Adler scheiden aus: Ein Ende mit Schrecken
Klare Worte bei den AdlernLieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Irgendwie war das
Ausscheiden der Mannheimer Adler fast konsequent nach dieser Saison, die Klubeigner
Daniel Hopp Hockeyweb gegenüber folgendermaßen beschrieb: "So gut wie alles
ist schiefgelaufen." Und Kapitän Sascha Goc meinte: "So eine furchtbare Saison
habe ich noch nie erlebt und ich spiele auch schon eine ganze Zeit lang
Eishockey." Dass sie allerdings an diesem Tage zu Ende war, das hätte nicht
unbedingt sein müssen. Die Hamburg Freezers sollten nicht zu stolz auf diesen Erfolg sein, die
Adler waren das klar bessere Team. Gehandicapt waren sie durch eine Aktion
von Fearns, die wohl nie endgültig geklärt wird. Torwart Marc Seliger schied jedenfalls
nach einer erneuten Attacke der Hamburger, als ein Freezer Adler-Verteidiger
Frankie Groleau auf den Goalie warf, verletzt aus, "eine
Innenbandverletzung", wie Mannschaftsarzt Dr. Guido Volk diagnostizierte.
Was genau es ist, wird
sich morgen bei einer Kernspintomographie herausstellen. Jedenfalls konnte Seliger
nicht weiterspielen, Ersatz Danny aus den Birken musste einspringen. Klar
war
den meisten Zuschauern und Adler-Spielern, dass man Marc Seliger bedeutend
mehr
attackiert habe als in den letzten Spielen. Auch Chefcoach Helmut de Raaf
sah das so. "Mir wäre lieber, Eishockey würde sportlich entschieden", sagte
er
zu Hockeyweb.
Der Coach war bewusst das Risiko eingegangen, Danny aus den Birken als
zweiten Mann zu nominieren. "Wir hatten gesundheitlich angegriffene Spieler
in
der Offensive und der Verteidigung", erklärte er nach Spielende, "nur auf
der
Torwartposition waren wir gesund. Und bislang hatte sich in dieser Saison
noch
kein Goalie verletzt." Richard Shulmistra blieb draußen, bleich ging er
durch die Gänge und Ehefrau Michelle wandte sich an Hockeyweb: "Ich möchte
nur
sagen, dass mein Mann weder verletzt noch krank ist."
Allerdings ist auch eines klar: Wer von den vielen hundertprozentigen
Chancen, die die Adler hatten, kaum welche verwandelt, der könnte einen Safe
im
Tor stehen haben und würde vermutlich doch nicht gewinnen. Boris Rousson war
einmal mehr ein hervorragender Keeper, aber auch er sah bisweilen schon
geschlagen aus, bei wilden Turbulenzen vor seinem Tor hätte der Puck einfach
im
Kasten sein müssen. War er aber nicht und insofern konnte der Torwartwechsel
nicht alleine schuld sein an dieser vermeidbaren Niederlage.
Danny aus den Birken, der weder in Heilbronn noch in Mannheim wirklich von
der
Ersatzbank weggekommen ist in der vergangenen Spielzeit, wurde eiskalt
zweimal
erwischt. Der junge Mann tat den 5500 im Rund in der Seele leid, so ins
kalte
Wasser geworfen zu werden, haut auch starke Profis um. Doch dann rappelte
sich
der Youngster auf und unterstützte sein Team nach Kräften, mit Sprechchören
bedacht von dem an diesem Tag wirklich hervorragenden Mannheimer Publikum. Es
ist müßig zu fragen, wie die ganze Sache gelaufen wäre, hätte sich Seliger
nicht verletzt, Tatsache aber ist, dass die Adler Moral bewiesen in diesem
Spiel, das im dritten Drittel nach einem 1:5 längst gelaufen schien. Die
Freezers ließen dann auch noch einmal die Eismaschine einfahren, weil Rousson
das Eis
vor seinem Gehäuse moniert hatte, eine unnötige Provokation zu diesem
Zeitpunkt. Es gehörte zu den schönsten Momenten dieser Saison zu erleben,
wie das Team
auf einmal alles nach vorne warf und unglaublich kämpfte. Man kam heran bis
ans 5:3, unglaubliche Szenen spielten sich ab im Mannheimer Stadion. Die
Fans aus dem Häuschen, die Spieler engagiert und gut, man konnte fast meinen,
das Spiel könnte noch kurz vor Schluss gedreht werden. Doch es sollte nicht
sein.
Der Schiedsrichter, der übrigens bei der Aktion an Seliger nicht reagiert hatte,
pfiff nun umso gnadenloser, als Boris Rousson auf dem Boden saß. Mike
Kennedy,
der das Foul begangen hatte, musste raus, ebenso wie Jason Podollan.
Michael
Bakos knallte seinen Schläger auf der Bank in die Ecke. "Das waren zwei
saublöde Strafen", ereiferte sich Bakos gegenüber Hockeyweb, "wir waren
geradeso schön rangekommen, ich dachte, ich fasse das nicht. Das war sowas von total
egoistisch, in dieser Situation begeht man doch nicht solche Fouls". Der
Spieler
regte sich auch auf über die Attacken gegen Seliger, aber er sah auch, "dass
man die Niederlage nicht allein daran festmachen kann. Wenn wir keine Tore
schießen, können wir nicht gewinnen."
