Andreas Gensel und das Eisbären-Nachwuchskonzept

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Herr Gensel, die vergangene Saison ist seit

mehreren Monaten Geschichte. Wie sieht Ihr Fazit zur vergangenen Saison aus,

nachdem man ein wenig Abstand zu allen Erfreulichkeiten und Ärgernissen gewonnen

hat?

Wir haben besser abgeschnitten als es die meisten im unmittelbaren

Umfeld erwartet hatten. Dies lag nicht allein nur am vorhandenen Talent sondern

auch an der Einstellung zu Spiel und Gegner. Meine Mannschaft hatte in der

ersten Saisonhälfte durchaus ansehnliche Spiele geboten und am nächsten Tag

alles mit zu laxer Einstellung wieder kaputt gemacht. Es geht nicht, dass man am

Samstag eine Mannschaft haushoch schlägt und am Sonntag gegen den gleichen

Gegner praktisch genauso hoch verliert. Man verlernt ja nicht innerhalb von 12

Stunden das Eishockey. Dies ist uns mehrfach passiert und da mussten wir

entsprechende Maßnahmen ergreifen. Nach kurzer Zeit hatte die Mannschaft dann

wohl begriffen, worum es geht und wir haben vor und nach Weihnachten eine recht

beachtliche Serie hingelegt, in welcher wir auch den Grundstein für den 3.Platz

schufen. Es war reine Kopfsache, das durchaus vorhandene Talent in die

bestmöglichen Ergebnisse umzuwandeln.

Welche Maßnahmen waren das?

Unpopuläre, ist doch klar! Wir haben

an den Sonntagen den Tag sehr früh begonnen, regelrecht gemeinsam Frühsport

gemacht. Einige Leistungsträger mussten nach einer sehr enttäuschenden Partie

auch mal eine Zusatzeinheit absolvieren, da wir nicht den Eindruck hatten, dass

trotz peinlicher Niederlage beim Tabellenletzten das Nachdenken über die

gezeigte Leistung eingesetzt hatte. Leider haben wir dann im Viertelfinale

wieder unsere Linie verloren, individuelle Fehler gemacht, die taktische

Disziplin vernachlässigt und sind verdient ausgeschieden, obwohl wir Talent für

mehr als nur Viertelfinale hatten.

Nun sind die Mannschaften der DNL ja eigentlich

Ausbildungsteams, um den begabteren Spielern eine Plattform zu bieten und sich

für die nächsthöhere Aufgabe anzubieten. Gerade in Berlin schaut man ja eher

darauf, wie viele Jungs es ins Oberliga- oder gar ins DEL-Team schaffen als auf

die Anzahl der Pokale in der Vitrine. War in dieser Hinsicht die letzte Saison

ein Erfolg oder gab es Enttäuschungen?

Also im Hinblick auf die Leistungsentwicklung der Spieler haben wir recht gute

Jungs „abgeliefert“. Solche Spieler wie Jens Heyer, Christopher Kasten oder

Gregor Stein haben im DNL-Team eine enorme Leistungsentwicklung vollzogen und

damit können wir durchaus zufrieden sein. Aber auch Leute wie Daniel Weiß oder

Dominik Bielke, welche ja noch in der kommenden Saison spielberechtigt wären,

haben eine derartige Entwicklung genommen, dass ich mit Ihrem Einsatz bei uns

nur noch selten rechnen kann.

Unser Konzept

hat für den Einzelnen ja in den letzten Jahren immer ganz gut funktioniert, aber

als Trainer sehe ich auch meine Mannschaft. Und Eishockey ist nun mal kein

Sport, bei dem jeder für sich nach 30 m Anlauf in die Weitsprunggrube hüpft und

dann dem Publikum zuwinkt. Als Trainer wird man halt immer auch am

Mannschaftserfolg gemessen. Und wenn eine Mannschaft 300 Tage im Jahr hart

arbeitet, dann soll sie sich auch als Mannschaft den verdienten Lohn abholen.

Wenn da dann 2 Jungs nach wenigen Oberliga-Spielen schon mit erhobener Nase

übers Eis stolzieren, dann kann das die Arbeit der ganzen Mannschaft gefährden.

Da gilt es als Verein noch mehr den Hebel anzusetzen, denn diese Spieler sollen

ja die Mannschaft stärker machen und nicht durch ihre egoistische Spielweise

schwächen.

Sie sind jetzt seit mehreren Monaten mit dem

neuen Kader im Sommertraining, die unmittelbare Saisonvorbereitung läuft.

Zufrieden?

Ich

muss sagen, dass ich wie schon im letzten Jahr recht zufrieden mit der Arbeit

der Mannschaft bin. Bis auf wenige Ausnahmen sind auch die meisten wirklich

bereit gewesen, hart für die neue Saison zu schuften. Wir geben nur die Übung

und den Zeitumfang vor, die Intensität bestimmt jeder für sich. Und wer nicht

100% gibt, wird es spätestens zu Saisonbeginn merken. Letztlich sind es 16

Wochen harte Arbeit, die darüber entscheiden, ob ich in der Saison auch am

Wochenende intensiv arbeiten kann oder nicht. Wer dies nicht begriffen hat, der

wird es in dieser Liga sicherlich schwer haben.

Sie waren vor kurzem mit der Mannschaft in

Zinnowitz, um dort ein einwöchiges Trainingslager abzuhalten. Nun gibt es aber

in Zinnowitz gefrorenes Wasser höchstens am Eisstand auf der Strandpromenade.

