Schloder: „Das gesamte deutsche Eishockey muss auf den Prüfstand!“Olympia-Held Alois Schloder im Interview

Alois Schloder nimmt Stellung zur Situation des deutschen Eishockeys. (Foto: Daniel Fischer - www.stock4press.de)Alois Schloder nimmt Stellung zur Situation des deutschen Eishockeys. (Foto: Daniel Fischer - www.stock4press.de)
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Hockeyweb: Herr Schloder, haben Sie den Schock vom Sonntag schon verdaut? Und wo haben Sie das Trauer-Spiel erlebt?

Schloder: „Geschockt bin ich nicht, eher verärgert, wohin es mit dem deutschen Eishockey inzwischen gekommen ist. Nachdem ich die ersten beiden Spiele am Fernsehen verfolgte, bin ich zusammen mit dem Erich (Kühnhackl, d. Red.) zum Österreichspiel rübergefahren. Da hat noch keiner ernsthaft damit gerechnet, daß das Turnier diesen Ausgang nehmen würde.“

Hockeyweb: Hat man, hat insbesondere das Team die Aufgabe möglicherweise unterschätzt? War es zu überheblich? Ein paar Aussagen der Spieler im Vorfeld könnten das vermuten lassen.

Schloder: „Das glaube ich nicht. Wenn es darum geht, bei Olympia dabeizusein, sollte eigentlich jeder Spieler bis in die Haarspitzen motiviert sein. Und nun muss sich jeder einzelne hinterfragen, 'habe ich wirklich alles gebracht, was mir möglich war?' - Auf die Antworten wäre ich gespannt."

Hockeyweb: Sie zweifeln also vor allem an der Leistungsbereitschaft der Spieler?

Schloder: „Nun, entscheidend sind bei einem Spiel die Leute auf dem Eis, nicht der Präsident oder sonst jemand. Und wenn es um die Olympia-Teilnahme geht, brauche ich, überspitzt gesagt, eigentlich auch keinen Trainer: da laufe ich von alleine. Ich glaube, die Burschen haben noch immer nicht richtig begriffen, was sie hergeschenkt haben. Aber wenn sie im nächsten Jahr zuhause auf der Couch sitzen, während die anderen Nationen sich bei den Olympischen Spielen präsentieren, dann wird ihnen das sehr wehtun. Sie verpassen einen Fixpunkt im Sportlerleben. Das kann ihnen niemand ersetzen.“

Hockeyweb: Werden Sie konkret! Was ist Ihnen aufgefallen?

Schloder: „Nun, die Mannschaft hat im gesamten Turnier nicht in Topform gespielt. Das hat sich spätestens schon gegen Italien gezeigt. Ich habe den unbedingten Willen vermisst, da was zu reißen. Einzig die Hamburger Reihe mit Festerling, David Wolf und Flaake nehme ich da aus. Bei denen hat man immer gesehen: die wollten um jeden Preis zu Olympia. Aber wenn man gesehen hat, wie unsere Spieler nach dem zweiten Ausgleich der Österreicher Kopf und Schultern haben hängen lassen, da musste man schon mit dem Schlimmsten rechnen. Doch da waren noch 10 Minuten zu spielen. 10 Minuten! - Eine Ewigkeit im Eishockey... Natürlich ist die Spielerauswahl Sache des Trainers und anschließend ist man sowieso immer schlauer. Aber mir hat die körperliche Note eines John Tripp vor dem Tor absolut gefehlt. Keiner hat diese Rolle übernommen. Und wo waren denn unsere Führungsspieler? Wo waren ein Michi Wolf, ein Rankel, Barta oder Gogulla? Warum hat man mit vier Reihen weitergespielt und nicht mit den stärksten 10 Jungs versucht, das Ruder 'rumzureißen? Warum nimmt man nicht früher den Torwart vom Eis? Und warum stellt man gerade in einem solchen Spiel Rob Zepp ins Tor? Nichts gegen ihn, aber der stärkste deutsche Torwart ist er sicher nicht.“

Hockeyweb: Das betrifft nun schon deutlich den Aufgabenbereich des Trainers. Aber bleiben wir noch bei den Spielern: Worin sehen Sie denn Gründe für dieses Abtauchen in entscheidenden Situationen?

Schloder: „Das ist aus der Ferne schwer zu beurteilen. Schließlich sind alle diese Spieler ja auch Leitfiguren und sogar Top-Scorer in ihren Clubs. Aber vielleicht sind wir alle immer zu freundlich zu den Jungs. Es wird alles immer schön geredet. Auch im Fernsehen, die Experten - und ich schätze den Rick Goldmann ansonsten sehr - haben immer nur Verständnis und sehen alles gut. Da sind dann auch die Spieler irgendwann zu gut zu sich selbst.“

Hockeyweb: Sie haben eben schon Entscheidungen des neuen Bundestrainers Pat Cortina in Zweifel gezogen. Ist er aus Ihrer Sicht der falsche Mann?

