei Ausländerlizenzen vergeben zu können. Bleibt für den Bedarfsfall nur zu hoffen, dass Manager Peter John Lee die Spieler findet, die den Kader dann auch tatsächlich aufwerten. Die Personalie Jeff Jillson blieb trotz langer Sommerpause allseits in unguter Erinnerung.
Fakt ist alle Mal, es wird kein leichtes Jahr für die Eisbären. Verloren gegangene Reputation beim äußerst kritischen Hauptstadtpublikum gilt es zurückzuerobern, gar neue Zuschauerschichten sind zu erschließen. Vor dem Hintergrund des im nächsten Jahr anstehenden Umzugs in die bei Eishockeyspielen 14.000 Zuschauer fassenden O2 World, sind Negativschlagzeilen wie in der Vorsaison unerwünscht, um nicht zu sagen verboten. Da tut es gut, verlässliche Partner an seiner Seite zu wissen: Die GASAG, Hauptsponsor der Eisbären seit bereits rekordverdächtigen dreizehn Jahren, verlängerte ihr Engagement vorzeitig um drei weitere. Der Hinweis, dass das Vertragswerk auch einige leistungsbezogene Elemente beinhalte, kam prompt.
(Matthias Eckart / Oliver Koch)