Von Eistraining wie es in Berlin möglich wäre also keine Spur. Macht das Sinn?

Dadurch das wir hier in Berlin ideale Trainingsbedingungen mit allem

Schnickschnack haben, sind die Jungs praktisch durchgängig bis Ende Juni auf dem

Eis. Danach folgen 3 Wochen Ferien mit Freundin oder Eltern und dann startet die

unmittelbare Saisonvorbereitung. Eiszeit war also genug vorhanden. Ich gehe da

lieber nach den drei Wochen Pause hart in die Athletik, würde mit den Jungs eh

weniger aufs Eis gehen.

Außerdem darf

man den klimatischen Aspekt der Ostsee nicht übersehen. Die Jungs kommen

manchmal mit nicht ganz verheilten Blessuren im Hautbereich dorthin und da hilft

das Salzwasser ungemein. Auch lockert das ganze Drumherum alles ein bisschen

auf: der Strand, Wasser, Meeresluft, andere Sportler, die einfache, aber

zweckmäßige Unterbringung, die anständige Verpflegung. Es ist alles da, um gut

zu trainieren. Auch muß man bedenken, dass die Spieler nur wenig Ferien haben

und wir so noch eine Woche mit zusätzlichem Erholungseffekt bieten

Natürlich würde ich auch nach

Tschechien oder in die Schweiz fahren, wenn es jemand anbietet. Aber für diesen

Preis (30 € je Person/Tag) müssen sich andere Anbieter ziemlich strecken. Es ist

ja auch alles eine Kostenfrage. Ich brauche dort oben keinen Bus, hab alles auf

einem Fleck und wo die Klitschko-Brüder trainieren, kann es nicht schlecht sein.

Was zahlt denn der Verein für das Trainingslager?

Nichts.

??? (Fragender

Blick des Reporters)

Die Eltern zahlen den Beitrag für das

Trainingslager, die Jungs kommen in Fahrgemeinschaften dort oben an und werden

auch wieder abgeholt. Das geht bei einem Trainingslager in Kanada oder in

Österreich für uns Berliner natürlich nicht mehr. Wir fahren jetzt für drei Tage

zu einem Turnier nach Tschechien, zahlen wir für jeden Spieler 120 € für

Unterkunft und Verpflegung, wovon der Verein 50 % bezahlt, hinzu kommt der Bus.

Da kann sich jeder die Kosten für ein einwöchiges Trainingslager dort

ausrechnen.

Sie sind seit vielen Jahren hier bei den Eisbären

Nachwuchstrainer, haben auch noch die Zeiten der DDR-Sportförderung erlebt. Was

würden Sie gerne im Bereich der Trainingsmöglichkeiten im Nachwuchsbereich

ändern, wenn Kosten keine Rolle spielen?

Wir

haben eigentlich optimale Bedingungen hier, den ganzen Sommer Eis, gute

Möglichkeiten fürs Athletiktraining und in unmittelbarer Umgebung stehen nicht

nur Hochhäuser sondern auch Bäume. Natürlich würde ich auch gerne mal eine Woche

mit den Jungs ins Ausland fahren. Aber daran arbeiten wir ja. Und ansonsten ist

alles da, um hier gut zu trainieren und dabei die Schule oder die Ausbildung

nicht zu vernachlässigen. 

In der Vorbereitung fährt Ihre Mannschaft

lediglich zu dem schon erwähnten Turnier nach Rokycany mit vier Spielen. Ist das

nicht ein bisschen wenig?

Wir

haben jetzt noch kurzfristig ein Spiel gegen den ECC Preussen organisiert. Aber

es stimmt schon, ein bisschen wenig ist es. Da sind wir jedoch wieder bei den

Kosten. Wir schwimmen ja nicht im Geld, auch wenn es einige Außenstehende

glauben. Wenn wir einen Gegner nach Berlin einladen, hat dieser immer recht hohe

Kosten wegen des weiten Weges, da winken viele ab. Vor einigen Jahren war das

kein Problem, da sind wir mit der Straßenbahn zu den Caps gefahren und hatten

einen starken Gegner. Drei Tage später hast Du alle in einen Bus verfrachtet,

bist nach Weißwasser gefahren und hattest einen Gegner, der in der Liga

gefürchtet war. Das ist leider alles nicht mehr. Eishockey ist doch schon teuer

genug, da müssen wir wirklich gut überlegen, was sinnvoll ist und was nicht.

Natürlich wäre ich gern in so einer Situation wie Düsseldorf oder Bad Tölz, da

liegen die Gegner in unmittelbarer Nachbarschaft und dann kann man einfacher

organisieren. Wir müssen eben das Beste daraus machen.


Ist es denn sinnvoll, viele Spiele zu machen?

Man

soll es nicht übertreiben, aber ganz ohne kommt man auch nicht aus. Du brauchst

einfach Spiele, um die notwendige Intensität reinzubringen, einen gewissen

Rhythmus aufzubauen. Ich bin aber auch kein Freund davon, sofort nach der Pause

mit Vorbereitungsspielen zu beginnen. Nach 10 Tagen Eistraining ist es

sicherlich in Ordnung, den harten Trainingsalltag mit einem Spiel aufzulockern

und die einzelnen Taktikübungen in die Realität umsetzen zu lassen. Letztlich

soll aber der Großteil der Spiele kurz vor dem Punktspielstart liegen.

(Interview und Foto: MB) 


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