Adler-Aufbruchstimmung trotz Niederlage

Noch schweben die Mannheimer Adler zwischen zwei Systemen. Das erste Spiel unter
ihrem neuen Headcoach Helmut de Raaf verloren sie zwar, doch die
Aufbruchstimmung war überall spürbar nach dem 2:3 gegen die Iserlohn Roosters. Bei den Fans, den
Streitern hinter den Adlerkulissen, vor allem aber auch im Team, das
nicht schimpft über mehr Trainingseinheiten und einen gestrichenen
Urlaub. Devin Edgerton zu Hockeyweb: "Bei uns wird wieder viel
gelächelt, alle ziehen mit, wir wollen arbeiten. Es ist nur schade, dass
es heute nicht mit einem Sieg geklappt hat. Wir wollten für Helmut de
Raaf gewinnen."
Das erste Drittel begann mit viel Drang nach vorne. Offensive heißt
das Zauberwort, mit dem der neue Headcoach die Leute begeistern möchte.
Was man von der ersten Sekunde an merkte: Das Team bemühte sich nach
Kräften mitzuziehen. Nur einen Missklang hatte es vorab gegeben: Als die
Fans Mike Kennedy auspfiffen. Was im übrigen niemanden in der Kabine
wunderte. "Wir hatten das erwartet nach seinen Äußerungen zu Bill
Stewart", bekannte Devin Edgerton, "es war sicherlich nicht sehr
geschickt gewesen von Mike, so etwas zu sagen, und er überlegt sich ab
jetzt genau, wozu er sich äußert." Tatsache war, dass die Mannheimer
Anhänger sehr genau unterscheiden können, wer sich in der Öffentlichkeit
auslässt über welche Themen. Gerade Mike Kennedy unterstellen viele,
dass er nie seine wahre Leistungskraft abgerufen hat. Von ihm dann
hämische Worte über den ehemaligen Coach zu hören, das war den Fans
einfach zuviel.
Im ersten Drittel also Sturm und Drang der Adler, noch klappte vieles
nicht, aber das Bemühen war deutlich zu erkennen und wurde von den
Zuschauern honoriert. Viele hoffen, jetzt endlich wieder Lust am
Zuschauen zu bekommen, ein Gefühl, das in der letzten Zeit Mangelware
war. Der Schiedsrichter nicht immer sicher in seinen Entscheidungen. So
schaute er seelenruhig zu, als Tomas Martinec zweimal übel gefoult wurde
und ließ weiterspielen. Andrerseits gab er zwei Penalties in einem Spiel
für die Adler, auch dies überzogen.
In der vierten Minute schoss Corbet, der wieder 60 Minuten lang wie
ein Wilder ackerte, das erste Tor. Bedient worden war er von Podollan
und Edgerton. Den ersten Penalty, - nachdem Martinec bei einem
wunderschönen Alleingang aufs Tor von Kotschnew unsanft gestoppt worden
war - vergab Robert Hock. Kein Beinbruch, denn Hlushko auf Groleau und
Kathan setzte den Puck in der neunten Minute zum 2:0 ein. So hätte es
aus Mannheimer Sicht weitergehen können. Doch in der 16. Minute bremsten
die Roosters jäh den Höhenflug, als Black auf Adams und King Seliger im
Adler-Gehäuse überwand. Erneut in Überzahl schoss Cooper auf Melanson
und Hommel den Ausgleich in der 19. Minute.
Die Adler im zweiten Drittel anfangs verunsichert, jetzt zeigte sich,
dass sie das eine System noch nicht abgelegt, das andere noch nicht
verinnerlicht hatten. Was nicht anders zu erwarten gewesen war.
Innerhalb von zwei Tagen kann sich ein Team nicht restlos umstellen und
wenn es noch so viel arbeitet. Beide Seiten hatten letztendlich gute
Chancen und scheiterten an der jeweiligen gegnerischen Abwehr und den
Goalies. Drittel drei ausgeglichen, mal brannte es vor jenem Tor lichterloh,
mal vor dem anderen. Ein unglücklicher Treffer in der 54.
Minute, der Black auf Adam und King zugeschrieben wurde, kam flach auf
Seliger zu, wurde dann abgefälscht und sprang steil hoch ins Tor,
unhaltbar für Mannheims Torwart.
Drei Sekunden vor Schluss gab der Schieri nochmal einen Penalty, weil
das Tor der Iserlohner verschoben worden war. Diesmal scheiterte Roach,
das erste Spiel unter dem neuen Coach war verloren. "Das war doch nur
eine Momentaufnahme", äußerte sich Fan Sven Jung zur Niederlage. Er
freute sich, dass de Raaf das Traineramt bekommen hat und sah für die
Zukunft viele spannende Offensivspiele auf die Besucher zukommen.
