Lorenz Funk: Ein Großer ist gegangenEin ganz persönlicher Nachruf

Gesprächsstoff gab es immer. Hockeyweb-Reporter Ronald Toplak mit Lorenz Funk. Foto: privatGesprächsstoff gab es immer. Hockeyweb-Reporter Ronald Toplak mit Lorenz Funk. Foto: privat
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Ich muss es zugeben, ich brauchte einen Tag, bevor ich die Todesnachricht von Lorenz ’Lenz“ Funk senior verarbeitet hatte. Es gibt kaum einen Sportler oder Funktionär, der mich in meiner Karriere so geprägt hat. Für seine Leistungen im Eishockey-Sport wurde er in jedem Nachruf bundesweit umfassend gewürdigt. Deshalb möchte ich über den Menschen Lenz Funk erzählen.
Manchmal ist das Leben ein richtiges Drecksschwein. Niemals hätte ich gedacht, dass diesen Baum von einem Mann irgendetwas fällen könnte. Auch nicht nach der bitteren Krebsdiagnose. Jammern war seine Sache nicht. Er wollte kein Mitleid. Er nahm sein Schicksal an. Doch er hatte keine Chance. Die finstere Macht der Geißel Krebs war unaufhaltsam. Zu stark. Auch für diesen bajuwarischen Bären.
So richtig aufmerksam wurde ich auf Lenz Funk als Fan. 1976, gerade 11 Jahre alt, erlebte ich vor dem Fernseher mit, wie Funk mit der Nationalmannschaft die Bronzemedaille bei Olympia in Innsbruck holte. Der 14. Februar war ein bitterkalter Tag und ich ging mit meinen Freunden zum nahe gelegenen Kiesteich. Wir wollten Schlittschuh laufen. Machten wir auch, ich leider nicht sehr lange. Ich brach ein. Pitschnass und durchgefroren kam ich nach Hause. In Decken eingemummelt setzte ich mich zu meinem Vater vor den Fernseher und verfolgte gebannt eine Sensation. Mit einem 4:1 gegen die USA holte das DEB-Team das niemals für möglich gehaltene Edelmetall. Selbst mir als kleinem Jungen war die Dimension dieses historischen Augenblicks bewusst, den ich nur durch mein Malheur nicht verpasste.
Das Ereignis wird mir wohl immer in Erinnerung bleiben. Wie auch die Deutsche Meisterschaft des Berliner Schlittschuh-Clubs im selben Jahr. Doch richtig zum Idol wurde Lenz für mich erst, als er nach dem Bankrott des Klubs Berlin die Treue hielt. Viele Jahre später bekam ich als Journalist beim Berliner Kurier die Aufgabe zugeteilt, die Eisbären zu betreuen. Inzwischen war Funk beim EHC beschäftigt. Als Manager.
Ich platzte was vor Aufregung, als ich ihn erstmals treffen durfte. Einen der größten Eishockeyspieler, den Deutschland je hervorgebracht hat. Der wie kein anderer dem Kufensport in der Hauptstadt seinen Stempel aufdrückte. In West und Ost. Verständlich, dass ich damals vor der Eishockey-Legende in Ehrfurcht erstarrte. Doch schnell spürte man seine menschliche Wärme. Er machte es mir, dem aufgeregten Jung-Reporter, leicht. Es entwickelte sich schnell eine Beziehung, die weit über das journalistische Tagesgeschäft hinaus ging. "Toppi, jetzt sag i di moal was“, so (oder so ähnlich) begann fast jedes Gespräch mit Lenz, wenn ich eine Frage gestellt hatte. Fast nach jedem Spiel der Eisbären philosophierten wir über Gott und die Welt. Bei weitem nicht nur über Eishockey. Das konnte schon mal bis tief in die Nacht gehen.   

