Adler: Eine Frage der Ehre

Stephane Richer ist ein Ehrenmann. Einer, der geradlinig auf Leute zugibt, klare
Worte spricht und die Schuld nicht andauernd bei anderen sucht. Eine Wohltat in
Zeiten, in denen manche Cracks alle für Misstöne verantwortlich machen, die bösen
Fans, die bösen Journalisten, die bösen Schiedsrichter, alle nur nicht sich
selbst. Kritik schmerzt auch Stephane Richer, aber er stellt sich ihr und bildet
damit fast eine Ausnahme. Er spielt einen harten Part in dieser Saison, er möchte
die Cracks antreiben, hat alles versucht, am liebsten würde er vermutlich
mitspielen, aber er steht nun mal hinter der Bande. Er will auf der anderen
Seite aber auch jene Spieler schützen, die sich einsetzen, die kämpfen und
noch wissen, wofür sie bezahlt werden. Die gibt es natürlich in Adler-Reihen
und sie sind, sagt Richer, genauso sauer wie die Fans, wenn es nicht klappt. Und
das ist eine Gratwanderung, die in dieser Saison schier nicht zu schaffen ist.
Die Fans machten an diesem Morgen mobil, an die hundert kamen auf Anregung von
der Supporter Crew Mannheim ins Stadion zum Training. Sie brachten Transparente
und Songs mit, ließen die Cracks wissen, was sie wollten. "13.3., eine
Frage der Ehre", hieß es mit Hinweis auf das Spiel in Frankfurt am
Sonntag, oder "Nicht wir tragen Euer Trikot, sondern Ihr tragt unser
Trikot." Bei den Gesängen ging es auch hart zur Sache: "Wir werden
Meister, war nur Spaß" oder "Danke für das tolle Jahr, war nur Spaß",
zeigten deutlich, wie tief der Frust derzeit sitzt, vielen, sagen Franzi,
Steffi und Manu im Gespräch mit Hockeyweb in der Stadiongaststätte an diesem
Nachmittag, "haben einfach keine Lust mehr, es interessiert sie nicht mehr
und das ist das Schlimmste, was passieren konnte".
Die Spieler, berichten die Fans, hätten sehr unterschiedlich reagiert. Genervt
hat einige, dass Goalie Passmore einen Tanz andeutete, andere hätten
nur gegrinst, bei manchen hatte man das Gefühl, die Botschaft wäre rübergekommen.
Hecht lobten sie besonders, "du bist einer von uns", aber auch Bakos,
Carciola, Corbet und Huet. Nur, die Söldner, die wollen sie nicht mehr und
deshalb löst auch das Gerücht, Kelly hätte einen weiteren
Zweijahresvertrag bekommen, bei vielen helles Entsetzen aus. Huet hingegen, den
möchten sie behalten, der Torwart hat sich durch seine Leistung, aber auch
durch seine sympathische Art viele Freunde in Mannheim gewonnen.
Die Botschaft der Fans ist auf jeden Fall bei Stephane Richer angekommen. Er weiß,
was ein Derby mit Frankfurt bedeutet, er will das Spiel gewinnen. Aber er weiß
auch, "dass ein Spiel nicht eine ganze Saison ändern kann". Und er
sagt, er verstehe die Fans, er kann begreifen, was mit ihnen los sei, will auch
nichts entschuldigen und verdrängen, aber er, und das sagt er drängend, weil
es ihm so wichtig ist, man möge doch bitte die letzte Saison im Friedrichspark
nicht so ausklingen lassen, so traurig und negativ. "Ich habe mich vor zehn
Jahren in Mannheim verliebt", sagt der Franko-Kanadier, "in die Stadt,
in die Menschen, sogar in den Friedrichspark. Und es bricht mir das Herz, wenn
ich sehe, wie diese Saison zu Ende geht, mit welchem Trübsinn." Und
deshalb, und da wendet sich Richer an die Anhänger, sollte man doch bitte
versuchen, das Ende der Saison miteinander zu begehen. "Nicht für das
Team, nicht für mich, aber für den Friedrichspark und für die Fans
selber."
Ob die Mannschaft den Hebel zu den Playoffs umreißen kann, er weiß es nicht.
Er weiß nur, dass er auch viele gute Jungs hat, die spielen und gewinnen und kämpfen
wollen. Wie er weiß, dass es ein paar gibt, die im Grunde nicht nur unfair
gegenüber den zahlenden Zuschauern und der
Organisation Adler sind, sondern auch den eigenen Mitspielern gegenüber. Nein,
Namen will er nicht nennen, will keine schmutzige Wäsche waschen, so kurz vor
den Playoffs für noch mehr Missstimmung sorgen als sie sowieso schon durch die
Arena wabbert, er will ein paar positive Dinge aufzeigen. Die jungen Spieler
etwa, Leute wie Kink, der immer besser würde, oder Pielmeier und Schietzold,
die ihm ungemein gut gefallen. "Die kämpfen, die wollen gewinnen",
weiß er und deshalb werden beide auch am Sonntag in Frankfurt eingesetzt. Nicht
nur, weil sich andere schonen sollen für die Playoffs, die ja die Wende bringen
sollen, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und das ist ja auch gut so,
sondern auch, weil er möchte, dass die Fans das Bemühen sehen, etwas zu ändern.
Nein, Stephane Richer ist nicht zu beneiden. An ihm liegt es bestimmt nicht,
dass so viel Frust Einzug gehalten hat bei den Adlern. Aber ohne die
Spieler kann auch er nicht mehr ausrichten. "Dieses Team ist
untrainierbar", hat einer, der es wissen muss, mal gesagt. Und irgendwie
scheint was dran zu sein. Am Sonntag jedenfalls kann man ein paar Punkte
gutmachen, in der Tabelle wird das nichts mehr ändern, aber in den Herzen der
Fans. Und dann die Playoffs, ein klein wenig Spannung könnte Einzug halten im
Friedrichspark. Dann wollen vielleicht auch jene Spielerfrauen mal wieder
zugucken, ob ihre Männer was leisten auf dem Eis, die derzeit in fröhlicher
Runde muntere Schwätzchen halten im VIP-Club. Es sei ihnen gegönnt, aber
vielleicht wäre es gemütlicher für die Mädels, wenn sie dazu in eine andere
Kneipe gingen. Für die Fans ist es so demotivierend zu sehen, dass noch nicht
mal die engsten Menschen, die Spieler haben, kein bisschen Interesse am Ausgang
eines Spieles haben. (Angelika von Bülow)