Notizen von der Leine

Stimmen nach dem Spiel Kanada - Deutschland
Sportdirektor Franz Reindl: “Die ersten Minuten waren sehr frustrierend, aber es war imponierend,
wie die Mannschaft zurückgekämpft hat. Das letzte Drittel war sogar super zum Anschauen. Unsere
Mannschaft kam schwer in Tritt, weil das Turnier auch sehr kräfteraubend war.”
Bundestrainer Greg Poss: “Wir haben die ersten 22 Minuten ein bisschen geschlafen. Nach dem
fünften Gegentor haben wir sehr gut gespielt, und zwar so, wie wir uns das vorgestellt haben. Die
kanadische Manschaft ist eine sehr gute, und es ist sehr schwer, so ein Spiel umzubiegen. Aber ich
bin stolz auf die Art undWeise, wie wir es versucht haben. Wegen meiner sportlichen Zukunft werde
ich zunächst mit meiner Frau sprechen.”
Kanadas Nationalcoach Marc Habscheid: “Wir starteten gut, warteten geduldig ab und wurden im
Laufe des Spiels immer besserer und sicherer.”
Daniel Kreutzer: “Wir waren am Anfang einfach nicht da. Diese Tatsache haben die Kanadier
ausgenutzt. Wir müssen erst einmal das System in den Kopf kriegen. Im Spiel wussten wir, dass es
langsam peinlich wurde. Dann versuchten wir aufzuholen; die drei Pfostenschüsse sagen alles. Der
Bundestrainer hat vor allen Dingen unser Verhalten bei 1:1 bemängelt. Wir brauchten uns trotz allem
nicht zu verstecken.”
In der abschließenden Pressekonferenz betonte Turnierdirektor Marco Stichnoth selbstkritisch, dass
“Schularbeiten in bezug auf Marketing” gemacht werden müssen. Rund 12.000 Zuschauer waren
sicherlich auch nicht das Maß aller Dinge. Außerdem setzte Personal- und Finanznot den
Möglichkeiten der Veranstalter Grenzen, das war an vielen Beispielen ersichtlich. Sogar an den
Unparteiischen wurde gespart, denn bisher war es aus verständlichen Gründen nicht üblich, dass
Schiedsrichter Spiele der eigenen Teams pfiffen. Und dass eine vierte Nation eingeladen wurde, war
auch nicht der Weisheits letzter Schluss. Was jedoch trotz allem unbestritten ist: Hannover würde
gern weiterhin als Standort für den Deutschland-Cup auftreten. Rafael Voigt, Geschäftsführer der
TUI-Arena: “Eine Turnierfortführung ist gewünscht.” Ob er in den nächsten Tagen die
entsprechende Option ausüben wird, ließ er allerdings offen. DEB-Präsident Hans Ulrich Esken
zeigte sich recht zugeknöpft: “Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, über einen Standortwechsel zu
reden. Es wäre voreilig, Rückschlüsse zu ziehen.” Sein Stellvertreter Uwe Harnoß hatte sich kurz im
Kabinentrakt sehen lassen, aber offensichtlich nur, um ein Trikot “abzustauben”.
Und der Bundestrainer, der ähnlich wie sein Vorgänger Hans Zach (er hatte im November 1998 in
Sloweniens Hauptstadt Laibach die Qualifikation für die A-WM nicht geschafft und war somit
abgestiegen) mit einem Misserfolg seine Laufbahn in seiner neuen Funktion begann? Der
unermüdliche Arbeiter wirkte besonders nach dem mit 2:6 verlorenen Spiel gegen die Slowakei nicht
nur angefressen, sondern auch sehr nervös. Ununterbrochen hantierte er auf seinem Platz mit
verschiedenen Getränkebehältern, schüttete Wasser und Mixgetränke in sich hinein, wartete dabei
mit sichtlichem Unbehagen auf den Beginn der Pressekonferenz. Wie erleichtert klang dann seine
rhetorische Frage gegen Ende des Frage- und Antwortspiels “noch irgendwelche Fragen?”, bevor er
sich dem Kollegen eines sauerländischen Lokalsenders widmete. Dass sein neues System nicht schon
bei seinem ersten Turnier greifen würde, hätte vorher eigentlich jedem klar sein müssen. Von totaler
Disziplin auf Kreativität umzuschalten, würde auch von talentierteren Akteuren als den unseren nicht
problemlos umgesetzt werden können. Die Masterfrage bleibt: Haben die Adlerträger überhaupt das
Potenzial und das “Material”, um mit den Großen spielerisch mitzuhalten? Mit anderen Worten: Ist
das System überhaupt praktikabel? Oder ist es nicht generell besser, in Ermangelung dieser
Voraussetzungen wieder stur auf Zach´sche Disziplin zu setzen? Schon in den letzten Tagen merkte
jeder, dass Cracks wie Jan Benda, Jochen Hecht (Bundestrainer Greg Poss: “Jochen verliert nie einen
Zweikamp und macht alles richtig. Es ist ein Genuss, ihn in den eigenen Reihen zu haben.”), Mirko
Lüdemann oder Marco Sturm einfach nicht zu ersetzen sind. Es bleibt dabei, was wir seit Jahren
sagen: Deutschland ist kein Eishockey-Land; man kann uns nicht mit den richtigen “Großen”
vergleichen. Recht treffend äußert sich Ex-Bundesliga-Schiedsrichter Dieter Zelfel: “Man kann aus
Ackergäulen keine Rennpferde machen, man kann sie nur ackern lassen.”
An der Leine hat sich der Kreis geschlossen, denn auch im ersten Deutschland-Cup in Hannover
belegte die Nationalmannschaft den letzten Platz. Vor vier Jahren gewann Kanada das Turnier vor
der Schweiz und der Slowakei. Heuer verteidigte der letzte Gewinner und für dieses Mal der hohe
Favorit USA erfolgreich den Cup. Lediglich gegen die nordamerikanischen Rivalen aus Kanada
verloren die “Amis” und gestalteten sonst alle Partien siegreich. Zweiter wurde Kanada vor den
Schweizern und den im letzten Match enttäuschenden Slowaken.