Adler verlieren, aber das Team zieht mit

Die schlechte Nachricht aus Mannheimer Sicht zuerst: Die Adler verloren
ihr Heimspiel gegen Ingolstadt. Und nun die gute: Das Team ist voll des
Lobes für den neuen Headcoach Helmut de Raaf. Übereinstimmung in der
Kabine: Mit diesem Trainer wollen sie in die Playoffs und dann das Feld
zur Not von hinten aufrollen. Doch zuerst ist die Spielpause nach dem
nächsten Freitagspiel dringend notwendig. De Raaf zu Hockeyweb: "Derzeit
kann man immer nur von einem Spiel zum nächsten gehen, dann haben wir
ein wenig Zeit, um intensiv am System zu arbeiten." Und Arbeit tut not,
die Adler wirken noch viel zu konfus in vielen Situationen.
Das erste Drittel verschliefen die Mannheimer gepflegt, guckten, wie
de Raaf es später formulierte, gebannt, wie die Ingolstädter
durchmarschierten und zeigten, dass auch ein Stau auf der Autobahn ihnen
nicht den Schneid abgekauft hatte. Seliger hielt jedoch den Adler-
Kasten sauber und kassierte prompt ein Lob vom Coach: "Er hat uns im
Spiel gehalten."
Drittel zwei sah teilweise wütend stürmende Adler, die in der 27.
Minute belohnt wurden, als Christoph Ullmann, der eine wahre Verstärkung
des Teams bedeutet, von Groleau, der übrigens an diesem Tag Geburtstag
hatte, und Corbet mustergültig bedient worden war. Chancen auf beiden
Seiten bestimmten diesen Spielabschnitt. Pech für die Adler, dass in der
39. Minute Ast den Ausgleich schaffte. Die Adler hatten die Scheibe
verloren, Ast reagierte blitzschnell und ließ Seliger keine
Chance. Vorher hatte Mannheim bereits eine 5:3 Überzahl vertändelt.
Drittel drei zeigte erneut eine ausgeglichene, spannende Partie.
Sicherlich, man merkte, dass noch viel zu tun ist in den Adler-Reihen in den
nächsten Wochen, aber die Spieler kämpften, keiner ließ sich hängen,
alle zeigten, dass sie siegen wollten. Dass sich bisweilen Fehler
häuften, Puckverluste zu beklagen waren und das Spiel häufig ruppig
wurde, ist unbestritten. Mangelnde Einsatzbereitschaft kann aber niemand
de Raafs Team vorwerfen. Der Schiedsrichter ließ Behinderungen munter
durchgehen, häufig waren Adler-Cracks die Leidtragenden.
Und dann kam die 52. Minute und mit ihr das lang ersehnte Tor von
Fabio Carciola, der von Roach und Corbet bedient worden war. Die 5000
Zuschauer jubelten, freuten sich noch für den Youngster, da schlug wie
ein Blitz aus heiterem Himmel der Puck hinter Seliger ein. Ast (auf Mann
und Racine) hatte das Tor geschossen. Eine kalte Dusche für die Adler,
denen danach auch noch das Pech am Schläger klebte. Jimmy Waite erwies
sich außerdem als sicher im bayerischen Gehäuse. In der 58. Minute
gelang Ast in Überzahl der Hattrick, wieder hatte Yves Racine, der
Ex-Mannheimer, seinen Stock mit im Spiel. Sam Groleau hatte ihn bedient.
Selbst eine Überzahlsituation für die Adler anderthalb Minuten vor
Schluss und die Herausnahme von Seliger brachten nichts mehr, die Adler
gingen geschlagen vom Eis, nicht ohne sich vorher bei den Fans zu
verabschieden, wie Helmut de Raaf es angeregt hat.