Die Saison ging zu Ende, die Fans riefen die Cracks noch einmal raus, ein
immerhin einigermaßen versöhnlicher Schluss, auch wenn die Diskussionen
jetzt
erst richtig losgehen dürften. Im Kabinengang hatte man selten so viel
Auflauf von Presseleuten gesehen, aus Hamburg, aus Mannheim, die das Ende
der
Saison analysieren wollten.
Michael Bakos machte ganz klar, dass "die Serie nicht heute verloren
worden ist". Man habe zwei Heimspiele schlecht gespielt, die Hamburger
hätten die
konstantere Leistung gezeigt. Marc Seliger trat auch nochmal vor die
Presseleute. Er habe sich, betonte er, erst bei der zweiten Attacke, als ein
Freezer
Groleau auf ihn geworfen habe, verletzt. "Ich bin auf mein linkes Knie
gefallen, ich konnte nicht mehr richtig aufstehen." Arzt Dr. Guido Volk
gegenüber
Hockeyweb: "Wir haben alles versucht, mit Spritzen und Tape, aber es ging
nicht, wir haben typische Torwartpositionen ausprobiert, aber es ging
einfach
nicht." Marc Seliger konnte, war er einmal auf den Knien, einfach nicht mehr
aufstehen. Tierisch weh habe es getan, sagte
Seliger, der keine Absicht unterstellen wollte, ihn zu verletzen, der aber
gleichwohl sah, dass er von den Hamburgern mehr angegriffen worden sei als
bei den
letzten Spielen. Natürlich sei der Trainer ein großes Risiko gegangen, als er
Shulmistra nicht als zweiten Mann eingesetzt habe, "aber das hätte genauso
gut
gehen können". Ob Seliger ein Adler bleibt, wie viele es in Mannheim gerne sehen
würden, steht noch nicht fest. Der Goalie: "Wir verhandeln noch, ich denke, in zwei
oder drei Tagen fällt eine Entscheidung."
Adler-Gesellschafter Daniel Hopp machte auch noch ein wenig Hoffnung: "Wir
wollen Marc Seliger gerne behalten, er hat eine große Saison gespielt." Über
den Inhalt der Verhandlungen wollte Hopp nichts verlauten lassen, "das mache
ich doch nicht vor der Presse". Jason Podollan und Chris Joseph werden übrigens ihre
Verträge in Mannheim weiter erfüllen. Es gab Gerüchte, wonach die Kontrakte aufgelöst
werden
sollten.
Hopp gab zu, dass in der Saison so ziemlich alles schiefgelaufen wäre.
Trainerwechsel, Spielerentlassungen, das Ausscheiden im Viertelfinale, der
Eigner
machte auch klar, dass so etwas nicht mehr passieren dürfe.
Coach Helmut de Raaf, der, wie Hopp zusicherte, einen weiteren
Einjahresvertrag erhält, betonte, dass Danny aus den Birken seine Sache
hervorragend
gemacht habe. Und dass die Adler so viele Chancen hatten, dass sie das Spiel
hätten
gewinnen können. Über den Schiedsrichter zu urteilen, falle ihm schwer, das
Spiel sei sehr zerfahren gewesen, das 0:1 sei aus einer fragwürdigen
Situation heraus gefallen, hier habe der Schiedsrichter nicht so ganz den
Überblick
gehabt. Marc Seliger sprach der Coach großes Lob aus, er habe die Adler in
dieser Serie im Spiel gehalten. "Überragend", meinte de Raaf über den
deutschen
Torhüter. Lob auch für die Mannschaft, die bis zur letzten Sekunde gekämpft
habe. "So sollte Eishockey sein", meinte der Trainer.
Sascha Goc sprach vom "traurigen Ende einer katastrophalen Saison". So
viele hundertprozentige Chancen dürfe ein Team einfach nicht vergeben. Marc
Seliger sei die ganze Zeit über einfach nur überragend gewesen. Der Kapitän
hoffte, dass "sich nach dieser Saison jeder Spieler, auch ich, seine
Gedanken
macht". Vielleicht erkenne der eine oder andere dann auch eigene Fehler.
Und in
der nächsten Spielzeit könne man aufbauen: "Dann hat Helmut Zeit, uns
vorzubereiten."
Eine höchst erfreuliche Nachricht gab es an diesem Tage übrigens auch: Dem
Kind von Rico und Debbie Rossi geht es viel besser. Debbie Rossi zu
Hockeyweb: "Es ist einfach unglaublich, wie Nicole kämpft. Ich nenne sie
immer meinen
kleinen Ritter." Die 18 Monate alte krebskranke Tochter des Co-Trainers hat
eine Operation überstanden, das Krebsgeschwür wurde herausgeschnitten, sie
hat
die Chemotherapie überstanden und noch eine vor sich. "Sie rennt herum, sie ist
munter, sie isst, es geht ihr gut", freute sich Debbie Rossi, "sie hat alle
Chancen, vollständig gesund zu werden". Was Eishockey dann endgültig wieder
in die
richtige Priorität rückte. Es gibt Wichtigeres im Leben. (Angelika von Bülow)