Optimismus auch bei vielen Sponsoren, die wissen, dass man nun ein wenig
Geduld haben muss, bis die Umstellung gelungen ist. Auf jeden Fall,
konstatierten etliche, habe man gesehen, dass die Mannschaft kämpfe.
Iserlohns Trainer Doug Mason zeigte sich natürlich hocherfreut über
den Sieg seines Teams in Mannheim. Man habe, sagte er, gewusst, wie viele
Emotionen heute mitspielen würden. Sein Team habe einfach versucht, das
erste Drittel einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Nach dem 2:0 sei
ihm allerdings angst und bange geworden. Mannheim habe voller
Begeisterung gespielt. Dann aber wären seine Jungs zurückgekommen, er
sei "sehr, sehr stolz" auf sein Team. Und an Mannheim habe er sowieso
gute Erinnerungen, die ersten drei Punkte in seiner DEL-Trainerkarriere
habe er hier geholt im Jahre 1998.
Helmut de Raaf sah seine Mannschaft emotional sogar ein wenig
übermotiviert. Im zweiten Drittel hätten beide Teams ausgeglichen agiert, für die Zuschauer sei die Begegnung sicherlich spannend gewesen. Nur
hätte er natürlich sein erstes Spiel als DEL-Trainer gerne gewonnen,
meinte de Raaf. Auf die Frage eines Jounalisten, ob das Team fähig sei
konditionell drei Drittel Offensiveishockey überhaupt durchzuhalten,
betonte der neue Headcoach, dass eine Umstellung ja nicht nur mit den
Füßen vollzogen werde, sondern vor allem auch im Kopf. Er sei sehr
optimistisch.
Iserlohns Matt Higgins strahlte im Kabinenbereich. Man habe sehr wohl
gewusst, wie schwer es werde, in Mannheim zu gewinnen. Die Adler hätten
begeisternd angefangen und sehr viel Energie investiert. Die Roosters
hätten allerdings gehofft, dass man dieses Tempo nicht bis zum Schluss
durchhalten könnte. Mannheim habe sehr viele Chancen gehabt. Bei den
beiden Penalties musste Higgins lächeln: "Ich erinnere mich nicht, sowas
schon mal in einem Spiel erlebt zu haben. Das war schon merkwürdig." Für
sein Team hat Higgins ein gutes Gefühl, die Jungs hätten derzeit einen
guten Lauf, nun sei ihnen auch vor den nächsten Begegnungen nicht bange.
Frankie Groleau, der noch um einen Vertrag in Mannheim kämpft und dem
Vernehmen nach gute Chancen hat, betonte, wie angeregt jeder sei von dem
neuen System. Natürlich werde man Zeit brauchen, um es umzusetzen, aber
die Stimmung im Team sei prächtig. Jeder habe Spaß, auch das vermehrte
Training könnte den nicht verderben. Im Gegenteil, jeder sei froh um
einen Coach, der eine gerade Linie vorgebe und mitreißen könnte. Noch
allerdings, gab Groleau zu Protokoll, befinde man sich zwischen beiden
Systemen, zu sehr stecke das alte in den Köpfen und in den Knochen, aber
das werde schon bald anders aussehen. Die Philosophie von Helmut de Raaf
begeistere die Spieler, alle wollten mitziehen und sich einbringen. Und
außerdem, fügte Groleau noch an, "lachen wir jetzt alle viel mehr als vorher."
Auch Devin Edgerton betonte den Spaßfaktor, der viel zu lange gefehlt
habe. Sicherlich, es gäbe immer ein oder zwei Leute, denen passe gar
nichts, er selber aber habe das Gefühl, dass es Helmut de Raaf gelänge,
die Risse in der Mannschaft zu kitten, Gräben zuzuschütten und alle zu
motivieren. Alle seien bereit, hart zu arbeiten, das System des neuen
Coaches überzeuge, dafür investiere man gerne Arbeit, verzichte auf
Urlaub und versuche, topfit zu werden. Denn eines sei klar: Nur mit
einer Menge Kondition könne man das Offensivsystem spielen. Edgerton ist
sicher, dass alle mitmischen werden. Die Stimmung ist gut im Adler-Team.
Trotz der Niederlage, die man abgehakt hat. Positiv in die Zukunft zu
blicken, das ist das Gebot der Stunde, das alle wohl verinnerlicht
haben. Und insofern ist es eben doch ein Einstand nach Maß für de Raaf,
trotz der Niederlage. (Angelika von Bülow)