Adler: Einbruch im dritten Drittel - 2:5 gegen Eisbären

Eigentlich sah ja alles wirklich gut aus, zwei Drittel lang. Doch dann kam
der letzte Spielabschnitt und die Mannheimer Adler brachen ein, dass es ein Grausen war. Warum? Keiner weiß es so recht. "Frustrierend" sei das, meinte
Adler-Coach Stephane Richer nach Spielende zu Hockeyweb, während ihm Eisbär
Peter John Lee prophezeite, er werde wohl bald zu rauchen anfangen in dieser
Situation. Und noch anfügte, eigentlich könnte man sich vorstellen, dass die
alten Recken wie Richer und er auch heute noch keine allzu schlechte Figur
auf dem Eis machen würden, kämpfen hätten sie schließlich gelernt.
Das dachte man erfreut auch von dem jetzigen Adler-Team in Abschnitt eins
und zwei. Da gabs - vor allem im zweiten Drittel - Sahne-Situationen vor
Jonas Tor, drückend überlegen bisweilen und begeisternd. Richer ließ auch
eine junge Reihe auffahren, Kink, Carciola und Blank, und die drei lieferten
klasse Spielzüge. Hinterm Tor freute man sich über die Youngster, zumal Kink auch
in anderer Zusammensetzung einige Klasseeinlagen zeigte. "Der ist gut",
meinten die Sponsoren oder "Ein Klasse Typ" oder auch "wirklich eine
Verstärkung".
Das gilt in verstärktem Maße für Jochen Hecht. Was der Mann leistet, ist
unglaublich. Ohne Hecht stünden die Adler mit Sicherheit schlechter da in
dieser Saison. Auch das erste Tor schoss er an diesem Abend, assistiert
von Edgerton und Corbet. Womit man drei genannt hätte, die sich einsetzen
für ihr Team und von Richer gegenüber Hockeyweb später auch besonders gelobt wurden. In der 18. Minute schlug dann Ex-Adler Stefan Ustorf gnadenlos zu,
überwand Passmore im Gehäuse der Adler und stellte den Ausgleich her. Im
zweiten Drittel schoss Felski den Führungstreffer für die Berliner, bevor
Corbet ausgleichen konnte. Zu dieser Zeit hatten die
Adler ihre Sturm- und Drangperiode und eigentlich das Führungstor auf dem Schläger.
Doch sie trafen nicht, die Berliner Abwehr und vor allem Goalie Jonas, ein
Neffe Helmut de Raafs, vereitelten Adler-Tore. Und auch das Pech klebte den
Mannheimern bisweilen am Schläger, sie hätten in dieser Zeit Tore verdient
gehabt, aber danach geht es im Sport nun mal nicht.
Im dritten Drittel war dann im eiskalten Friedrichspark der Ofen aus. Von
jetzt auf nachher, ohne ersichtlichen Grund, außer, man gibt dem dritten
Berliner Tor in der 44. Minute, erzielt durch Erik Cole eine solche
niederschmetternde Bedeutung. Denn die Mannheimer liefen nun neben sich her, verloren ihre Bullies, sahen im Spiel vier gegen vier so aus als spielten sie Unterzahl. Leider sahen sie auch so aus, wenn sie Überzahl hatten, also eigentlich immer. Die Berliner jetzt ganz frech im Vorwärtsdrang. Passmore musste noch zweimal hinter sich greifen, beim 2:4 in der 52. Minute, als Walser ihn überwand und in der 56. Minute, als Walker einen Schuss platzierte. Auch, wenn Passmore nicht seinen besten Tag hatte, er wurde bisweilen hoffnungslos alleine gelassen. Leichtes Spiel für gute Berliner Schützen.
Die Mannheimer Fans fassungslos, mit diesem Einbruch hatte niemand gerechnet
an diesem Tag. Auch Stephane Richer schüttelte sich. Mentale Fehler beklagte
er nach dem dritten Berliner Tor, danach sei das Selbstbewusstsein weg
gewesen. Umso ärgerlicher, weil nach dem "großen Sieg" am Freitag mehr
erhofft wurde. Welch Frust, wenn man zwei Drittel gut spiele und dann nicht
mehr mithalten könne. Einigermaßen ratlos ist Richer mit Kelly. "In 15
Spielen nur ein Tor und ein Assist, das reicht nicht", meint Mannheims
Trainer. Vorher habe die richtige Einstellung gefehlt, nun auch noch die
Leistung. Und das bei einem Schlüsselspieler. Dafür lobte der Coach die
junge Reihe, freute sich, dass Leute wie Hecht, Edgerton und Corbet ihrer
Rolle gerecht würden. Bei anderen aber wünsche er sich mehr, viel mehr,
meinte Richer. Am Montag wolle er erstmal seinen Kopf freimachen und am Dienstag ein paar klare Takte reden. Klar sei inzwischen schon, dass er nicht mehr Rücksicht auf große Namen nehmen könnte, wenn er jemanden sitzen ließe auf der Tribüne.
Piere Pagé war natürlich zufrieden mit dem Ergebnis, ganz wichtige Punkte
seien das, nachdem man etliche abgegeben habe zuletzt. Torwart Jonas lobte
er für seinen zweiten Auswärtssieg in einer Woche, sah die gute Leistung
seines Teams im Unterzahlspiel mit als einen Garanten für den Erfolg.
Und sprach mit Hockeyweb auch noch über zwei ehemalige Mannheimer. Christoph Gawlik, der seine Ausbildung bei den Jungadlern nicht abgeschlossen hat und
vorzeitig nach Berlin gewechselt war, ist für Pagé "einer der
professionellsten jungen Spieler, die ich seit langem gesehen habe". Man
müsse dem Youngster überhaupt nichts sagen, er trainiere unermüdlich, nähme
die richtigen Lebensmittel zu sich, setzte sich ein. Er sei zwar klein, aber
auf der anderen Seite auch sehr groß. In Mannheim, verriet Pagé, seien
NHL-Scouts gewesen, um das Talent zu sichten.
Auch für Stefan Ustorf, einst in einer Strafaktion vom Adler-Management in
die Wüste geschickt gemeinsam mit Yves Racine, wusste Pagé nur Gutes zu
berichten. Nach der schrecklichen Saison des Vorjahres, in der er die Adler
verlassen musste, habe sich Ustorf ungemein reingekniet ins Training. Er
habe eine "sehr, sehr gute Fitness". Sei außerdem überall einsetzbar, spiele
auch gerne mit den Jungen, die von ihm jede Menge lernen könnten. Und ginge
ohne Murren auf alle Positionen. Pagé ist jedenfalls hochzufrieden mit den
beiden Mannheimer Zugängen Ustorf und Gawlik.
Die Mannheimer Spieler leckten derweil ihre Wunden in ihrer Kabine. Mit
gesenkten Häuptern waren sie zurückgekehrt vom Eis und ähnlich sahen die
Gesichter der Offiziellen, von Gesellschafter Daniel Hopp angefangen bis zu
Geschäftsführer Matthias Binder, aus. Grund zur Freude war dieses Spiel, das 4800 Unentwegte verfolgt hatten nicht, trotz zweier wirklich guter Drittel. Aber letztendlich zählt halt immer das Ergebnis. (Angelika von Bülow)