Auch wenn Lenz zu dieser Zeit mehr Zeit in Berlin als in der Heimat verbrachte, bewahrte er seine bayrischen Eigenheiten. Zum Beispiel beim Haxenwirt, wo er seinen eigenen Bierkrug besaß. So bemerkte er einst auch freudig, als ich mit Haferlschuhen im Welli auftauchte. Sein Lachen ließ den an diesem wolkenverhangenen Tag den preußischen Himmel plötzlich in blau-weißen Farben erstrahlen.
Wie es aber wirklich in Bayern zuging, durfte ich 1995 erleben. Die Eisbären hielten ihr Trainingslager in Bad Tölz ab. Mein Kollege von der Bild-Zeitung und ich dürften bei Familie Funk übernachten. Wir beide wurden fast wie die eigenen Kinder aufgenommen, in deren Zimmern wir nächtigten. Jeden Morgen zauberte uns Lenz‘ Frau Marlene ein bayrisches Frühstück, das seinesgleichen suchte. Ihre Freundlichkeit erstickte aber jedes schlechte Gewissen im Keim. Gastfreundschaft ist eben ein Markenzeichen im Hause Funk. Die Tür stand offen. Immer. Und so wurde es oft eine große Tafel. Bei der auch manchmal der ein oder andere Eishockey-Star vorbeischaute. 
Stolz war Lenz bekanntlich vor allem auf seine Brieftauben. Natürlich gab es auch einen Besuch bei den Taubern, Männern, die sein Hobby teilten. Am Ende der Reise bekam ich übrigens ein Lexikon von Langenscheidt geschenkt: Bairisch-Deutsch/Deutsch-Bairisch. Meine fragenden und unwissenden Augen müssen oft zu offensichtlich gewesen sein.
Wie riesengroß der Stellenwert von Lenz Funk vor allem in seiner Heimat war, erlebte man, als wir im Rahmen des Trainingslagers mit den Eisbären zu Testspielen reisten. Von Klostersee bis Rosenheim, Lenz wurde überall wie ein Eishockey-Gott empfangen. Und wir durften als Reporter in seiner Persönlichkeit baden.
Zuletzt besuchte ich Lenz zu seinem 65. Geburtstag. Es war eine Überraschung. Gemeinsam mit dem oben erwähnten Kollegen fuhren wir als Abordnung der Berliner Journalisten nach Greiling. Lenz war, klar, beim Spiel seiner Tölzer Löwen. Und wir trafen ihn, wo sonst, in der Kabine. Er freute sich riesig. Also wurde gefeiert. Spontan. Herzlich. Inoffiziell. Am nächsten Tag gab es die offizielle Party, bei der sich die Eishockey-Prominenz die Klinke in die Hand gab. Abends dann spielte der FC Bayern bei Hertha BSC. Klar, dass Lenz mir erlaubte, die Partie im TV zu schauen. Als bekennender Sechziger fieberte er mit mir mit. Half nicht viel, Hertha vergeigte 0:6. Bitter? Nicht wenn Lenz in der Nähe war. Mit seinen Händen, die wie ein Schraubstock zupacken konnten, gab es einen aufmunternden Klaps auf meine Schulter. Und der Frust war vergessen. Vielleicht schaut Lenz ja am Sonntag von oben zu, wenn die alte Dame erneut auf den Rekordmeister trifft. Vielleicht? Quatsch, ich bin mir sicher!    
Ich könnte viel mehr über Lenz Funk senior erzählen. Ich beschränke mich auf nur einige, wenige Anekdoten. Die aber hoffentlich zeigen, was für ein fantastischer Mann er war. Geradlinig. Ehrlich. Hilfsbereit. Was er als Spieler, Trainer, Manager und vor allem als Mensch bewirkt hat, ist nicht mit Gold aufzuwiegen. Ein ganz Großer ist vom Eis gegangen.

Lenz, ich schicke dir diese Zeilen per Brieftaube in den Himmel. Um es in deinen Worten zu sagen: Habe die Ehre! (Autor: RT)


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