Andreas Renz: Dein härtester Gegner bist du selbst!Der Ex-Nationalspieler veröffentlicht ein schonungsloses Buch.

Ich durfte sein Werk vorab lesen. Und ziehe meinen Hut davor wie dieser Mann seine Seele öffnet. Gnadenlos wie einst auf dem Eis, wo er von den Fans ob seiner kompromisslosen Spielweise gefeiert wurde. Zumindest von den Anhängern des eigenen Teams. Ich erlebte ihn oft, als Reporter der Eisbären, einem Erzrivalen der Haie. Ja, auch ich tobte auf der Tribüne, wenn er mal wieder einen Gegner in die Bande rammte. Motto: Bodychecks, bis die Scheibe splittert. Gegen diesen Mann fühlten sich die Rivalen wie Crash-Test-Dummies.
Doch abseits des Eises war Renz ein anderer Mensch. Im Inneren plagten ihn Zweifel und Ängste. Er suchte nach Gründen, änderte sein Leben. Und teilt dieses jetzt mit der Öffentlichkeit. Ein mutiger Schritt. Vor dem ich meinen Hut ziehe. Die Gnadenlos-Fassade zerbröselt zu Staub. Der Leser erlebt einen sensiblen, nachdenklichen, zerbrechlichen Mann. Schonungslose Ehrlichkeit, die auch anderen im Kampf gegen die eigenen Dämonen helfen kann. Ein echter Leitfaden zur Selbstfindung. Wie ich finde.
Das expressive Schreiben, auch therapeutisches Schreiben genannt, dient dazu, emotionalen Ballast zu verarbeiten und mentale Hygiene zu betreiben. Es ist quasi ein Zahnarztbesuch fürs Gehirn: nicht immer angenehm, aber am Ende ist man froh, sich drum gekümmert zu haben. Auch ich tue das immer wieder. Schreibe. Zu viel. Zu lang. Du verlierst so die Leser. Sagen manche. Mag sein. Doch die Texte sind auch ein Prozess der Reinigung des eigenen Ichs. Eine Entrümpelung des Negativen. Danach fühlt man sich frei. Sauber. Erleichtert. Neugeboren. Zuspruch, natürlich auch Kritik, helfen, auf der Suche nach sich selbst.
Eben darum öffnet Renz seine Seele genauso unmissverständlich wie auf dem Eis. Ein kognitiver Bodycheck, der aufrüttelt. Aufklärt. Durchschüttelt. Er erzählt von Enttäuschungen und Rückschlägen in der Kindheit, von seinem steilen Weg nach oben, heftigen Krisen in Köln. Als Kind kann sich Renz, der im beschaulichen Villingen-Schwenningen geboren wurde, nicht in der Fußballmannschaft durchsetzen, sein Vater erlitt einen Burnout, er hat das Gefühl, für nichts gut genug zu sein. Getrieben von der Angst des Versagens arbeitet er brutal an seiner Karriere. Schult seinen "Fighting Spirit“, seinen Kampfgeist, eine „Geht-nicht-gibt’s-nicht“-Mentalität. Es hört sich ganz banal an. Aber ist man im Kopf noch nicht bereit, das höhere Gewicht zu stemmen, wirst man es auch nicht schaffen. Diese Kopf-Bremse löste Renz, indem er weitertrainierte, pausenlos, so mehr Vertrauen in sich und die eigene Stärke gewann. Er pushte sich regelrecht zum Erfolg, galt als "unkaputtbar". Er diente den Göttern Fleiß, Erfolg, Eitelkeit. Es gab kein Schwarz oder Weiß. Vollgas. Immer.
Doch hinter der harten Schale versteckte er eine innere Leere. Ein schwarzes Loch, das er auch außerhalb des Spielfelds mit Kicks zu füllen versuchte. Etwa mit zahlreichen Affären. Er brach aus, riskierte seine Ehe, hatte One-Night-Stands, eine Affäre samt Schwangerschaft.
Dann der endgültige Knock-out. Das verletzungsbedingte, für ihn viel zu frühe, Ende Profisportkarriere. Ein Scherbenhaufen. Alles zerbrach in tausend Einzelteile.
Von Selbstzweifeln und Schuldgefühlen geplagt, machte er sich auf der Suche nach dem Unbekannten, suchte Licht im Dunkel. Er war auf der halben Welt unterwegs, wanderte durch den Dschungel von Laos, bestieg im lebensgefährlichen Tempo den Kilimanjaro, besuchte ein Schweigekloster, ließ sich von Schamanen begleiten. Doch er fiel immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Verzweifelt. Zwanghaft. Toxisch. Gefangen in einem Strudel der Hoffnungslosigkeit. Der Selbstzerstörung. Mit dem Kopf durch die Wand. Kraftlos. Niedergeschlagen. Grübeln in Endlosschleife. Es musste sich etwas ändern.
Er tat es. Zeigte dem Schicksal die Faust. "In einem schmerzhaften Prozess löst er sich von seinen alten Überzeugungen und kann seine emotionalen Verwundungen heilen", heißt es im Pressetext. Renz erzählt vom Loslassen. Der Kraft der Gefühle. Seine Geschichte zeigt, wie die Liebe zu sich selbst das Leben radikal ins Positive verändern kann. Er entfloh den Schatten emotionaler Kindheitsverletzungen, Minderwertigkeitsgefühlen, Schwächen und Verlustängsten. Er fand Selbstliebe, wurde sein bester Freund. Er ist angekommen. Lacht. Lebt. Liebt. Ruht zufrieden in sich selbst. Mit 46. Endlich. "Wenn ich, einer der ehemals härtesten Typen des Profi-Eishockeys, der Eisen-Renz, einen Zugang zu seinen Gefühlen und in die Selbstliebe finden konnte, dann schafft das jeder", gibt Renz ein Versprechen an die Zukunft.
Burnout. Abhängigkeit. Depression. Worte, die in dieser Zeit fast schon inflationär benutzt werden. Wieder so einer, der seinen ganzen Psycho-Müll vor uns auskippt? Ich sage es als Selbstbetroffener ganz klar und deutlich: NEIN! Man kann der Ohnmacht entrinnen. Andreas Renz zeigt uns eine Möglichkeit. Einen Weg aus der Krise. Nicht allen vielleicht. Aber vielen. Ein Buch das aufrüttelt. Durchschüttelt. Wachrüttelt. Ein Bodycheck für die Seele. Im positiven Sinne. Prädikat: Lesenswert.
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