Aus der Ferne betrachtet - Meisterdämmerung?
Was ist denn in der DEL bloß
los? Zwei Wochen gespielt und schon sind alle Wahrheiten der Experten dahin? Natürlich weiß ich auch, dass es letztlich völlig egal ist, ob eine
Mannschaft nach vier Spielen 1 oder 11 Punkte hat, aber wer hätte gedacht, dass
Mannheim gegen Wolfsburg in der SAP-Arena nur einen Punkt holt und dieser auch
noch der erste in der Saison sein würde?
Jetzt werden sie in Mannheim
also auch die Sprüche aus der Mottenkiste holen, von wegen: „Die Saison ist
noch lang,“ „Meister wird man in den Play-Offs und nicht im September,“ „Die
Mannschaft hat soviel Potential, da werden die Siege noch zwangsläufig kommen.“
Neu ist das alles nicht, wir kennen das vom Meistervorgänger der Adler. Der Ausgang
der letzten Eisbären-Saison kann den Adlern allerdings wenig Hoffnung bereiten.
Da glaubte man bis in den Januar hinein, dass es schon irgendwie klappen würde
mit den Play-Offs und dann könnte ja eh alles noch gut werden. Und am Ende
saßen die Eisbärenfans vor den Fernsehern, als es anderswo um die Meisterschaft
ging.
Aus der Ferne beschleicht
mich das Gefühl, dass es in Mannheim irgendein Problem in der Mannschaft geben
muss. Die spielt fast unverändert zur vergangenen Saison, den Abgang von Pelletier
und Robinson hat man auf dem Papier durchaus kompensieren können. Trotzdem muss
irgendwas passiert sein, wenn man Augenzeugenberichte liest, die von geradezu
erschreckend schlechter Spielweise und wenig Teamgeist und scheinbar
unmotivierten Spielern berichten. Fühlte man sich dort im Umfeld und in der
Mannschaft zu sicher? War die Tatsache, dass die Adler eindeutiger
Meisterschaftsfavorit waren (oder sind?) eher schädlich als der Leistung
förderlich? Hat der Trainer keine Möglichkeiten gefunden, der Mannschaft
klarzumachen, dass die Saison kein Selbstläufer wird?
Die Frage ist letztlich, wie
lange es die Verantwortlichen in Mannheim schaffen, die Ruhe zu bewahren. Ich
bin mir sicher, dass ganz weit hinten im Kopf von Marcus Kuhl schon ein Plan
versteckt ist, wie es gelingen könnte, Greg Poss loszuwerden und dabei
gleichzeitig den eigenen Posten zu sichern. Doch wann ist der richtige
Zeitpunkt dafür? Im September oder Oktober den Trainer auszuwechseln, könnte
als blanke Panik verstanden werden, im Januar oder Februar könnte es allerdings
bereits zu spät sein. Zeigt sich in dieser krisenhaften Situation, dass doch
die Spötter im Recht waren, die in der vergangenen Saison schon anmerkten, dass
die Adler nicht wegen des Trainers Poss Meister geworden sind, sondern einfach
ein so gutes Team hatten, dass nicht einmal Poss den Erfolg verhindern konnte?
Das grandiose Scheitern des Greg Poss sowohl in Nürnberg, als auch mit der
Nationalmannschaft ist bei vielen Eishockeyfans in Deutschland noch in grausig
schauriger Erinnerung. Und Marcus Kuhl hat schließlich noch jeden Trainer in
Mannheim überlebt, wie sehr er ihn vorher auch in höchsten Tönen gelobt hatte.
Das Publikum scheint mit der
Abstimmung mit den Füßen schon begonnen zu haben. 9236 Zuschauer wollten das
Spiel gegen Wolfsburg sehen, wovon ca. 6000 in Besitz einer Dauerkarte sind.
Innerhalb einer Woche haben die Adler also schon knapp 3000 Zuschauer
vergrault, die das Spiel gegen die Eisbären am Sonntag zuvor noch sehen
wollten.
Schon morgen haben die Adler
die nächste Chance, die Wende zu schaffen und den sprichwörtlichen Knoten zum
Platzen zu bringen. Hannover kommt zum Pokalspiel in die SAP-Arena. Mit mehr
Zuschauern ist da definitiv nicht zu rechnen und Hannover hat bisher in dieser
Saison auswärts noch nicht verloren. Besonders pikant: Am Freitag gibt es
dasselbe Duell noch mal an selber Stelle um DEL-Punkte.
Und ich lege mich mal frech
fest: Gewinnt das Team von Hans Zach beide Spiele, hat sich die Ära Poss in
Mannheim noch vor Oktober erledigt.
Für Marcus Kuhl könnte bei
der Entscheidungsfindung mein alter Freund Konfuzius, dessen Tempel ich ab und
zu besuche, helfen. Er wusste schon lange bevor es Eishockeytrainer gab „Kein
Amt zu haben ist nicht schlimm. Aber schlimm ist es, keine Fähigkeiten für ein
Amt zu haben, das man innehat.“
Es
grüßt aus der Heimat des Konfuzius
Torsten Weidemann
Torsten Weidemann wohnt in
China und wird in dieser Saison aller Voraussicht nach nicht ein Spiel derschönsten Sportart der Welt in der DEL sehen. Er ist nur über das Internet dabei
und beobachtet und kommentiert das Geschehen aus der Ferne.