Adler: Der Primus strauchelt, aber er fällt nicht
Klare Worte bei den Adlern"Ich dachte ich sterbe", Fan Oli bringts nach dem Spiel auf den Punkt:
Superspannung in Mannheim bei der ersten Begegnung mit den Löwen aus Frankfurt.
Nichts für schwache Nerven. Und für sensible Gemüter. Lions-Co-Coach Pavel Gross
jedenfalls ist nicht nach Reden zumute nach der Niederlage seines Teams. Er hat
sich im Bus verzogen und möchte eigentlich nicht angesprochen werden. Während
Spieler Steve Kelly höflich Rede und Antwort steht.
Der Krimi beginnt
mit einem Sturm der Adler. Die führen nach dem ersten Drittel mit 2:0 und für
viele ist die Begegnung fast schon abgehakt. Weit gefehlt, denn die Frankfurter
fighten zurück. Und wie. Die Adler rennen über weite Strecken hinterher.
Frankfurt schafft den Ausgleich, "das musste doch nicht sein", moniert eine
Adlerin in der Pause. Und es kommt noch schlimmer, in Drittel drei gehen die
Lions in Führung und sind nicht mehr zu bremsen. Und wenn sie den Puck
verlieren, dann steht Ian Gordon sicher im Gehäuse. Blau-weiß-rot rennt, aber es
kommt nichts dabei heraus, zu viele Unsicherheiten sind mit im Spiel.
Es
ist sechs Minuten vor Schluss, zu diesem Zeitpunkt glaubt kaum einer mehr in der
ausverkaufen Arena, dass es noch klappen könnte mit dem ersten Play-off Sieg.
Ziellos sieht das bisweilen jetzt aus, was die Hausherren zeigen. Noch fünf
Minuten: Der Löwen-Anhang ist gut bei Stimme, der Sieg scheint nah. Und wieder
ein Mannheimer Angriff und wieder nichts, es ist zum Auswachsen. Noch vier
Minuten, man stochert nach, doch Gordon lässt sich nichts gefallen, er steht
sicher. Drei Minuten und ein Löwe hat den Puck. Pfiffe werden laut, im Moment
fragt man sich gegen wen. Greg Poss erscheint in Großaufnahme auf dem
Videowürfel. Bildet man es sich ein oder ist er ein wenig blass um die Nase.
Noch zwei Minuten: Die Zeit läuft und die Lions auch, Pelletier pariert, wieder
einmal. Dann eine Adler-Chance, kein Erfolg. Noch eine Minute, Keilerei vor
Gordons Tor, die Nerven liegen bloß. Auszeit Adler, Kuhl, Hopp und Binder stehen
an der Plexiglasscheibe und sehen deprimiert aus. Pelletier geht raus, die Adler
werfen alles nach vorne. Noch 52 Sekunden, da geht der Puck rein. Aber der
Schiri gibt das Tor nicht: Es war vorher abgepfiffen. Noch zehn Sekunden: Jetzt
nimmt Frankfurt eine Auszeit. Das Spiel scheint zu Ende. Und dann, eine Sekunde
vor Schluss schießt Trepanier die Halle in einen Freudentaumel. Der Ausgleich
ist geschafft. Auf der Anzeige steht schon das 3:3, doch der Unparteiische guckt
nach - und gibt nach bangen Sekunden den Treffer. Eine Arena steht
Kopf.
"Und eins kann mir keiner nehmen", spielt der DJ und die Leute
fallen ein: "das ist der pure Hass auf Löwen". Und dann gehts ins "vierte
Drittel" mit vier gegen vier. Das erinnert an einen Boxkampf, an ein Abtasten
der Gegner, bevor man loslegt. Die Löwen fangen an mit dem Loslegen. Dann kommt
der Schieri ins Spiel und schickt einen Frankfurter raus. Man schreibt zwei
Minuten und neun Sekunden in der Overtime. Zwei Minuten und 31 zeigt die Uhr,
als Rico Fata einschießt. Sieg. Um Jahrzehnte gealterte Adler fallen sich um den
Hals, bejubeln das Team. Das ganz traditionsgemäß nicht mehr rauskommt, erst am
Ende einer Serie kanns also wieder eine Humba geben.
Im Kabinenbereich
steht der Bundestrainer. Uwe Krupp zu Hockeyweb: "Das Spiel hatte richtigen
Derbycharakter." Im ersten Drittel seien die Adler überlegen gewesen, im zweiten
Drittel hätten sie aber zu vorsichtig agiert und 'Frankfurt sei gekommen.
Letztendlich wären die Chancen 50 zu 50 gestanden in der Verlängerung, eine
Strafzeit sei da natürlich immer bitter. Krupp: "Frankfurt ist charakterlich
stark, ich gehe davon aus, dass Mannheim noch einen Zahn zulegen muss." Wie
lange diese Serie dauere, das könne man unmöglich vorhersagen, wohl aber, dass
es für die Adler nicht leicht wird. Ernst Höfner sei an dem Abend in Ingolstadt,
er selber würde am Sonntag vermutlich eine andere Begegnung besuchen, innerhalb
der Serie aber sicherlich nochmal nach Mannheim kommen.
Für Helmut de
Raaf hatten die Adler im zweiten Drittel "ein wenig Angst vor der eigenen
Courage". Allerdings sieht er auch Positives im Verlauf des Spiels: "Das ist
doch gut für die Moral der Adler, die nochmal so zurückgekommen sind. Frankfurt
hat dieses Spiel sicherlich viel Kraft gekostet." Bei dieser Serie sei alles
drin, sie könnte kurz werden oder über die ganze Distanz gehen, ganz wichtig sei
es auf jeden Fall, das erste Spiel zu Hause gewonnen zu haben.
