Adler-Coach de Raaf will "Begeisterung wecken"

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Die Würfel sind gefallen: Helmut de Raaf wird
Nachfolger von Bill Stewart und von jetzt an hinter der Bande bei den
Mannheimer Adlern stehen. Der Jungadler-Headcoach, der seinem Projekt vorläufig
erhalten bleibt, wurde soeben bei einer Pressekonferenz der Adler der Öffentlichkeit
präsentiert. Am Vorabend hatte die Mannschaft noch heftig spekuliert und auf
Butch Gohring getippt. Gerüchte machten allerorten die Runde, Namen kamen ins
Spiel, manches hatte fast witzigen Charakter. Falsch geraten, wie sich jetzt
herausstellte, der Mann vor Ort bekam den Zuschlag. Hockeyweb hatte gleich
Gelegenheit mit dem neuen DEL-Trainer zu sprechen.
Er sei, bekennt de Raaf, sehr überrascht gewesen von dem plötzlichen Weggang
Bill Stewarts. Dass der Kanadier in der kommenden Saison nicht mehr hinter der
Bande gestanden wäre, schien im Umfeld allen klar, mit einem so plötzlichen Rückzug
hatten indes wenige gerechnet.
Und so kam die rasche "Berufung" auch für de Raaf sehr rasch:
"Ich habe mich natürlich gefreut, dass man mir zutraut, die Mannschaft zu
coachen", gibt er zu, aber er sieht auch die schwere Aufgabe, die auf
ihn zukommt, "die Saisonziele sind ja nach wie vor da."
Die Herausforderung reizt ihn, er sei zwar nervös, bekennt de Raaf, aber er sei
auch ungemein gespannt auf die neue Aufgabe. Obwohl, das räumt er ein, da
er auch mit einigen wehmütigen Gefühlen von der Bande der Jungadler hinter die
der großen Adler wechsle. Er glaube kaum, sinniert der neue Headcoach des
DEL-Teams, dass er ein solches Angebot aus einer anderen Stadt zum jetzigen
Zeitpunkt angenommen hätte. Grund: Die
Jungadler. Knall auf Fall aufzuhören bei der Nachwuchsmannschaft, das hätte er
nicht fertiggebracht.
Für de Raaf ist das Projekt wie ein Kind, vier Jahre lang hat er die Geschicke
geleitet, hat sich oftmals als Vaterersatz für 20 Jungendliche gesehen, hat
sich über deren Entwicklung gefreut, "nein, so etwas wirft man nicht von
einem Tag auf den anderen hin." So aber könne er den Jungadlern eng
verbunden bleiben, de Raaf behält sogar sein angestammtes Büro bei
"seinen" Leuten, der enge Kontakt mit den Trainerkollegen besteht
fort, da fiel das Ja-sagen zum absolut verlockendem Angebot der Adler nicht mehr
so schwer. Vor allem, weil Frank Fischöder und Anders Olsson, seine beiden Co-Trainer,
das junge Team weiterführen, zwei Männer, denen de Raaf absolutes Vertrauen
entgegenbringt.
Bei den Adlern will de Raaf erstmal nur bis Saisonende vorausschauen,
nicht weiter. "Der Mannschaft muss klar sein, dass jetzt etwas Neues
beginnt", sagt er und auch, dass er "einen klaren Schnitt" machen
wolle. Für die Spieler sei das sicherlich ebenfalls schwierig, schließlich
habe man genau zwei Tage zur Vorbereitung. Für den neuen Cheftrainer lautet
eines der Zauberworte "Begeisterung". Nur, wenn man begeistert sei von
seinem Sport könne man gut spielen und gewinnen. Er will im Team Vertrauen
wecken, aber auch ganz klare Grenzen setzen. Mit respektvoller Distanz möchte
er umgehen mit den Spielern, es müsste ganz klar sein, dass er entscheide über
Einsatz und Taktik, gemeinsam mit Co-Rico Rossi, mit dem er gut zusammenarbeiten
könne, schließlich kennt man sich. Die Trainer hätten eine klar
umrissene Aufgabe, die Spieler auch. Die einen gäben den Weg vor, die anderen führten
ihn aus. Beides müsse sich ergänzen und nicht behindern.
De Raaf will auf jeden Fall offensiv spielen lassen. Bei dem System habe keiner
mehr die Chance sich zu verstecken, sagt er, da würde sich rasch zeigen,
wer gewillt sei mitzuziehen und Leistung zu bringen. Wer nicht dazu bereit sei,
der spiele nicht. Da sei er konsequent: "Ich drohe eigentlich nie",
sagt der Neue an der Adler-Bande, "aber ich scheue keine
Auseinandersetzung". Er erwarte etwas von den Cracks und wenn sie bereit
seien mitzuziehen, werde sich auch der Spaßfaktor für alle erhöhen. Wenn
nicht, müssten die einzelnen mit den Konsequenzen leben. Hauptproblem für den
Trainer ist die Kürze der Zeit, in der er einiges umstellen möchte.
Normalerweise, betont er , habe man in der Saisonvorbereitung wochenlang
Zeit, zusammenzuwachsen und die vorgegebene Taktik umzusetzen. Das falle hier
alles weg. Und insofern müsse er natürlich auch ein Scheitern mit in seine
Gedanken einbeziehen. Vor allem, weil er nicht altes übernehmen, sondern viel
neues einbringen wolle auf dem Eis und auch außerhalb.
Jetzt erstmal aber geht es um die nächsten Spiele und das werde, da die Liga so
eng beisammen liege, sehr schwer. Das Saisonziel sei natürlich das Erreichen
der Playoffs, was in dieser Saison so selbstverständlich nicht sei. De Raaf:
"Vermutlich entscheiden letztendlich zwei oder drei Punkte". Er ist
sicher, dass die Mannschaft, sollte sie über den achten Platz hinauskommen,
besser und besser würde: "Dann ist wirklich alles wieder offen." Doch
soweit will er noch gar nicht denken, jetzt gilt es erstmal, die Mannschaft zusammenzuschweißen, die Begeisterung zu wecken. Auch bei den Fans übrigens: "Die sollen wieder merken, dass hier eine Mannschaft ist,
die für sie spielt." (Angelika von Bülow)