Adler: Auferstanden in Sekunden

"Jetzt sind wir Zehnter", meinte mit betrübtem Gesicht ein Mannheimer
Journalist und wollte eine Minute vor Ende der Begegnung der Adler mit den
Freezers schon den Laptop zuklappen. Doch dann kam alles noch ganz anders: Die
Jungs von Trainer Greg Poss schafften den Ausgleich zum 2:2, zwangen die
Hamburger ins Penalty-Schießen, das sie nach nervenaufreibenden Minuten
gewannen. "Diese Punkte sind Gold wert", meinte ein sichtlich
erleichterter Greg Poss, der sich in dieser Verlängerung auch bei Torwart
Frederic Chabot bedanken konnte. Der behielt die Nerven und die Übersicht beim
Penalty-Schießen.
Es war nun wirklich kein hochklassiges Spiel. Immerhin bescheinigten nach Ende
beide Coaches ihren Teams, dass sie bis zum Schluss gekämpft hätten, was man
so unterschreiben kann. Trotzdem gähnten manche Zuschauer sicherlich bisweilen
verstohlen. So richtig sprang da kein Funke über, auch wenn die Adler gute
Chancen hatten. Und zwar massenweise, aber viel zu oft wurde der Puck vertändelt,
wollte im Abschluss aber auch gar nichts klappen. Vor immerhin 10459 Zuschauern
hätten die Mannheimer durchaus schon im ersten Abschnitt führen können. In
der 25. Minute wars dann soweit, Ratchuk schoss auf Zuspiel von Tremblay ein.
Im dritten Drittel war es Beaucage, der in der 47. Minute das 1:1 markierte.
Ganz locker in der 57. Minute dann noch ein Tor von Beaucage. Das Spiel schien
entschieden, zu viele Chancen brauchten die Adler an diesem Abend. Doch Poss
nahm eine Auszeit, Chabot verließ das Tor, kaum einer hätte noch an eine
Wendung denken können, schließlich war die letzte Spielminute angebrochen.
Shantz erlöste die Mannschaft und die Zuschauer mit einem Ausgleichstor.
Alles war wieder offen, bis Shantz den Sieg des Abends im Penaltyschießen
festmachte. Gesellschafter Daniel Hopp war, wie allen anderen im Rund - mit
Ausnahme der Freezers selbstverständlich - die Erleichterung anzusehen. Hätte
er daran noch zu glauben gewagt? Ach, meinte da Hopp, "manchmal verliert
man in einem solchen Spiel schon den Glauben". Grundsätzlich, so der Boss
der Adler, könne man der Mannschaft derzeit überhaupt keine Vorwürfe machen,
wenn nicht alles glatt liefe. Man denke nur an die Verletzten. Bis zur Pause
wolle man jetzt irgendwie durchhalten und anschließend, hoffentlich wieder mit
Corbet und Edgerton, nochmal richtig angreifen. Die Play Offs seien natürlich
oberstes Ziel, daran habe sich nie etwas geändert. Aber, das betonte Hopp, man
müsse von Spiel zu Spiel denken.
Das sieht auch Yannick Tremblay, einer der wertvollsten Adler-Spieler überhaupt,
so. Es habe im Moment überhaupt keinen Sinn, sagt er zu
Hockeyweb, wenn man sich jetzt permanent den Kopf zerbreche über die Play Offs.
Damit gerate man von vorneherein auf eine Verliererstraße. Das einzige, was
Erfolg brächte wäre ein Schritt nach dem anderen. Er ist optimistisch:
"Wir können jedes Team schlagen, wenn wir unsere Moral so behalten wie
heute Abend." Dass man nicht aufgesteckt habe nach der eiskalten Dusche
durch die Freezers, das sei enorm wichtig gewesen. Darauf könne man aufbauen.
"Wir müssen unser System spielen, dann haben wir Erfolg", meinte er,
"wir sehen doch, immer, wenn wir kurzfristig davon abweichen, geben wir dem
Gegner Chancen". Das sei auch an diesem Abend so gewesen. Für Tremblay können
die Haie kommen, bange machen ließen sich die Adler nicht, "wir können
sie bezwingen". Am Dienstag um 19.30 Uhr ist es soweit. Im Gegensatz zu
anderslautenden Meldungen gibt es noch Karten für dieses Spiel, das in Mannheim
ja immer einen besonderen Stellenwert hat.
Greg Poss stand nach Spielende im Kabinenbereich und ihm war die Erleichterung
anzusehen. In den ersten beiden Dritteln habe sein Team sehr
stabil gespielt, zog er ein Resümee, dann aber leider im letzten Fehler gemacht,
die zur Führung der Freezers geführt hätten. Dass die Moral gut
gewesen sei, das wertete er als genauso wichtig wie die zwei Punkte, die
dringend eingefahren werden mussten. Freezers-Coach Mike Schmidt hatte ein
Wechselbad der Gefühle erlebt, dachte zwischendurch, man müsse mit leeren Händen
nach Hamburg zurückfahren, sah dann schon drei Punkte auf seiner Liste, um
schließlich auch so zufrieden zu sein.
Nicht zufrieden war Michael Bakos. Der war in Ingolstadt gegen die Bande
geknallt und hatte sich am Schlüsselbein verletzt. Also es sei keine
Fraktur, konstatierten die Ärzte, vielmehr sei das Gelenk wohl kurzfristig
rausgesprungen. Das sei, meinte der Baki, schmerzhaft, aber es heile wohl
relativ schnell. Gegen Köln aber wird er mit ziemlicher Sicherheit noch nicht
dabei sein. Ein wichtiger Mann mehr im Adler-Lazarett. Die Köpfe hoch
halten und punkten, das wollen die anderen aber auch so. Sie müssen es, wollen
die Play Offs erreichbar bleiben.
Angelika von Bülow