Für Jeff
Shantz gabs keinen Punkt, an dem die Adler aufgaben: "Wir werden immer bis ganz
zuletzt kämpfen." Frankfurt habe großartig gespielt, betont der Crack gegenüber
Hockeyweb, "sie haben uns zwischendurch ganz schön frustriert." Ian Gordon habe
herausragend gehalten, allerdings bleibe unterm Strich doch eine moralische
Aufrüstung für die Adler, "es ist immer gut, wenn Du zurücklagst und es doch
noch schaffst." Und immerhin sei es eine Zeit her gewesen, seit man gespielt
habe, da fühle man sich anfangs immer ein wenig unsicher, aber das sei jetzt
abgehakt. "Wir müssen am Sonntag weiterhin Druck auf die ausüben und fighten.
Wir haben ein gutes Team, sie haben ein gutes Team." Für Shantz ist klar, "dass
das erste Spiel einer Serie immer das härteste ist," und das habe man als Sieg
eingefahren. Allerdings habe es schon eine Menge Nerven gekostet.
Auch
Udo Scholz, die Stadionsprecher-Legende vom Adlerhorst, ist fix und alle: "Ich
habe gedachtg, das kann doch nicht wahr sein, was sag ich nur, wenn das Spiel
verloren geht?'" Irgendwie, meint der Udo, "haben mir in dem Fall richtig die
Worte gefehlt. Eines ist aber auch klar, wer das erste Mal heute beim Eishockey
war, der wird sehen, was das für ein toller Sport ist. Das ist doch
sensationell." Sprichts und schreitet zu seinem Frankfurter Kollegen: "Hallo,
Storchi, Du alter Nasenbär."
Rich Chernomaz bewahrt die Fassung. "Scheiße
passiert", meint er und dass die Lions gut im Spiel waren und streckenweise
überlegen. Aber, fügt er noch an und es klingt wie eine Drohung, das sei
schließlich nur ein Spiel gewesen von eventuell sieben. Da stimmt sein Kollege
Greg Poss zu, man dürfe sich nicht zu früh freuen, harte Arbeit warte auf sein
Team. Das durch die Pause wohl ein wenig aus dem Rhytmus geraten sei,
"vielleicht waren die Spieler teilweise übermotiviert, wir müssen die Ruhe
bewahren." Und dann: "Das wird am Sonntag ein großer Kampf in
Frankfurt."
Den erwartet auch Sven Butenschön. Für den Sonntag sieht er
sein Team wieder stärker als an diesem Abend. "Wir haben lange nicht gespielt,
da sind die Beine, die Hände und die Luft schwer, aber das ist jetzt abgehakt."
Und er wertet es als positiv, dass man doch noch einen Sieg einfahren konnte:
"Wir haben uns vor dem Spiel versprochen, nie aufzugeben." Frankfurt ist für
Butenschön eine sehr gute Play Off Mannschaft,"die sind richtig schwer zu
schlagen."
Für Steve Kelly, einst Adler, jetzt Löwe, war es das erwartet
harte Match. Seine Mannschaft habe teilweise das Spiel kontrolliert, "aber die
Adler haben immer weiter gekämpft." Das sei schon bitter, wenn es so ausginge
wie jetzt, "außerdem finde ich, die Spieler sollten eine solche Begegnung
entscheiden und nicht der Schiedsrichter. In der Overtime sollte der wirklich
nur bei schlimmen Verstößen jemanden auf die Strafbank schicken." Er tippt, dass
die Lions das zweite Spiel für sich entscheiden und dann würden die Karten neu
gemischt. "Wir müssten auf jeden Fall einmal in Mannheim gewinnen, um
weiterzukommen. Es wäre schön, wenn das heute geklappt hätte." Pavel Gross hat
sich in den Bus zurückgezogen und antwortet nur einsilbig. Jede Niederlage sei
bitter, sagt er und will dann in Ruhe gelassen werden. Man kann es
verstehen.
Die Supporters Crew der Adler rollt die 32 mal 24 Meter große
Fahne in Busnähe der Frankfurter ein. Der Anhang der Mannheimer hat sich schon
an diesem Abend als meisterlich gezeigt. Was diese Fans auf die Beine stellen,
das ist eine Wucht. Diesmal wars eine Riesenfahne, ein Transparent, das auf die
lange Eishockey-Tradition in Mannheim hinweist und viele blau-weiß-rote Fahnen
und Schilder. Oli und Löffel sind immer noch ganz hin und weg vom Spiel: "Ich
war schon lange nicht mehr so emotional im Eishockey," stöhnt Oli und Löffel
fügt an: "Das ist sogar besser als Sex."
Einen allerdings gibt es an
diesem Abend, dem das alles ziemlich schnurzegal sein dürfte. Der junge Mann
heißt Paul-Linus Hotz und er hat für eine Premiere in einem deutschen Stadion
gesorgt. Seine Eltern haben Pfarrer Martin Treiber mitgebracht und der taufte
den Kleinen vor großer Kulisse. Und dann dürfen die Fans den neuen Erdenbürger
anfeuern: "Machs gut." Eine ganz besondere Einlage bei diesem Play-off
Auftakt.
Angelika von Bülow