Schloder: „Das kann und will ich so aus der Distanz nicht sagen. Aber die gesamte Trainerdiskussion ist doch hausgemacht. 2010 bei der Heim-Weltmeisterschaft war doch alles noch super. Uwe Krupp und Harry Kreis haben eine tolle Arbeit gemacht. Danach ging es doch nur noch immer weiter bergab. Warum hat man die beiden überhaupt austauschen müssen? Dann hat man vergeblich auf Ralph Krüger gewartet und nur noch zweitbeste Lösungen installiert. Das gleiche Theater mit dem Sportdirektorposten: Warum entlässt man einen Franz Reindl, wenn man über Jahre keinen Ersatz hat? Nun soll das der Pat Cortina ab Sommer zusätzlich machen: langfristige Konzepte für das deutsche Eishockey entwickeln und diese auch durchsetzen. Ich will ihm die Fähigkeit dazu nicht absprechen, aber ich habe an dem gesamten Modell so meine Zweifel. Und warum man ihn gleich mit einem 3-Jahresvertrag ausstatten muß, ist mir auch ein Rätsel. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn die WM im Mai auch wieder in die Hose geht..."

Hockeyweb: Befürchten Sie das?

Schloder: „Man muss doch zumindest mit dieser Möglichkeit rechnen. Vielleicht erleben wir aber auch eine ähnliche Reaktion wie bei den deutschen Handballern, jetzt bei der WM in Spanien, nachdem sie ja auch die Olympischen Spiele im letzten Sommer verpasst hatten.“

Hockeyweb: Und dann wäre alles wieder gut?

Schloder: „Nichts ist gut. Das gesamte deutsche Eishockey gehört auf den Prüfstand - alles! Die Außendarstellung unserer Sportart ist verheerend. Was passierte denn nach der tollen Heim-WM im Sommer 2010? Es wurde nur noch über Insolvenzen, Paragraphen und Lizenzen für Kassel und Frankfurt gesprochen. Dann das Theater mit dem Kooperationsvertrag zwischen DEB und DEL, dann auch noch der mit der Zweiten Liga. Da sitzen überall viel zu viele Leute in entscheidenden Positionen, die von dem Sport überhaupt keine Ahnung haben und denen die nachhaltige Entwicklung der Sportart zum Teil wohl auch egal ist.“

Hockeyweb: Gestern sollen Sie DEB-Präsident Uwe Harnos zum Rücktritt aufgefordert haben. Wären die Probleme denn damit gelöst?

Schloder: „Das habe ich so nicht getan. Ich habe nur gesagt, dass Herr Harnos mal in den Spiegel schauen und sich dann die Frage beantworten muss, ob er mit seinen Entscheidungen der letzten Jahre zum Wohl des deutschen Eishockeys beigetragen hat. Und aus seiner Antwort muss er dann die richtigen Konsequenzen ziehen. Aber natürlich ist der DEB in einer schwierigen Lage, für die Herr Harnos keine Schuld trägt. Er ist zum Bittsteller bei der DEL verkommen. Diese Strukturen aus Zeiten seiner Vorgänger müssen geändert werden, keine Frage. Doch die Substanzverluste aus all den zuvor geschilderten Querelen sind doch so groß, dass gar keine Kraft und kein klarer Blick mehr bleibt für bessere Entscheidungen. Und überdies fehlt mir bei all diesen Geschehnissen und halbgaren Lösungen das Herzblut für unseren Sport."

Hockeyweb: Sie beklagen zu viele fachfremde Entscheidungsträger an den Hebeln von Verbänden und Clubs. Schmort aber andererseits das Deutsche Eishockey nicht auch zu sehr im eigenen Saft? Das Fahrstuhl-Dasein in den Nachwuchsmannschaften zwischen A- und B-Gruppen ist doch zum Beispiel schon zur Natur gegebenen Gewohnheit geworden...

Schloder: „Sie sprechen mir aus der Seele. Dieser ganze Bereich gehört ordentlich durchgemischt und abgestaubt. Dort müssen immer wieder neue Impulse gesetzt werden. Dort müssen junge deutsche Trainer-Tandems arbeiten, die sich beweisen wollen, neue Akzente setzen, an ihren Erfolgen gemessen werden und die Sprache der Jugend sprechen.“

Hockeyweb: Bleibt die Frage, wer all diese Herkulesaufgaben lösen soll? Stünde denn ein Alois Schloder dafür zur Verfügung.

Schloder: „Sicher nicht als Gallionsfigur und Vorzeige-August. Da muss sich ein schlagkräftiges Team finden, das all diese Probleme angeht, echte nachhaltige Lösungen findet und durchsetzt und damit das deutsche Eishockey neu aufstellt.“

Hockeyweb: Herr Schloder, wir danken Ihnen für dieses offene, mitreißende  Gespräch!


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