Adler: Der Abend des Robert Müller
"Halbe Sachen mögen wir nicht", lächelt Jenny Müller nach dem Spiel,
als sie darauf angesprochen wird, ob sie denn damit gerechnet hätte,
dass ihr Robert solch ein Comeback feiern könnte. Damit überspielt die
hochschwangere Frau des Adler-Goalies auch ein wenig die Nervosität,
die sie sicherlich vespürt hat, als ihr Mann bei seinem ersten
DEL-Spiel nach der schweren Krankheit wieder zwischen die Pfosten
zurückkehrte. "Wichtigstes Ziel erreicht", sagt Robert, als er seine
Jenny in den Arm nimmt. Da stapelt einer tief, der für eine
unglaubliche Überraschung gesorgt hat. Eigentlich hatte in dieser
Saison keiner mehr mit seiner Rückkehr gerechnet, wenn alles sehr gut
liefe, dann sollte er in der kommenden Spielzeit langsam wieder
anfangen. Nicht gut genug für einen Robert Müller, der brennt vor
Ehrgeiz.
Frenetischer Jubel, als er aufgerufen wird von Stadionsprecher
Udo Scholz. Die Fans sind hin und weg und feuern ihren Robert an. Und
der zeigt sich in einer bestechenden Form, steht absolut sicher, hält
auch Schüsse, die man eigentlich schon im Tor sah. Sicherlich, die
Freezers sind an diesem Abend nicht in ihrer Topform, aber trotzdem, es
ist ganz und gar beachtlich, was der Mannheimer Goalie leistet. Nur
schade, sagen viele, dass es kein Shut-out wurde. Robert später: "Das
ist mir egal, ich bin auch so hochzufrieden."
Das 4:1 fällt übrigens für die Adler sechs Sekunden vor Schluss,
als Spitzenreiter verabschiedet man sich vor den Play Offs vom
Heimpublikum, die Adler müssen nur noch einmal auswärts antreten, dann
gehts um die Wurst. Wer im Tor stehen wird, das wagt heute noch keiner
zu sagen. Robert Müller wollte sich empfehlen für die Nummer eins, das
ist ihm gelungen, allerdings stehen auch Jean-Marc Pelletier und Ilpo
Kauhanen bereit.
Für Kauhanen, der im Anzug im Kabinenbereich herumläuft, ist
das alles bitter. Nicht, dass er das sagt, dazu ist er viel zu
kollegial, freut sich außerdem unglaublich für Robert Müller, dass er
diese Sensation vollbracht hat. Er selber komme, sagt er zu Hockeyweb,
jeden Tag zur Arbeit und sei bereit, etwas zu leisten. Entscheidungen
über die Einteilung im Spiel träfe er nicht. Vier Torleute, das sei
natürlich schon sehr viel, merkt Ilpo an und natürlich wolle er
spielen, das sei gar keine Frage. Wenn das nicht ginge, dann wolle er
sich eben anderweitig nützlich machen fürs Team. "Du bist oben nervöser
als wenn Du auf dem Eis steht," verrät er noch. Kauhanen ist ein
unglaublich fairer Kollege in einem Team, einer, der sich lieber selber
zurückstellt als für Unruhe zu sorgen.
Und er ist mit Müller befreundet. Der stapelt beim Interview
eher tief. Er habe sich zugetraut, die drei Drittel zu spielen, sagt
er, sonst "wäre ich nicht ins Tor gegangen, da hätte ich mir doch nur
selber geschadet." Und so sensationell finde er das überhaupt alles
nicht, klar sei er glücklich, aber er habe schon immer gesagt, dass er
bald spielen werde. Glück habe er natürlich an dem Abend auch gehabt,
ohne ginge es eben nicht. Was in den Play Offs geschieht, das weiß´auch
er nicht. Unruhe im Team sieht er nicht, "mit dem Ilpo bin ich sehr gut
befreundet und ich glaube, auch Jean-Marc hat keine Probleme, wenn ich
im Tor bin, er ist schließlich als mein Ersatz geholt worden."
Dass
es einige Schlägereien vor seinem Tor gab, darüber will er nicht reden.
"Das müssen die anderen unter sich ausmachen, allerdings finde ich es
natürlich ehrenhaft, dass die Spieler mich beschützen wollten." Einem
ist dieser Einsatz übel bekommen: Tomas Martinec flog raus aus dem
Spiel, als er einen Freezer von Müller weghalten wollte. Der hatte
Mannheims Goalie mit einem Crosscheck gefoult. Und bekam dafür nur zwei
Minuten. Dass Martinec mit einer Spieldauerdisziplinarstrafe bedacht
wurde, das verstand so richtig keiner. Fan Goka: "Das war grob
ungerecht, und von wegen hoher Stock, da war kein hoher Stock im
Getümmel. Der Martinec fliegt doch auch raus wegen seines Namens." Das
sieht Tomas ähnlich, bei einem der letzten Spiele sei er nachweislich
weitab von der Schlägerei gestanden und sei auf die Strafbank geschickt
worden. Und heute nun dies. Aber aufregen nütze ja nichts, das mache
doch alles nur noch schlimmer.
Dann wird wieder über Robert Müller geredet. Spieler Marcus
Kink: "Das war einfach nur sagenhaft." Trainer Greg Poss: "Großartig."
Teal Fowler: "Unglaublich". Adler-Geschäftsführer Matthias Binder: "Das
ist richtig ans Gefühl gegangen." Konditionstraining Martin Müller:
"Der Robert hat einen solch starken Willen, das ist der helle Wahnsinn.
Er hat mir gleich zu Beginn der Krankheit gesagt, er werde vor den Play
Offs wieder da sein. Ich bewundere seine Energie. Er hat auch sehr,
sehr viel selber gearbeitet."
Und dann ist da noch Bill Stewart. Der bringt Liebgewohntes von
seiner Zeit in Mannheim: Das Wort Leidenschaft. Es ist wie heimkommen,
als er es ausspricht. Diesmal auf Robert Müller gemünzt. Stewart redet
in der Pressekonferenz eigentlich nur vom gegnerischen Goalie, er zieht
den Hut vor seiner Leistung, erinnert sich daran, wie Robert als Junger
unter ihm sich entwickelt hatte, und betont: "Solche Sportsmänner
braucht jede Organisation."
Glückseligkeit in Mannheim, sie haben ihren Robert wieder, die
Spitzenposition dazu. Und auch der DJ passt sich dem fröhlichen
Ereignis an: Er spielt auf Wunsch von Fans die guten, alten
Eishockeylieder. Originell und witzig: Bei einer der größeren
Schlägereien, lässt er John Lennon "Give Peace a chance" singen. Auch
auf diesem Gebiet ein gelungener Abend also.
Angelika von Bülow - Foto by City-Press