Deutscher Eishockeynachwuchs / Standortbestimmung vom NHL-Scout
Auflösung des Hockeyweb-GewinnspielsU18
So erfreulich die Aussichten bei der
U20-Auswahl sind, so besorgniserregend ist meine erste Standortbestimmung für
die U18-Mannschaft. Bereits im letzen Jahr, als sie noch die Deutsche
U17-Auswahl repräsentierten, hatte ich ein ungutes Gefühl. Dieses Gefühl hat
sich beim Besuch des Sommer-Camps in Davos leider bestätigt. Die Deutschen
wurden von den Schweizern phasenweise regelrecht vorgeführt. Der Sieg im
dritten Spiel nach „Penaltyshots“ täuscht; die Schweizer sind aus heutiger
Sicht im Duell gegen den Abstieg an der im April 2007 stattfindenden U18-WM in
Finnland klar zu favorisieren. Falls die Auswahlverant-wortlichen nicht noch
den einen oder anderen Trumpf aus dem Aermel ziehen können, d.h. herausragende
Spieler die in Davos nicht dabei waren, dann wird es sehr, sehr schwierig. Die
Deutschen dieses Jahrgangs sind im Durchschnitt läuferisch und stocktechnisch
zu limitiert, um mit der Weltspitze mithalten zu können. Dies ist bedauerlich
denn in den letzten zwei bis drei Jahren hatte ich eine klare Aufwärtstendenz
bei den Deutschen Auswahlmannschaften konstatiert. Dieser Rückschlag kann auch
nur Zufall sein, selbst bei den Spitzennationen gibt es zwischendurch
schwächere Jahrgänge. Ich hoffe deshalb, dass die U17- und U16-Teams des DEB
wieder mit mehr Talent gesegnet sein werden. Falls nicht, darf leider nicht von
einem Aufschwung in der Deutschen Eishockeynachwuchsbewegung gesprochen werden.
Lassen wir uns von den schönen Erfolgen der aktuellen U20-Mannschaft nicht
blenden. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!
Es wäre falsch, alles schlecht zu reden,
was diese Deutsche U18-Auswahl zu bieten hat. Es gibt einige Talente, die sich
aber im Hinblick auf eine allfällige NHL-Karriere wesentlich entwickeln
müssten. Bei den Torhütern gefällt mir der solide Timo Pielmaier mit seinem präzisen Butterfly-Stil, er muss sich aber vor
allem noch bei hohen Schüssen verbessern. Bei den Verteidigern haben aus
heutiger Sicht der Türkisch stämmige Sinan Akdag,
Andreas Gawlik – der Bruder des
Eisbären-Stürmers Christoph – Sören Sturm
und Denis Reul das beste Potenzial.
Der groß gewachsene und im Oberkörperbereich kräftige Denis Reul wirkt zwar manchmal noch etwas
tapsig und unkoordiniert, zudem muss er sich schlittschuhläuferisch stark
verbessern und an Beinkraft und an Kraft im Rumpfbereich zulegen, aber irgendwo
orte ich bei ihm Potenzial zu einem wirklich guten defensiven Verteidiger. Bei
den Stürmern zeigten André Huebscher,
Patrick Geiger, Alexander Oblinger und Steven Rupprich gute Ansätze. Oblinger hat das Potenzial zu einem
guten Defensivstürmer, Huebscher ist
beweglich und ist mit ziemlich weichen Händen gesegnet. Bei Steven Rupprich überzeugen mindestens die
physischen Voraussetzungen und sein kämpferische Stil, was ihn für die Zukunft
interessant macht.
Europas Probleme
Soeben zurück vom ersten „Stelldichein“ der
weltbesten Spieler mit Jahrgang 89 – dem U18-8-Nations World Cup in Tschechien
und der Slovakei – komme ich nicht umhin, die gesamteuropäische Eishockeyausbildung
ansatzweise zu kritisieren. Zum wiederholten Male dominierten die
Auswahlmannschaften aus Nordamerika. Auffallend vor allem die läuferische
Ueberlegenheit der US-Boys und der Kanadier und diese Analyse trifft sogar im
Vergleich mit der Russischen Auswahl zu. Powerskating heisst das Zauberwort.
Die Nordamerikaner dominieren uns Europäer vor allem in diesem Bereich und
legen ganz bestimmt sehr viel mehr Gewicht auf dieses Element bei der
Grundausbildung. Ich frage mich seit einigen Jahren wann und wie die Europäer
auf diese Defizite reagieren werden. Es ist Jahr für Jahr eindrücklich, mit wie
viel Schub und „Power“ die Nordamerikaner übers Eis fliegen. Die Russen
„kontern“ zwar mit eindrücklichen Kufen-Akrobatikeinlagen aber selbst sie
können bei normalen Laufduellen nicht mit den besten „Powerskatern“ aus
Nordamerika mithalten. Mein Rat an alle Ausbildungsverantwortlichen:
Powerskating heisst das Zauberwort der nächsten Jahre. Die Deutschen haben
selbstverständlich auch noch andere Defizite, vor allem im Bereich der
Scheibenkontrolle, trotzdem empfehle ich dringend, die Entwicklung im
Powerskating nicht zu verpassen.
Thomas Roost, Central
Scouting Europe