Betretene Gesichter im Restaurant Crosscheck. Manche fachsimpelten,
wie das weitergehen solle, ob nun die Playoffs gepackt würden oder
nicht. Klar war den meisten aber auch, dass man nicht von einem Trainer
innerhalb von wenigen Tagen Wunder erwarten darf. Dass Helmut de Raaf
ins kalte Wasser geworfen wurde und nun erstmal Scherben auf dem Eis und
in der Kabine kitten muss, ist nicht neu. Auch wenn die Zeit drängen
mag: Nur Zauberer können bisweilen Wunder bewirken, bei normalen
Menschen dauert es ein wenig länger.
In der Pressekonferenz freute sich Ingolstadts Coach Ron Kennedy über
den Sieg. Nach dem Stau auf der Autobahn und der späten Ankunft in
Mannheim habe er ein wenig Angst vor dem ersten Drittel gehabt, gab er
zu, aber das sei das beste seine Teams gewesen. "Ich bin unglaublich
stolz auf mein Team, das in Mannheim drei Punkte geholt hat", freute
sich Kennedy. Helmut de Raaf sah die Ursache für die Niederlage nicht
nur im verschlafenen ersten Drittel, sondern auch in der mangelnden
Konzentration seines Teams in Unterzahl- und Überzahlsituationen.
Mike Kennedy, den die Fans nach seinen zwei Hamburger Toren weniger
ausgepfiffen hatten als beim ersten Spiel nach seinen Bemerkungen zu
Bill Stewart, gab zu, er sei sehr betroffen gewesen von den
Unmutsäußerungen der Fans. Und er sei ein wenig verletzt gewesen, dass
einige seiner Teamkameraden ihm nicht mehr zur Seite gestanden hätten,
als es um seine Bemerkung über Bill Stewart ging. Wie Devin Edgerton
nach dem letzten Spiel, so meinte nun auch Kennedy, "dass niemand außer
den Spielern wirklich weiß, was in der Kabine vorgegangen ist." So solle
das auch bleiben, Kennedy wollte sich nicht mehr äußern zu seinem
Verhältnis zu Stewart, aber man möge vielleicht auch ihm einräumen, dass
es Gründe für sein Verhalten gegeben habe.
Unter Helmut de Raaf arbeite er sehr gerne, meinte der Spieler, "das
ist eine ganz andere Atmosphäre, es ist großartig, mit diesem Coach zu
tun zu haben. Ich mag auch sein System, das so viel mehr offensiv ist."
Natürlich müssten die Überzahl- und Unterzahlsituationen besser gespielt
werden, aber er glaube nach wie vor fest an das Erreichen der Playoffs. "Wir haben exzellente Chancen", betonte Kennedy, der hervorhob,
dass das gesamte Team nun an einem Strang zöge, was man vorher nicht
gehabt habe.
Jason Podollan sah es ähnlich, alle seien froh um den neuen Coach, der
fair und ehrlich sei, "und das sind großartige Eigenschaften für einen
Trainer, wir haben alle das Gefühl, dass wir jederzeit zu ihm kommen
können." Das System lerne sich indes nicht über Nacht, man müsse
außerdem am Powerplay und am Penaltykilling arbeiten, aber jeder sei
dazu bereit. Jetzt stimme die Chemie, da wolle man sich auch unbedingt
einsetzen. Auch zu Kennedy äußerte sich Podollan: "Wir, die wir in der
Kabine waren, wissen, was abgegangen ist. Das weiß kein Außenstehender."
Es sei aus seiner Sicht nicht sehr fair, Kennedy so fertigzumachen, wie
manche das täten. Kennedy bemühe sich nach Kräften, das Team zu
unterstützen. Es sei nun wichtig für alle, die Vergangenheit abzuhaken
und nach vorne zu blicken. Helmut de Raaf sei wie eine Brise frischer
Luft für alle. Die Playoffs seien das Ziel, das man fest vorhabe zu
erreichen, betonte Podollan. Dem Spiel in Frankfurt sieht der Stürmer
eher optimistisch entgegen: "Gegen die Teams an der Tabellenspitze
spielen wir eigentlich immer recht gut."
