Bandencheck: Die Hockeyweb-Kolumne von Alexander Brandt
Montag. Es ist schwül. Nein, nicht in der Stadt Amiens, sondern in
der Eishalle. Sie befindet sich in einem Hallenkomplex zusammen mit
einer Trainingsfläche und einem Schwimmbad. Das tropische Klima dieses
Bades prägt das gesamte Areal, man sitzt und schwitzt. Das
Pressezentrum befindet sich genau zwischen Eishalle und Schwimmbad, mit
Einblick in beide Hallen, Rechts trainieren die Japaner, links rutschen
Mädels ins Wasser. Wären sie 15 Jahre älter, würden wir wohl links
sitzen. Uwe Krupp beobachtet die Japaner und macht sich Notizen. Woran
orientiert der sich? Die sehen alle gleich aus und tragen keine Nummern
auf den Trainingstrikots! Vielleicht notiert er sich die Übungen, weil
er die auch mal ausprobieren will? Ansonsten ist der Bundestrainer
lockerer als zuletzt. "Unser Scouting Staff hat das Training der
Israelis beobachtet und uns informiert", sagt er. Wir staunen. Sowas
haben wir, ein Scouting Staff? Wer ist das? "Franz Reindl", grinst Uwe.
Der hat offensichtlich berichtet, dass die Israelis nur 15 Mann haben,
die nicht Schlittschuh laufen können. Der Eindruck bestätigt sich
später im Spiel. Beim 8:0 kommentiere ich, dass Don Jackson jetzt den
Torhüter vom Eis nehmen würde. Kollege Werner Nieleck meint beobachtet
zu haben, dass das Eis vor dem israelischen Tor abschüssig sei.
Spannung kommt beim Spiel nicht auf, hinterher aber, und wie! Als wir
unsere Texte in die Laptops hacken, bricht die Internet-Verbindung
zusammen, nichts geht mehr. Ich versuche es altmodisch mit meiner
Handy-Karte, aber das geht plötzlich auch nicht mehr. Panik, Schweiss.
Immer mit der Ruhe, Windows nochmal starten. Ein Berliner Kollege läuft
Amok, er muss in zehn Minuten liefern. Wir überlegen, was wir tun
können, um die verloren geglaubte Partie noch zu drehen. Torwart
rausnehmen? Der ist schon lange draussen. Meine Handykarte funktioniert
wieder. "Hey, ich bin drin!" Sofort beginnt eine wüste Prügelei um
meinen Laptop, jeder will seine Texte zuerst verschicken. Am Ende ist
es nochmal gut gegangen, Shakehands und alles ist vergessen.
Wir haben ein wenig Angst um Marco Sturm, den die meisten Spieler
wohl nur mit unfairen Mitteln bremsen können. "Das ist der gewohnt",
sagt Uwe Krupp. "Wer in der NHL 30 Tore schiesst, steht immer im
Target." Aber Marco hat andere Sorgen: "Ich darf den Jungs in Boston
nicht erzählen, dass ich gegen Israel gespielt und im Holiday Inn
gewohnt habe, sonst werde ich nur noch verarscht." Das Holiday Inn
macht in der Tat nicht den besten Eindruck, es liegt am Bahnhof und man
findet es nur zufällig als Seiteneingang zu einem großen Supermarkt.
Die Zimmer sollen auch nicht so toll sein. Jetzt fühle ich mich mit
meinem Aussenklotel plötzlich aufgewertet. Manche Kollegen sind besser
untergebracht, aber bei denen steht früh um 5.30 Uhr die Müllabfuhr vor
dem Fenster, während ich ruhig schlafen kann. Naja, fast. Um halb zwei
zog jemand über die Flur und brummte "Die Deutschen sind wieder da,
besoffen wie jedes Jahr". Fein, jetzt mach schön Sitz und gib Ruhe.
Die Halle war klar in deutscher Hand und es gab auch keine
peinlichen Sprüche beim Spiel gegen Israel. "Schiessen, einfach
schiessen" war noch das Missverständlichste. Die Deutschen prägen auch
das Stadtbild, sie repräsentieren eindrucksvoll die Kultur unseres
Volkes. Zum Beispiel die drei Düsseldorfer, die mit einem Fass Bier auf
einer Parkbank sitzen und trinken. Und trinken.
Eines habe ich allerdings nicht verstanden: Die Fans riefen "Tripcke
raus!" Der war gar nicht da! Um rausgeworfen zu werden, muss er doch
erstmal drin sein, oder? Davon abgesehen, kann man schlechte
Nachrichten nicht dadurch beseitigen, dass man ihren Überbringer köpft,
man sollte sich lieber die Verursacher zur Brust nehmen. Überall lese
ich "Pro Aufstieg". Na es gibt ihn doch, den Aufstieg. Und jetzt gibt
es auch noch Overtime. Und Penaltyschiessen. Und die Drittelpausen
werden verlängert. Das wird bestimmt den Getränkeverkauf in den Arenen
ankurbeln, wenn man dort künftig einen halben Tag verbringen muss, um
ein Eishockeyspiel zu sehen. Es fehlen nur noch Werbe-Unterbrechungen
während der Spiele. Aber das kriegen wir auch noch hin und dann stellen
wir am besten Feldbetten auf, damit die Zuschauer zwischendurch ein
Stündchen schlafen können. Ein Cricket-Spiel dauert mehrere Tage.
Schaffen wir auch!
Gruß vom schwitzenden Alexander Brandt