Darauf will sich Helmut de Raaf lieber nicht verlassen. Er setzt
morgen aufs Training, am Sonntag allerdings können die Cracks
ausschlafen, schließlich beginnt das Spiel in Frankfurt bereits am
Nachmittag. Der Coach hofft, dass seine Cracks dann hellwach sein
werden, sich im Zweikampfverhalten besser konzentrieren als gegen
Ingolstadt und auch der Schiedsrichter eher eingreift, wenn es zu hart
zur Sache geht. Frankfurt, das mit 6:0 gegen Düsseldorf gewonnen habe,
sei allerdings ein besonders harter Brocken, meinte de Raaf. Ganz
wichtig sei, dass seine Mannschaft auch nach kurzen Tiefs wieder
zurückfände ins Spiel. Hoch zufrieden ist der neue Trainer allerdings
mit dem Willen der Cracks mitzuziehen. "Das ist ganz hervorragend", lobt
er. Am Samstag wird de Raaf das erste Mal seine Jungadler aus der
Entferung beobachten. Sie treten gegen die Kölner Junghaie an. Ohne
Christoph Gawlik, der an einem Riss im Oberarmknochen leidet. Um eine
Operation kommt der Jungstar herum, in seinem Alter kann man solche
Verletzungen noch selber ausheilen, aber die Kanadatour der Jungadler
ist für Gawlik gestrichen. Nach dem 10. Februar will er aber wieder aufs
Eis gehen und sein Team unterstützen. Mit dabei wird morgen Goalie Youri
Ziffzer sein, der von seiner Gehirnerschütterung genesen ist.
Zurück zum Spiel der großen Adler gegen Ingolstadt: Zwei gingen
glücksstrahlend zu ihrem Bus: Yves Racine und Mike Stevens, zwei
ehemalige Adler, für die dieser Sieg besonders wichtig war. "Das war ein
wichtiges Spiel für uns, und ein besonders wichtiges für mich", freute
sich Racine, der gemeinsam mit Stefan Ustorf die Adler im Laufe der Saison Knall auf Fall
hatte verlassen müssen. "Es ist schon witzig, dass man uns
gefeuert hat, um 200 Prozent hinter Bill Stewart zu stehen", meinte
Racine zu Hockeyweb, "und jetzt ist Stewart auch weg. Das macht nun
wirklich überhaupt keinen Sinn." Helmut de Raaf hält der Frankokanadier
für eine gute Trainer-Wahl bei den Adlern. Das neue System sei gut fürs
Team, allerdings müssten sich die Cracks erst umstellen, es sei nicht
verwunderlich, dass so etwas Zeit bräuchte. Noch sei Mannheim ein wenig
verloren auf dem Eis gewesen in einigen Situationen, aber das werde sich
geben. Außerdem sei es "ein sehr enges Spiel gewesen". Ob Racine in der
kommenden Saison nach Europa zurückkehrt, weiß er noch nicht. Seine
Familie ist von Mannheim aus direkt nach Kanada zurückgezogen, man wird
sich zusammensetzen und über die Zukunft beraten.
Auch Mike Stevens hat noch keine neuen Vertragsangebote. Er freute
sich, dass seine Ingolstädter gewonnen hatten in diesem "engen Spiel".
Von Helmut de Raaf hält auch Stewart viel, "ein großartiger Mensch, den
ich sehr respektiere". Dass Yves Racine nun in seinem Team spiele, sei
natürlich eine große Bereicherung, meinte Stevens, aber er habe nie
verstanden, "warum die Adler zwei so großartige Spieler rausgeworfen
hätten". Vor allem, meinte der Kanadier, diese beiden eher Unterstützer
von Bill Stewart gewesen seien als Gegner. Irgendwie, sinnierte auch
Stevens, machten die Entscheidungen des Adler-Managements in dieser
Saison nicht viel Sinn für Außenstehende. (Angelika von Bülow)